Disillusion, Dark Suns, Hidden in the Fog, Desolation, Dark Art

Hannover - 11.11.2006

(Bericht: Wiebke)

Als ich um 19.15 Uhr vor der FAUST 60er-Jahre-Halle eintreffe, stehen dort schon einige Gestalten und frieren im böigen Wind, während von drinnen noch Soundcheckfetzen zu vernehmen sind. Mit etwa 20 Minuten Verspätung wird dann auch endlich die Tür geöffnet, so dass man sich drinnen aufwärmen kann, ehe es um kurz vor acht endlich losgeht.

Erste Band des Abends ist Dark Art. Die Bremer agieren als Duo, was auf den ersten Blick doch ziemlich minimalistisch anmutet. Musikalisch gibt es aber sofort voll auf die Zwölf, Frontmann Jesko haut in die Saiten, was die Klampfe hergibt, während Schlagzeuger Hirsch die Felle seines Kits verdrescht. Dabei zieht er Grimassen und lässt seine Haare wirbeln, so dass es durchaus Parallelen zu dem vorne angebrachten Animal aus der Muppet Show zu entdecken gibt. Nach dem zweiten Song hat sich auch gleich erstmal die Tretmaschine verabschiedet, was Jesko nur mit einem lapidaren „er macht immer sein Schlagzeug kaputt“ kommentiert. Der Schaden ist aber schnell behoben und man fährt fort. Diese Band spielt sehr speziellen Death Metal, der meistens midtempolastig und ziemlich rhythmisch daherkommt. Zwischendrin bleibt aber auch Raum für Improvisation, was Jesko in seinem Gitarrensolo eindrucksvoll demonstriert und das zu Recht ordentlich beklatscht wird. Aufgrund der Verspätung müssen Dark Art ihren Auftritt allerdings um einen Song kürzen, so dass sie ziemlich abrupt zum Ende kommen, dennoch lässt sich Hirsch das Schlagzeugsolo nicht nehmen, da stört es ihn auch nicht, dass die Pausenmusik schon wieder läuft. Alles in allem ist dies ein interessanter Gig, bei dem mir dennoch stellenweise eine zweite Gitarre oder ein Bass gefehlt hat.

                            

Als nächstes sind die heutigen Lokalmatadoren Desolation an der Reihe, die ohne großen Line Check sofort mit „Dona Nobis“ beginnen, das nahtlos in „Salvation Paradox“ übergeht. Frontmann Johannes ist gut bei Stimme und growlt richtig schön tief, zwischendurch schüttelt er immer wieder seine rote Mähne, was ein beeindruckendes Bild abgibt. Nach einer kurzen Begrüßung verkündet er mit einem schelmischen Grinsen, dass die neue CD „Under Pitch-Black Skies“ nun endlich fertig ist, was man selbst schon fast nicht mehr geglaubt hat, ehe es im Programm weiter geht. Die neuen Songs fügen sich wunderbar in das Set ein, so dass Desolation eine anspruchsvolle Mischung aus Death und Black Metal präsentieren können, die stellenweise eine gruselige Atmosphäre erzeugt, woran das gesangliche Wechselspiel zwischen Johannes und Tastenmann Sebastian an vielen Stellen einen nicht unwesentlichen Anteil hat.

                     

Von Song zu Song steigern sich die Jungs, auch wenn Johannes zwischendurch mal auf einem Stuhl Platz nehmen muss, weil ihn starke Rückenschmerzen plagen. Auf das erste Stück „Apocalennium“ der alten Platte, die laut Johannes „schon viel zu lange her ist“, folgt das Titelstück der Neuen: „Tribe Of Light“ ist ein wahrer Nackenbrecher, so dass auf und auch vor der Bühne die Haare fliegen. Kein Wunder, dass Thomas hinter seiner Schießbude breit grinsend seine Sticks schwingt. Absoluter Höhepunkt ist aber „Erntebringer“! Dieser Song ist einfach gnadenlos, und das Quintett zeigt, was es musikalisch drauf hat. Da kann man den fehlenden Bassisten schon mal verschmerzen. Den Abschluss bildet “Blindfolded”, das kurz und knackig auf den Punkt kommt, ein Stück zum Austoben, womit ein toller Auftritt leider viel zu schnell sein Ende findet.

                           

Setlist: Dona Nobis – Salvation Paradox – Sic Latet Gloria Mundi – Gather – Apocalennium – Tribe Of Light – Erntebringer – Todgeweith – Blindfolded

                

Die Melodic Black Metaller Hidden In The Fog haben diesmal mehr Glück als noch in Osnabrück, das Publikum ist ihnen von Anfang an wohl gesonnen und spendet von Anfang an ziemlich viel Beifall. Außerdem befinden sich ein, zwei die-hard Fans im Publikum, die von Beginn an ordentlich mitgehen. Frontmann Ghâsh teilt nach dem ersten Song mit, dass er ziemlich erkältet ist und entschuldigt sich schon im Voraus, falls manche der Gesangspassagen nicht so klingen, wie sie das eigentlich tun sollen, ehe er wieder in einer anderen Welt versinkt. 
Die Songs, die vornehmlich vom aktuellen Longplayer „Damokles“ stammen, sind ziemlich komplex und vertrackt. Da ist es schon bemerkenswert, dass Bassist Lothargie (was für ein Pseudonym!) nebenbei noch Zeit findet, sein Haupthaar zu schütteln. 

                           

Aber auch Gitarrist Alexander F.J. Creuzfeld steht nicht still, mosht und zieht Grimassen, woran er sichtlich großen Spaß hat. Immer wieder steuert er auch vornehmlich growlige Backgroundvocals bei, die ein weiteres zum Facettenreichtum der Stücke beitragen.  Die Raserei wird immer wieder von äußerst sanftmütigen Momenten durchbrochen, in denen Ghâshs schöner klarer Gesang vollends zur Geltung kommt, ehe er wieder in wildes Kreischen verfällt. So ist Abwechslung garantiert. Als besonderes Bonbon haben die Ascherslebener dann noch eine Coverversion im Gepäck. Es wird tief in die Kiste gegriffen und Emperors „I Am The Black Wizards“ zu Tage gefördert. Man bewegt sich nah am Original und verwandelt die 60er Jahre-Halle in eine klirrende Frostlandschaft. 

Setlist: The Ignoramus’ Elegy – The Nighted Deity – Miasmic Forboding – Mirages Of Redemption – I Am The Black Wizards – A Desolate Spectaculum – And Harvest Has Come

                         

Nach einer kurzen Umbaupause wird es komplett dunkel, nur eine einzelne kleine Lampe verbreitet ein bisschen Licht auf der Bühne und taucht die Musiker von Dark Suns in unmittelbarer Nähe in Schatten. Dann ertönt das Intro – samtige Klänge und eine wunderschöne Frauenstimme, das dann in „You, A Phantom Still“ übergeht. Der Song beginnt verheißungsvoll mit synthetischen Streichern, die eine Spannung aufbauen, so dass die einsetzenden Instrumente fast wie eine Erlösung erscheinen. Gitarrist Torsten und Keyboarder Thomas lassen ihre Haare fliegen, während es die beiden Saiteninstrumentalisten auf der anderen Seite eher ruhig angehen lassen. Sie bilden während des ganzen Sets den eher ruhigen Pol der Band.  
Nikos Stimme klingt im ersten Moment sehr zerbrechlich und im nächsten unglaublich kraftvoll. Dass er dabei noch Schlagzeug spielt, ist eine bemerkenswerte Leistung. Dennoch macht sich das Fehlen eines „richtigen“ Frontmannes schon durch eine große Lücke bemerkbar, da seine Vordermänner doch sehr an die Seiten ausweichen und ihre Plätze auch im weiteren Verlauf nicht verlassen. Andererseits ist die Musik zu großen Teilen ruhig und verträumt, Parallelen zu den ruhigen Liedern von Opeth sind nicht von der Hand zu weisen, so dass zu viel Action vielleicht auch wieder bemängelt werden würde… 

                          

Zwischendurch bedanken sich die Leipziger bei Micha, der die letzten paar Gigs am Bass ausgeholfen hat – dies ist nun erstmal sein letzter Auftritt mit der Band – ehe es weiter geht. „The Euphoric Sense“ entwickelt sich nicht nur zu einem meiner persönlichen Highlights, die harten Gitarren animieren auch ein paar Leute zum Headbangen. Ansonsten hat sich das Publikum ein paar Meter zurückgezogen und steht eher abwartend da, was nicht heißt, dass der Auftritt des Quintetts nicht gefällt. Alle Stücke werden gebührend beklatscht, trotzdem muss man sie ein bisschen auf sich wirken lassen. Abschließend wird dann „Patterns Of The Oblivion“ dargeboten, zu dem Dark Suns laut Niko eine besondere Beziehung haben. Noch einmal breiten sich verwobene Klangteppiche im Raum aus, noch einmal holt einen die Schwermut ein und  fühlt dennoch gewisse eine Lebendigkeit. Damit geht ein gelungener Auftritt zu Ende, schade ist einzig, dass kein Song von „Swanlike“ den Weg auf die Setlist gefunden hat.

Setlist: Loreen (Intro) – You, A Phantom Still – Her And The Element – Anemone – The Euphoric Sense – Abiding Space – Patterns Of Oblivion

                

Ein letztes Mal warten, dann wird die Bühne in rotes Licht getaucht und das Intro gestartet, die Musiker lassen noch ein bisschen auf sich warten, so dass der Blick auf den Aufstellern ruht, auf denen ein stilisierter Oberkörper abgebildet ist. Das Publikum hat sich inzwischen wieder näher an die Bühne herangetraut, so dass die ersten Reihen gut gefüllt sind, aber  ohne dass man Angst haben muss, erdrückt zu werden. Jedes Bandmitglied von Disillusion wird lauthals begrüßt, und dann macht „The Black Sea“ den Anfang. Zuerst ist es schon befremdlich, dass Vurtox jetzt auch ein Effektmikrophon benutzt. Aber anders lassen sich die Songs vom neuen Album live nicht umsetzen. Und doch brauche zumindest ich ein bisschen Zeit, um mich an die neuen Stücke zu gewöhnen, da ich bisher noch nicht in „Gloria“ reingehört hatte.

„Alone I Stand In Fires“ ist mir dann zumindest wieder bekannt. Gitarrist Rajk nutzt den sich bietenden Platz vollkommen aus und wirbelt auf seiner Seite ordentlich durch die Gegend, hüpft, mosht und verzieht das Gesicht. Aber auch Vurtox entfernt sich in seinen Gesangspausen vom Mikroständer, schüttelt seinen Dutt und tritt auch mal in bester Kampfkunstmanier in die Luft. Außerdem ist es eine Freude ihm beim Singen zuzusehen, denn er geht voll in der Musik auf, was sich besonders in der Mimik widerspiegelt. Derweil lassen auch die Disillusion-Fans ihre langen Haare – soweit vorhanden – fliegen, was bei den wuchtigen Riffs aber auch kaum zu vermeiden ist. „The Porter“ kommt ziemlich Death Metal-lastig daher, so dass auch hier Headbangen angesagt ist. Auf die Frage, ob man denn schon das neue Video kenne, reagieren die meisten etwas verwirrt, aber Vurtox klärt zum Glück postwendend auf. Auf der Homepage der Band kann man sich das Video zu „Don´t Go Any Further“ anschauen, das im folgenden angestimmt wird. Dieser Song geht nicht nur sofort ins Ohr, er animiert auch zum Tanzen. Diese ungeraden Rhythmen mit den Wechseln zwischen ruhigeren Parts mit dem Sprechgesang und den brachialen Phasen geht verdammt in die Beine! Mit dem Titeltrack „Gloria“ wird dann das Ende des regulären Sets eingeleitet, einem sehr eigenwilligen Stück, bei dem Disillusion ihre Stärken wieder voll ausspielen: tricky Beats, fette Gitarren, abwechslungsreicher Gesang.

                            

So einfach dürfen sich die Leipziger dann aber doch nicht davonstehlen, denn man verlangt vehement nach einer Zugabe. Die dann auch mit „And The Mirror Cracked“ gegeben wird. Dabei offenbaren sich technische Probleme, denn Bass und Keyboards, die vom DAT-Band kommen, verabschieden sich für diesen Song. Das Trio lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen und rockt, was die Kondition hergibt. Und zu allerletzt geben sie den Leuten noch, worauf alle schon sehnsüchtig warten. „Einen haben wir noch“, kündigt Vurtox an, worauf sich ein Grummeln im Saal ausbreitet, „ja, aber der ist 15 Minuten lang!“ Jubel, denn das kann nur das großartige „Back To Times Of Splendor“ sein. Das Technik funktioniert nun auch wieder, was von Seiten der Band mit „oh, das Orchester ist zurück“ kommentiert wird, als die Anfangsmelodie der Streicher ertönt. Jetzt mobilisieren alle ihre letzten Kraftreserven, um noch einmal richtig mitzugehen. Besonders lebhaft geht es dabei im mittleren Teil der Halle zu, wo ein paar sichtlich angetrunkene Musiker von Desolation und Hidden In The Fog einen wahren Ausdruckstanz abliefern, was zum Teil doch für erhebliche Belustigung sorgt. Und irgendwie ist die Zeit doch wieder viel zu schnell herum gegangen, die letzten Noten verklingen und ein schöner Konzertabend geht zu Ende, bei dem Freunde anspruchsvoller, nicht alltäglicher Musik vollends auf ihre Kosten gekommen sein dürften.

Setlist: The Black Sea – Save The Past – Alone I Stand In Fires – Avalanche – Dread It – Lava – The Hole You are In – The Porter – Don´t go Any Further – Too Many Broken Cease Fires – Gloria II And The Mirror Cracked – Back To Times Of Splendor

 

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