Abinchova, Wraithcult, Waldwind, Camoz, Knaat

26. Dezember 2011

(Bericht: Surtr)

Weihnachten, die Zeit, die der "böse Wochenend-Satanist“ zum infernalischen Geschenke-Einsacken missbraucht und beim "ach so heidnischen“-Pagan-Metal-Fan lieber Midvinter oder auch Julfest genannt wird. Der Kalender verkündet es zwar, aber außer dem Datum erinnert nicht wirklich viel an die besinnliche Zeit. Tauwetter und großstädtlische Wärme haben den Schnee vertrieben und die Eurokrise bestimmte die Frage nach Konsum in der Adventszeit. Genau an solch einem Weihnachtswochenende geben sich einige schwarzmetallisch-heidnische Bands sowie eine Thrash-Metal-Kapelle ein Stell-dich-ein im gemütlichen Backstage Club in München, der an diesem Tag (wen wundert es?) die einzige offene Location auf dem Backstage-Gelände ist. Darunter ein paar illustre Schmankerl, die dem Fan ein zusätzliches Geschenk unterm Baum sein dürften. Hier beweist der Veranstalter, der Bavarian Battle Verein, erneut einen glücklichen Schachzug, was die Bandauswahl angeht. Dazu ist der Eintritt kostenlos, also steht einem guten Konzertabend nichts im Weg.

Den Abend läuten die folkigen Viking-Metaller Knaat ein. Die junge, lokale Formation spielt straighten melodiösen arg Finntroll-lastigen Metal. Entsprechend dem Klischee gibt man sich oberkörperfrei, mit offenen, langen Haaren und Kriegsbemalung. Dazu noch die typischen Songtitel a la Odin, Met und Schlachtgebrüll und fertig ist ein weiterer Klon der Party-Wikinger-Fraktion. Zugegeben, diese Klischees sind für mich erst mal ordentlich Gift in den Augen. Andererseits, so muss ich mir recht bald eingestehen, spielen die sechs Mannen überaus kompetent und wissen durchaus wie Songs geschrieben werden. Eingängige Melodien paaren sich mit groovigen Rhythmen, dazu unterstreichende Keyboardparts und der wütende Gesang. Die Songs bieten Spannungsparts und werden nie langweilig. Schon gar nicht versinken sie im melodischen Einerlei-Sumpf. Das schindet Eindruck und weiß die Menge anzuheizen. Diese geht entsprechend dem Beginner-Slot anfangs eher verhalten zur Sache. Trotzdem finden sich hier und da eifrige Headbanger, die das Gesamtbild abrunden. Im Laufe des Sets geht die Stimmung im Saal aber doch noch steiler. Früher als man es gewohnt ist, aber wer soll über solch einen Fakt schon meckern?
Leider begehen die Herren ein paar Schnitzer, die sie noch von der etablierteren Schicht der Szene trennen: Bitte, bitte was soll denn eine Wall of Death auf solch einem Konzert? Wir sind hier doch nicht auf einer Groß-Veranstaltung. Zudem bricht diese Aktion an der sich ohnehin nur ein Dutzend Heranwachsende beteiligen den Raum vor der Bühne auf, der sich nur zäh wieder schließt. Des weiteren bringen Knaat außer kreisenden Schädeln kaum Bewegung auf die Bühne. Da muss sich etwas ändern, weil eine derartige Stimmungsmusik braucht lebendige Interpreten. Zudem sei auch darauf hingewiesen, dass die Instrumentalisten für ihr junges Alter arg tight gezockt haben, der Bassist allerdings auf mich einen inkompetenten Eindruck gemacht hat, was eben die Sicherheit am Instrument angeht. Ein Basssolopart sollte dann eben doch beherrscht sein.
Alles in allem trotzdem eine Band, die man getrost empfehlen darf und sich die Daseinsberechtigung durch ihr musikalisches Können erkämpft hat.

Nach diesen recht interessanten Jungspunden machen sich die erfahrenen Mannen von Camoz auf die Bühne, um mit ihrem anspruchsvollen Thrash Metal die Lautsprecher zu zerdeppern. Leider muss die Band aufgrund eines krankenhausbedingten Ausfalls auf ihren Sänger verzichten. Dementsprechend wird auf Gitarrist „The Olav“ zurückgegriffen, der die Lead-Vocals übernimmt. Camoz spielen eine Mischung aus Heavy und Thrash Metal, der mich zum einen sehr an die Herangehensweise von Megadeth erinnert, zum anderen auch Parallelen zu den Experimenten von Testament oder Hallows Eve beinhaltet. 

Camoz verzichten glücklicherweise auf den Trend, Thrash Metal mit Old School gleichzusetzen und ziehen ihr Ding gerade deswegen umso knallharter durch. Technisch perfekt wird hier brilliert ohne das gelernte Posen außer Acht zu lassen. Viele filigrane Spielereien an der Saitenfront und progressive Ausbrüche in Form von stilmischenden Instrumentalpassagen verzieren die Songs in höchster Güte. Leider ist der Gesang das Manko des Abends, denn ich muss schon gestehen, dass dieser ganz und gar nicht meinen Geschmack getroffen hat, und es mir wirklich schwer gemacht hat, Camoz den Zuspruch zu geben, den sie beim genauen Hinsehen eigentlich verdienen. Viele Zuschauer empfanden offenbar ähnlich und der Saal leerte sich mit der Zeit um ein Beträchtliches. Ich hoffe, dass der zur Zeit „zwangsabwesende“ Sänger mein Bild der Band in Zukunft ändern wird.

Den nächsten Slot bestreiten Waldwind, die sich im Backstage Club ja nun mittlerweile fast zu Hause fühlen müssten, konnten sie hier doch innerhalb des letzten halben Jahres drei Gigs absolvieren. Nachdem die Band sich bei mir mal mehr mal weniger gut behaupten konnte, bin ich gespannt auf welchen Zug die Band heute aufspringen wird. Im Publikum finden sich Menschen mit ähnlicher Anfangshaltung, denn Waldwind spielen zwar schon mehrere Jahre im Münchner Untergrund und absolvieren fleißig eine Vielzahl an Gigs, können sich aber trotzdem nicht einer gewissen Skepsis entziehen, da sie doch hier und da in ihrer Historie den einen oder anderen entrüsteten Fan aufgrund der Musik aus der Halle vertrieben haben. 

Heute scheint aber anfangs alles zu stimmen. Die schiefen Töne halten sich heute arg in Grenzen und das Gesamtbild bei Waldwind auf der Bühne wird von Mal zu Mal immer stimmiger. Allen voran beeindrucken natürlich Sänger Neurg und Gitarrist Bardauk durch ihre phänomenale Livepräsenz. Keyboarder Kerddor und Basser Kar von den gewaltigen Nebelkrähe bleiben eher für sich im Hintergrund, bangen aber trotzdem ordentlich. Und auch Drummer Murtem macht ordentlich Druck mit seinem intensiven Schlagzeugspiel. 
Musikalisch wird experimenteller Black Metal geboten, der sich lyrisch mit der Faszination der Natur auseinandersetzt. Allzu oft schimmern Negura Bunget und (alte) Bathory-Elemente durch.
Dazu kommen die vielen traditionellen Gitarrenauswüchse die irgendwo zwischen Accept und Skyclad im Unbewussten „herumwuseln“ und bei schwarzmetallischem Gefrickel a la Secrets of the Moon oder bereits genannten Negura Bunget wieder zum Vorschein kommen.

Auf jeden Fall bieten Waldwind heute fast keinen Raum zum Meckern. Routiniert wird das Set durchgezockt und beinahe wage ich, es einen meisterlichen Gig zu nennen. Bevor der Sack zu geht leistet sich der Fünfer allerdings doch noch einen schwer verdaulichen Fauxpas: Eine Cover-Version von den urmächtigen Mayhem in Form von „Freezing Moon“. Verzeihung, aber gewisse Sachen macht man nicht! Ich bin der Ansicht, dass Cover ein Set abrunden dürfen, aber nicht jede Band heißt Sepultura und nicht jedes Cover heißt „Orgasmatron“. Dass Waldwind, die immer noch argwöhnisch von manch einem beäugt werden, sich entschließen ein solch heikles Cover zu spielen, macht sie in meinen Augen nicht gerade zu Gewinnern des Abends. Allen Respekt vor Neurgs Gesang, aber gerade bei diesem Song ging das dann doch ein wenig arg in die Hose. Nun ja, trotzdem sind Waldwind für mich weiter emporgeklommen auf ihrer Karriereleiter und dürfen sich mittlerweile einer enormen Live-Abgebrühtheit erfreuen.

Nun treten allerdings die Schwarzmetaller auf den Plan um der Post-Helfahrt-Band Wraithcult zu huldigen. Im Grunde beinhaltet die Band das exakte Billing bis auf Sänger Max Marquardt, aber natürlich inklusive der Gebrüder Ludwig, welche man auch von Thulcandra kennt. Allerdings entgegen der epischen Viking- Metal- Schiene des Vorgängers, zockt der Vierer eiskalten, beinharten Schwarzmetall, der einem die Knochen aus dem Körper saugt. 
Ähnlich wie die lokalen Matadore Odem Arcarum setzt sich die Band starr und stolz auf der Bühne in Szene. Das Bild wirkt stimmig, passend zu der Musik, die gnadenlos rau rumpelt und durch die PA scheppert. Vergleiche zu alten Darkthrone und Dark Fortress setzen sich durch (um genau zu sein musste ich mir daheim erst mal die gute alte Panzerfaust-Scheibe wieder reinziehen). Natürlich ist die Musik arm an Hooks und anderen Sperenzchen, was aber der Atmosphäre in keiner Weise schadet. Denn das Feeling (und damit meine ich nicht das musikalische) was man von der Band in jede Zelle gebrannt bekommt, setzt sich aus genau den Zutaten zusammen, die einen solch malerischen Black-Metal-Gig ausmachen: Theatralik, die sich durch den puren Stolz auf der Bühne äußert, Eiseskälte, in Form von scheinbarer Abwesenheit und Gleichgültigkeit was die Verbindung zum Publikum angeht, und durch gebündelte Emotion, hier natürlich purer Hass. Ich habe lange keine Band mehr gesehen, die so authentisch auf diese Art und Weise Black Metal mit soviel Herzblut zelebrieren kann. Da fallen mir einzig, die oben genannten Odem Arcarum und bestenfalls Thorngoth ein, ein weiterer Beweis dafür, dass Bayern eine „Black Metal-Nation“ ist.
Fazit dieses Auftritts: Alles hat gestimmt, besser kann kein Einstand verlaufen. Ich freue mich auf weitere Auftritte.

Apropos... Der Abend, der wie bereits erwähnt unter der Obhut des Bavarian Battle Vereins steht, kann auch als eine Art Auftakt für das im Januar stattfindende Bavarian Winterbattle wahrgenommen werden, an dem sowohl Wraithcult als auch die Headliner des Abends Abinchova spielen werden. 

Auf Abinchova bin ich nun dann doch mehr als gespannt, denn immerhin schafften es die Herren und Damen sich beim Voting des Ragnarök Festivals 2012 durchzusetzen und können mittlerweile in ihrer Heimat, der Schweiz auf Gigs mit unter anderem Ensiferum, Moonsorrow und Skyclad zurückschauen. Die kleine Bühne des Backstage Club wird dem Septett gerade mal so gerecht, so muss die Keyboarderin fast schon auf den Treppenaufgang ausweichen. Als dann die ersten Noten ertönen, geht die Combo allerdings trotz des engen Raums sofort ab wie Schnitzel in der Bratpfanne, wahrscheinlich ist man den Umstand des kleinen Raums schon gewöhnt und weiß dementsprechend damit umzugehen. 
Fast allen Konzertbesuchern ist der Headliner unbekannt, jedoch wissen die Luzerner sofort das Eis zu brechen, durch gute Musik, Stimmung auf der Bühne und sympathische Ansagen. Die Musik siedelt sich im traditionelleren melodiösen Viking Metal an, irgendwo zwischen Eluveitie, Skyforger und Wyrd. Durchaus kompetent gespielt, auf Dauer allerdings nicht so eingängig. Aber durchaus wert einen zweiten oder dritten Blick darauf zu riskieren. 

Entgegen dem allgemeinen Trend folkloristischer Gruppen den Kleidungsstil der Musik anzupassen, legen Abinchova glücklicherweise nicht allzu viel Wert darauf und geben sich leger in Strassenklamotten und auch die Ansagen kommen ohne „Oh lasst uns doch alle Odin heiligen!“- Quark aus. Im Gegenteil, Abinchova geben sich durchaus bodenständig, als Fans der Musik und nicht mehr, ohne jedwede Untertöne, die Viking Metal zur Mission verkommen lassen, Heidentum in Mitteleuropa wieder neu einzuführen. Hier wird nur Musik gemacht, und das wirklich auch nur „von Fans für Fans“. Da heimst die Truppe ein weiteres fettes Plus ein.  Nach einer guten Dreiviertelstunde ist der Spaß dann allerdings auch wieder vorbei. Schade, aber ich bin jetzt schon gespannt auf die nächsten Auftritte der Band. Von dieser Formation kann man einiges erwarten.

Alles in allem eine nette Überbrückung von Feiertagen zu Neujahr. Und ein würdiger Ausklang des Konzertjahrs. Auf ein frohes 2012 mit ebenso abwechslungsreichen und lohnenswerten Konzerten!

 

 

<<<zurück zu den Konzertberichten

 

besucherzählerXStat.de