WALTARI / KORPIKLAANI / DAS SCHEIT – "Faust" / Hannover – 02.12.2005
(Bericht von Wiebke)
Ob es daran liegt, dass es ein kalter, ungemütlicher Donnerstagabend ist, dass sich so wenige Leute in der Faust eingefunden haben? Wer weiß. Allerdings bedeutet dies, dass die erste Band vor rund 50 Nasen, vielleicht auch weniger spielen würde.
Ausnahmsweise pünktlich geht das Licht aus, und Das Scheit betreten zum Intro die Bühne, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Der Sänger sieht aus wie Marilyn Manson, bewegt sich wie Marilyn Manson und seine Stimme hört sich auch genau wie die Marilyn Mansons an, und seine Mitmusiker scheinen sich in punkto Outfit Schminke und Bewegung auf der Bühne auch einiges bei den Herren aus Florida abgeguckt zu haben.
Wie dem auch sei, die Musik ist nicht ganz so garstig und industriell. Man spielt Gothicrock, der abwechselnd ruhig und rockig und mit vielen Samples unterlegt ist. Als dritter Song wird „Coming up roses“ von Black gecovert, was gerade noch mal gut geht. Die eigenen Songs sind nicht wirklich spektakulär, aber den sechzehnjährigen Gothicgirls in der ersten Reihe gefällt es, während aus dem hinteren Teil des Publikums eher verhaltene Reaktionen kommen. Als vorletzter Song wird dann noch mal tief in die Cover-Kiste gegriffen und „Annie“ von den Eurythmics hervor gekramt. Ein Unterfangen, dass man vielleicht lieber hätte sein lassen sollen. Zum Schluss gibt es dann noch passend den „Last Song“, bei dem noch mal ganz großes Gefühlskino demonstriert wird.
Setlist: Intro – Shoot – Much deeper – Coming up roses – Splinters – Catpiss – Sehnsucht – Earth and still – Annie – Last Song
Dass die meisten Leute wegen Korpiklaani gekommen sind, zeigt sich daran, dass der Platz vor der Bühne nun etwas voller wird. Die Band lässt es – im Gegensatz zum Wochenende davor in Celle – etwas ruhiger angehen und stürmt nicht auf die Bühne. Dennoch merkt man den Musikern an, dass sie sich auf den Gig freuen.
Jonne grinst verschmitzt und stimmt den ersten Song an. „Journey Man“ wird von den meisten sofort erkannt und bejubelt. Und es dauert keine Minute, da hüpfen und springen die ersten drei Reihen munter durch die Gegend. Dabei versteht es sich dann von selbst, dass der Refrain lauthals und ziemlich schief mitgegrölt wird. Das folgende Stück „Happy little Boozer“, das auf dem nächsten Album „???“ zu finden sein wird, haut in die gleiche Kerbe und ist an konservierter Lebhaftigkeit nicht zu überbieten. Da kann Jonne auch nicht mehr still an seinem Mikro stehen und wieselt über die Bühne, die für die fünf stehenden Musiker fast schon ein wenig zu klein ist. Es geht rasant weiter, man gönnt sich und den Fans keine Atempause, ehe mit „Pellonpekko“ein etwas ruhigerer Song angestimmt wird. Hittavainen hat seine Violine absolut unter Kontrolle und so wird man von der Geigenmelodie einfach nur verzaubert. Wenn man in Winterdepressionen versinkt, ist dieses Instrumental die Rettung, da es sich irgendwie nach Frühling anhört…
Beim nächsten Stück beweisen die Jungs neben mir Fachkenntnisse, denn als Jonne seinen kehligen Singsang anstimmt, haben sie gleich den Fachbegriff „Yoik“ parat. Und auch hier kommet keine Langeweile auf, dafür sorgen die Breaks, in denen „Sprit“ gebrüllt und „Spirit of the forest“ geflüstert werden darf, ehe zum Gitarrensolo einfach nur noch abgerockt wird. Und so geht es munter weiter. Korpiklaani verstehen es, die Stimmung konstant hoch zu halten, indem sie zwischendurch immer wieder ein Instrumentalstück zur Abwechlsung integrieren, und dass sie ihre Instrumente beherrschen, brauche ich wohl nicht extra heraus zu stellen. Und auch die ernsteren Stücke werden gut aufgenommen, schade nur dass auch diesmal „Native Land“ nicht gespielt wird. Aufgrund des engeren Zeitplans muss man leider auf die Improvisationen verzichten und somit ist nach dem sehr finnischhumorigen „Beer, beer“ eigentlich Schluss. Aber damit geben sich die Hannoveraner nicht zufrieden, und brüllen die Band noch einmal auf die Bühne zurück. Ja, auch ein paar Nasen können ordentlich Krach machen.
Nach der letzten Zugabe dürfen Korpiklaani die Bühne aber immer noch nicht verlassen. Das Publikum applaudiert noch minutenlang und streckt den Musikern zahlreiche Hände entgegen, die geschüttelt und abgeklatscht werden wollen.
Setlist: Journey Man – Happy little Boozer – Before the morning sun – Korpiklaani – Pellonpekko – Spirit of the forest – Cottages and Saunas – Spring dance – Wooden pints – Tulikokko – Fields in Flames – Juokse sinä humma – Hunting song – Beer beer – Zugaben: Pine woods – Il lea voibmi
Das Kontrastprogramm liefern danach die Urgesteine von Waltari, die dann doch die etwas Älteren unter den Konzertbesuchern ansprechen, so dass direkt vor der Bühne anfangs wieder gähnende Leere herrscht. Doch die Herren sind Profis und lassen sich davon nicht beeindrucken. Mastermind Kärtsy versinkt ganz in seiner Welt, was sich in teilweise sehr wirren Gesichtsausdrücken widerspiegelt. Er trifft auch nicht jeden Ton exakt, bisweilen befindet sich seine Stimme sogar sehr in Schieflage, aber das wird mit unbändiger Energie mehr als wettgemacht. Und wenn er bei einem Song mal keine Lust zum Bassspielen hat, dann kommt selbiger halt vom Band oder man tauscht fleißig Instrumente.
Und auch musiktechnisch geht es heiß her, denn Waltari machen vor keinem Stil halt. Da wird Death Metal, Heavy Metal, (Space) Rock, Pop und sogar Disco und Techno wild kombiniert, dass sich so mancher Kleingeist wohl am liebsten übergeben würde. Aber deswegen sind sie ja auch keine Band für die breite Masse und denen, die da sind, gefällt´s. Die Rhythmen gehen sofort ins Blut und spätestens beim vierten Song „Stars“ – übrigens der einzige mir bekannte – wackelt jeder (sogar eingefleichschte Death Metaller – micht wahr Herr Chronos?!) wenigstens mit dem Kopf oder tanzt völlig abgehoben.
Apropos abgehoben: Im Publikum werden ungeniert Bewusstseins erweiternde Substanzen kombiniert. Da dabei auf Chemie verzichtet wird bekommen die Umstehenden auch genügend mit, was einigen ein leicht entrücktes Grinsen ins Gesicht zaubert. Ich finde, das Zeug stinkt nur, aber vielleicht hat es einen abstumpfenden Effekt, denn mir sträuben sich die Nackenhaare, als der Keyboarder bei einem Lied mit einer Gabel auf einem Teller herumkratzt und das natürlich direkt vor seinem Mikrophon. Arrggghhh! Dass die Herren einen durchaus spitzfindigen Humor besitzen, zeigen auch die Ansagen vor den Songs. So bemerkt Kärtsy, dass auch andere Bands viel früher schon symphonische Elemente in ihre Musik integriert haben und es nicht erst seit Nightwish orchestral-bombastische Parts in Metalstücken zu finden sind.
Die Zeit vergeht leider viel zu schnell, und schon sind die Finnen am Ende ihres Sets angelangt. Doch auch fünfzig Nasen können ganz schön laut brüllen und so wird das Quintett noch mal auf die Bühne zurückgeholt, die noch einmal für zwei Songs ihre enorme Spielfreude beweist und sich dann fast schüchtern für die positiven Reaktionen bedankt.
Setlist: Far Away – Not Enough – Dreamworks – Stars – Dawning – Helsinky – Piggy – Exterminator – Shapes – Darling – One Day - Forest
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