Sycronomica, Destinity, Dead Alone, Rapture, Arsirius, Enkranius, Skrotum, Waldwind

4. Februar 2012

(Bericht: Surtr)

Es ist kalt draußen, verdammt kalt. In Osteuropa sterben die Menschen an arktischen Temperaturen und auch in Deutschland sind die ersten Opfer des Kältetodes bekannt. Ein Wetter bei dem man also keinen Hund freiwillig vor die Haustür lässt. Und unter diesen klimatischen Rahmenbedingungen findet Anfang Februar 2012 im guten alten Hansa 39 in München das sogenannte „The Dark Side of Munich“- Event statt, welches starke Münchner Truppen unter einen Hut bringt und mit Destinity aus Frankreich sogar ein fettes Death-Metal-Bonbon aus dem Ausland ... als Bonus sozusagen. Die Veranstalter von Rapture und Dead Alone haben weder Kosten noch Mühen gescheut und ein wirklich ansehnliches Billing aus acht Bands auf die Beine stellen können. Zudem feiern die Headliner des Abends, die Black-Metal-Haudegen von Sycronomica ihr 15-jähriges Jubiläum.

Der Einlass wurde aufgrund der Vielzahl an Bands bereits auf 16 Uhr gesetzt. Doch bis kurz vor Beginn um halb 5 die erste Band Waldwind aus München beginnt, tut sich nicht wirklich viel vor der Bühne. Sogar als die Band schon auf der Bühne steht, tummeln sich erst mal nur wenige Nasen, um dem Schauspiel beizuwohnen. Erst im Laufe des Auftritts sollte sich die Halle ein wenig mehr füllen. Jedenfalls bieten Waldwind für die Anwesenden einen Ausflug in ihre naturbeeinflussten Klangbilder. Die Gruppe kann ja nun doch schon auf mehrere Auftritte zurückblicken. Jedoch gelingt es ihnen heute mit ihrem experimentellen Metal nicht wirklich den Sack zuzuschnüren. Bei fettestem Sound lassen sich arg viele Schnitzer und Spielfehler feststellen. Gerade an der Schlagzeug-Front rumpelt und scheppert es ordentlich daneben. Auch der Cleangesang geht tonal in irgendwelche Richtungen, bloß die offenbar gewollten Harmonien mögen dabei nicht entstehen. Als Einheizer taugt das teilweise komplexer angelegte, jedoch für mich immer noch nicht hundertprozentig nachvollziehbare Arrangement des Fünfers sowieso nur spärlich. Einen Pluspunkt erzielt aber die Band für mich durch die Mayhem-Blastbeats. Das wagen nur wenig Leute, und wirkte das Mayhem-Cover beim letzten Auftritt arg fehl am Platz, so wirkt diese Art von Tribut sinnvoller und korrekter. 

Im Anschluß spielen die Freisinger von Skrotum, die mir namenstechnisch zwar schon länger ein Begriff sind, ich aber weder den Stil noch sonst irgendwas mit der Band in Verbindung bringen konnte. Der Flyer sagt „Death Metal“, doch der Vierer bietet für mich eher eine Querschnittlinie aus allem was brutal klingt. Deathcore-Walzen paaren sich hier mit vertrackten Meshuggah-Anleihen und Brutal- Death-Riffings, die hier und da durch slammige Schnitzeleien ergänzt werden. Grindige Pitchshifter-Grunzer (seitens des Bassers) und authentisch brachiale Grunts und Growls (seitens des Gitarristen) untermalen das arg groovige Set, während sich der Drummer mit einer wunderschön abgemischten Snare das Herz aus der Brust blastet.
Zudem kann der Sänger an der Gitarre mit seinen charismatischen Dialekt-geprägten Ansagen ordentlich viele Leute innerhalb kürzester Zeit auf seine Seite ziehen. War eben jener aufgrund seines modernen Kleidungsstils und der Frisur für viele konservative Alt-Metaller ein Grund abfällige Bemerkungen vorab zu verteilen, wird genau diesen Zweiflern nun aber auch ein Brett vor den Kopf gezimmert, was alle Abfälligkeiten zunichte macht, und das mit Bravur. Die Musik von Skrotum ist so ehrlich, so frisch (aber auch einfach nur sick und brutal) und genau deswegen ein idealer Auftakt für diesen glamourösen Metal-Abend. 

Danach steht die Combo von Enkranius auf dem Plan, deren Sänger JJ gleich von Anfang an dementiert, dass seine Band mit Black Metal zu tun hat, würde der Flyer dieses Konzertes doch zu Unrecht darauf hinweisen. Nun, von einer Band die auf ihrer Myspace-Seite riesig groß „Föten-Metal“ als Banner stehen hat, weiß man erst einmal nicht welche Art von Musik einen erwartet. Tatsächlich beginnt das Set mit arg rockig- doomigen Klängen, allerdings unterlegt von keifendem Schwarzmetallgekreische, was den Schluss auf den Stil im Nachhinein verständlich macht. Eben jener Gesang nimmt bei den recht simpel gestrickten Songs der Band die Hauptrolle ein. So wütet der Sänger sich mal hoch, mal tief durch das Set und weiß durch ordentlich viel Emotion in der Stimme zu gefallen. Allerdings weist die musikalische Front der Kapelle nicht besonders viel Tightness auf, so scheint einzig der Bass den Takt sicher zu verfolgen, während die anderen Instrumente ihn nur ab und an treffen. Schade. Diese Unsicherheit spiegelt sich auch im Songwriting wieder, das mehrere verschiedene Stile anschneidet, aber nicht zu einer Aussage verbindet, und den Hörer dadurch eher irritiert als fängt. Gerade nach der Glanzleistung von Skrotum macht Enkranius aber eines zum Glück richtig: Auch wenn sie in technisch-musikalischer Hinsicht gegen die vorgelegte Messlattenhöhe nichts vorbringen können, so kompensieren sie trotzdem ordentlich indem sie verdammt Stimmung machen und mit ihrem rockig-rotzigen Charakter mir auch irgendwo das Kopfnicken entlocken.

Die Halle füllt sich mittlerweile beträchtlich und die Bands können heute von Glück reden, dass es mittlerweile draußen so arg kalt geworden ist, dass jede Zigarette zur Tortur wird und Nichtrauchen zu einer ernstzunehmenden In-Betracht-Ziehung aufsteigt, denn die Leute bleiben meistens drinnen und so bleibt es stets voll vor den Bühnen. 

Als nächstes steht Arsirius auf dem Plan. Dabei handelt es sich um die Nachfolgeband von Dead Emotions. Ebendiese Dead Emotions konnte ich live nie bestaunen, kannte aber das Machwerk vom Silberling her. Und so bin ich gespannt wie Arsirius sich nun schlagen. Ich für meinen Teil bin allerdings enttäuscht, denn entgegen der groovenden Gewalt von Dead Emotions reihen sich bei Arsirius nur belanglose Rhythmen aneinander. Erinnern tut das ganze ein wenig an eine Mischung aus Abhorrence und alten Sentenced, aber auch nur in abgeschwächter Form. Zumal ich genannten Gruppen eh nicht soviel abgewinnen kann so kommen Arsirius mit ihrer zwar durchwegs kompetenten und tight gezockten Mucke leider nicht an mein Ohr heran. Als aber dann noch von Dead Emotions der Song „Cluster“ gezockt wird, bin ich dann letzten Endes doch noch halbwegs zufrieden.

Danach ist es Zeit für Rapture. Uff, das ist ewig her, dass ich die Combo live bestaunen konnte. Anno 2007 müsste das gewesen sein, soweit ich mich erinnern kann. Also lang genug her um eigentlich kaum noch Bezug zu haben an den Sound, jedoch kann ich mich noch entsinnen, dass ich diese Gruppe als sehr humorvoll und charismatisch abgespeichert habe. 

Tatsächlich machen Rapture straighten, spaßigen Death'n'Roll, der sich irgendwo zwischen der Uprising von Entombed, Chapter 13 von Gorefest und allen Volbeat-Scheiben umhertreibt und einfach nur voll auf die Glocke schmettert. Mit viel „Uffta-Uffta“-Schlagzeug, einem pumpenden Bass, rauchig-röchelnden Vocals und lässigen Gitarrenriffs. Dazu ein enormer Bewegungsdrang. Die Ansagen seitens des Sängers Christian Kraeter driften zwar oft in zuviel Dankespathos ab und zeitweise fragt man sich, ob nicht noch ein oder zwei Songs mehr ins Set gepasst hätten, wenn hier weniger gequasselt worden wäre. Macht aber nichts, denn bei all dem Witz und Charme ist die Zeit ja an sich auch nicht wirklich vergeudet. Rapture machen Spaß und die Stimmung ist nun ordentlich in die Höhe geschnellt.

Auf diesen Zug können Dead Alone meiner Meinung nach leider nicht aufspringen, denn war die Meute davor am Kochen, so brodelt sie während dem düsteren Dark Metal nur vor sich hin. Sänger und Bassist Florian Hefft tut sich mit seinem Anfeuern nicht ganz so leicht wie davor Sänger Kraeter von Rapture. Schade, denn Dead Alone sind mittlerweile live so dermaßen souverän, dass es mich wundert, dass hier bei der obligatorischen Frage, ob alle gut drauf sind, überhaupt noch nachgehakt werden muss.

Wie gesagt bieten Dead Alone kaum einen Anreiz zum Mäkeln. Zwar bin ich kein Fan der aktuellen Scheibe Vitium, die heute fast ausschließlich das Set bestimmt, jedoch können die neuen Songs allen voran die Zugabe „Pilgrim“ bestechen durch ordentlich viel Groove und Schub nach vorne. Der Sound der Band geht immer mehr in eine düster-doomige Version der neueren aber langsameren Behemoth- und Belphegor-Werke, sowas gibt es selten und deswegen gebürt Dead Alone einhergehend mit der professionellen Leistung auf der Bühne auch der Respekt eine eigene Sound-Nische gefunden zu haben und diese auch großartig verteidigen zu können. Allerdings in Zukunft bitte ohne Soli, denn die Soli sind auf einem Niveau wo Amon Amarth noch in unerreichbarer Ferne liegen. Das ist der einzige musikalische Faktor der mir noch übel aufschlägt. Trotzdem war der Gig mehr als Tata!

Das Finale des Abends bestreiten die beiden Headliner Destinity und Sycronomica, wobei von ersteren wohl nur wenige bis dato gehört haben. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass auch ich noch nie von der Gruppe gehört habe. Das Wort „Schande“ drängt sich auf. Denn diese Franzosen, die sich selber als gebürtige „Froschfresser“ vorstellen, metzeln mit der Energie eines Atomkraftwerks ihre rasend schnellen Songs so brachial in die Meute, dass ich erstmals an diesem Abend aus dem Staunen nicht raus komme. So viel Druck nach vorne habe ich selten bei einer Band erleben dürfen. Dies ist natürlich bei einem Publikum, von dem über 90 % noch nicht mal den Namen der Band zuvor gehört haben, das einzig Richtige! Das Quintett zockt eine Mischung die irgendwo zwischen God Dethroned, At the Gates, Zonaria und Fleshgod Apocalypse umherkurvt, das Feeling von Electric Wizzard vierhundertmal rasanter aufs Tablett klatscht und diesen Wulst brutaler, zackiger und schneller als alle genannten Bands dem Hörer vor den Latz knallt. Wie die Menge das Ganze genau aufgenommen hat weiß ich nicht, denn irgendwann konnte ich nicht mehr anders als in der ersten Reihe zustehen und mein bescheidenes Kopffell zu schütteln. Da war kein Entkommen möglich. Destinity seien jedem, der noch nicht von dieser Band gehört hat, nur wärmstens ans Herz gelegt. Hier wird Vollgas gegeben vom ersten Kick bis zum letzten Release. Hammerhart! Neben Skrotum die Helden des Tages!

Den Abschluss bilden die Urgesteine Münchens, Sycronomica, die mit ihrem Keyboard-lastigen Black/Pagan Metal nun schon 15 Jahre Bandgeschichte vorweisen können und das aus gegebenem Anlass auch auf diesem Konzert gebührend feiern. Zwar sind die Reihen mittlerweile nicht mehr so arg gedrängt wie noch bei Dead Alone und Destinity, trotzdem wohnen immer noch genug Fans dem Best-Of-Set des Sechsers bei. Dieses setzt sich aus Songs wie „The Call“ und „Für die Ewigkeit zusammen. Bei den Songs „Durch das Geäst“ und „To the Rivers End“ besteigt Ex-Mitglied Chris noch zusätzlich die Bühne als Gastsänger sowie Gastgitarrist („To the Rivers End“ mit drei Gitarren hat schon was episches!) Auch ein neuer Song namens „Neverest“, den ich frech als besten Song in der Geschichte von Sycronomica betitele, schafft es ins Set. Drummer Uli hämmert mit seinem wahnsinnig gefühlvollen Schlagzeugspiel die Songs filigran zu neuen Ufern, während die Gitarrenfront, gerade durch Leadgitarrist Marcelo, epische Atmosphären beschreibt. Dazu die keifende bestechende Stimme von Sänger Olli, der charismatisch wie immer das Publikum zu animieren versteht.

Sycronomica haben während des Auftritts auch Nebeltonnen mit eingebauten Scheinwerfern am Start. Der optische Effekt mag reizvoll sein, steht aber leider nicht im Kontext zur erzeugten Einnebelung des gesamten Feierwerks. Erinnerungen an den Immortal-Auftritt auf dem Kings of Black Metal 2010 werden wach und ich bin nach dem obligatorischen Dimmu-Borgir-Cover „Alt Lys Er Svunnet Hen“ dann eher in Aufbruchstimmung. Die letzte Zugabe „Beyond the Gate of Light“ schenke ich mir. 
Hier trotzdem noch eine Anmerkung meinerseits: Meiner Meinung nach mangelt es immer noch dem Songwriting und dem Arragement, bei all der Vielschichtigkeit, an einem letzten Feinschliff. So existieren meines Erachtens nach immer noch Parts in den Songs, wo ich mich erdreiste zu sagen, dass diese selbst nach mehreren Jahren nach der Entstehung, überarbeitet gehören, so reihen sich teilweise Riffs an Riffs mit Überleitungen, die sich mir noch nicht erschlossen haben. Trotzdem immer wieder schön, den Gigs der Mannen von Sycronomica beizuwohnen. Doch nach so einem langen Abend bin ich nun doch geschafft. Und ab geht es in die Nacht.

Das Konzert war für mich einer der angenehmsten und schönsten Underground-Konzerte die ich seit langem erleben durfte. Die Bandauswahl war respektabel, denn hier wurde ein Querschnitt durch verschiedene Stile geboten. Die Stimmung war durchgehend gut und die für ein Undergroundkonzert hohe Anzahl der Leute hat die Auftritte zu etwas besonderem gemacht. Die Organisation war durchweg gut und viele Helfer haben dazu beigetragen, diesen Abend zu einem schönen Erlebnis zu machen. Wenn das ganze eine Fortsetzung findet, bin ich sehr angetan.

 

 

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