Dordeduh, Odem Arcarum, Waldwind

München, 27. Oktober 2011, "Backstage Club"

(Bericht: Surtr)

An diesem Abend durfte im kleinen Backstage Club atmosphärische Black Metal-Luft  geschnuppert werden. Drei Bands, unterschiedlich zueinander, aber in der Auslegung mit ihrer Musik neue Pfade auszutreten trotzdem ähnlich.

Begonnen wurde mit der lokalen Band Waldwind, die seit ihrer Gründung den Fokus auf ein komplett eigenes Klangbild gelegt haben und bis dato mehrere Experimente gewagt hatten und diesbezüglich auch mehrere Besetzungswechsel durchmachen mussten. Heute steht das, wie ich finde, stärkste Line Up (endlich mit Keyboard anstatt Multiinstrumentalisten) auf der Bühne und dementsprechend bin ich natürlich gespannt wie die jungen Herren den Anfang dieses Abends gestalten werden. Als ich sie das letzte mal in derselben Location sehen konnte, haben sie ihren bis dato stärksten Gig abliefern können. Dementsprechend hoch sahen die Erwartungen aus.

Waldwind begannen steil und setzten gleich auf Headbanganimation mit durchschaubarem Takt und Einladung zum hingebungsvollen Abgehen. Die bis dahin halb gefüllte Halle ging allerdings eher auf Abstand, nicht nur weil der Münchner Metalfan sowieso sehr verhalten ist gegenüber eher unbekannterer Lokalnahrung, sondern auch weil sich eine (Verzeihung für den Ausdruck) wandelnde Arschritze den gesamten Raum vor der Bühne sicherte um dort betrunken vollkommen außerhalb jedweden Takts umher zu torkeln und mit seinem fetten Wanst – das schlechte Corpsepaint sollte man fast gar nicht erwähnen – die Neugierigen fernzuhalten. Nun ja, jedem das seine, aber der Band wurde es dadurch schwer gemacht Stimmung aufkommen zu lassen. Erst als dieses „Ding“ eine Pinkelpause einlegen musste, traten einige Gäste auf den Plan den Bereich vor der Bühne zu okkupieren. 

Optisch bestachen Waldwind durch ihre einheitliche Kleidung, weiße Shirts und folkloristische Amulette. So etwas sieht man ja doch nicht allzu oft in der Welt des bedruckten schwarzen Fruit of the Loom-Stoffs. Blickfang während der Show war Sänger Neurg, der es ohne großartiges Auf und Ab verstand sich in Szene zu setzen und all seine Emotion in Gesang, Gestik und Mimik zu setzen. Sein krähenartiger Gesang wirkt auf mich von je her authentisch und passend, und er gehört für mich zu den Sängern die ihre Musik bis ins Herz leben und repräsentieren. Blickfang Nummer Zwei an dem Abend war Gitarrist Bardauk, der seine offensichtliche Liebe zum klassischen Heavy Metal voll auslebte und dementsprechend poste und auch sein Instrument sehr oft klassisch sprechen ließ.
Alle anderen Musiker glänzten durch volle Konzentration an ihren Instrumenten wenn auch nicht enthusiastisch, dafür dann doch in dem Rahmen, dass sie sich weder unter Wert verkauften aber auch nicht in Gefilde vorwagten die ihnen technisch nicht lagen. So was ist gut und wird leider von viel zu vielen Bands nicht befolgt. 

Musikalisch an sich hat Waldwind, obwohl die schnellen Drums und die innovative Gitarrenarbeit viel an Begeisterung hervorriefen, leider den Nachteil, dass das Songwriting nicht konform mit der Live-Entwicklung gegangen ist, so gibt es hier und da viele schiefe Töne, die fragwürdig bleiben, egal ob man das Spektrum auf gewollt avantgardistisch-progressive Willens-Fantasien aufzieht oder nicht. So bleibt immer ein mehr als bitterer Beigeschmack vorhanden, auch wenn die faszinierenden Gitarrenläufe von Bardauk unvorhersehbare Gebiete bestreiten, es scheint ein Hang zur Komplexität vorhanden, der aber nicht professionell genug gelöst wird.

Schade ist zudem auch, dass Waldwind ihren alten Multiinstrumentalisten Nemrag mit auf die Bühne gebeten haben, der sich an diesem Abend der Posaune bediente und das „Schief-Ton-Massaker“ weiter ausdehnte, gerade auch weil er nicht wirklich die Töne treffen konnte, so etwas ist einfach unnötig und macht nicht wirklich Sinn.
Alles in allem bleibt eine engagierte Band, die einiges an Show auffahren konnte, aber im Bereich des Inputs, in Form von Songmaterial, immer noch scheiterte. Als Anheizer reichte es aber allemal und das Publikum fand sich gut eingestimmt wieder und fieberte dem weiteren Verlauf des Abends entgegen.

Odem Arcarum, die zwar eigentlich auch als Local Support galten, sind aufgrund ihrer Biografie und bereits absolvierten Liveshows eigentlich zu weit, als dass man sie noch als Local Support aufführen dürfte. Bieten die vier Mannen um Secrets of the Moon-Gitarristen Ar doch viel mehr an beinharter schwarzmetallischer Kunst, als es mit einem Prädikat „Local Support“ abzutun, was sich auch in Form des Openers gleich zeigte. Gerade die Atmosphäre die Odem Arcarum erzeugen konnten ist bemerkenswert. Ganz anders als ich diese Band von meinem ersten Erlebnis in Erinnerung habe, schlug einem dieses Mal ein massives Brett ins Gesicht, das sich mit der dichten Nebelwand verband, die einem von der Bühne her ins Gesicht pustete, so dermaßen graziös und geheimnisvoll, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Es bot sich einem eine Darkspace-mäßige Stimmung, die eingehüllt durch progressive Gitarrenläufe, mächtige Drumspuren und brutale Bassläufe eine Grundstruktur lieferte, die gleichsam einzigartig als auch altvertraut vorüberzog und trotzdem ständig Neues erschuf. Beeindruckend, wie die Mannen es verstehen etwas „Ausgelutschtes“ wie atmosphärischen Black Metal so einnehmend und frisch auf den Zuschauer zu projizieren. Am einnehmendsten kam für mich dabei der ernste Gesang rüber, der sich auf den Facetten von Tom Gabriel „Warrior“ Fischer ausbreitete, mit Ihsahn-artigen Betonungen verschwamm und zu unberechenbaren Stellen hervortauchte aus dem gefährlich zähen Strudel, den die Musik erzeugte. Großartig!

Die Musiker boten während ihres Auftritts wenig Bewegung, was aber, dank des während der gesamten Spielzeit andauernden Nebeleffekts, dem giftig grünen Licht, und der dadurch entstehenden Silhouetten-Romantik auch nicht nötig war, denn die Atmosphäre wäre bei zu großer Laufarbeit auch mehr als „flöten gegangen“. Die Atmosphäre war mitunter auch der Hauptaspekt bei dieser genialen Darbietung von expressionistischer Tonkunst. Hier wurden Ansagen zum Tabu und die Auseinandersetzung des einzelnen Betrachters mit gebräuchlichen Aspekten wie beispielsweise Tightness (an der sowieso nichts auszusetzen war) oder eben Bewegung auf der Bühne zu großem Unsinn. Hier wurde mehr als nur intelligente Musik zelebriert. Hier wurde musikalische Geschichte geschrieben. Odem Arcarum sind mehr als nur ein Erlebnis. Odem Arcarum sind eine Macht! Ein denkwürdiges Ereignis auf jeden Fall. Für mich ist während der Show der Kauf der CD zur Selbstverständlichkeit emporgestiegen und definitiv empfehlenswert. 

Den Abschluss des Abends bildete die rumänische Combo Dordeduh, deren Gitarristen Hupogrammos und Sol Faur früher bei Negura Bunget spielten und mit ihrem musikalischen Neustart in genau die selbe Schiene einschlagen, die Negura Bunget früher auch vertraten, bloß dass man bei Dordeduh mehr Wert auf Monotonie und weniger auf Perkussionseffekte und folkloristische Spielereien legt. Die Stimme von Sänger Hupogrammos allein ist sowieso ein Klangeffekt der ganze Welten förmlich zum Einsturz bringen kann. Das Spektrum seines Organs variiert zwischen brachialer Black Metal-Keiferei, emotionalem Grunting und cleanem Choralgesang, bei dem man am spürbaren Akzent, keinesfalls unangenehm sondern sehr charismatisch, die osteuropäische Herkunft erkennt. Die Musik unterstützt diese vokale Klanggewalt erheblich durch atmosphärische Dichte, erzeugt von höhenlastigen, unkonventionell gespielten Gitarrenläufen, dem Keyboard das meistens Stringsynthies verwendet und einer progressiv angehauchten Schlagzeugspielweise, leicht vertrackt aber immer nachvollziehbar und stets bereit Komplexität für düstere Black Metal-Blastbeats herzugeben.

Die düstere Stimmung auf der Bühne wird zusätzlich durch blaues, ruhiges Licht unterstützt. Man sieht innerlich Bilder aufsteigen, die einen in eine geheimnisvolle Karpatenwelt führen, durchzogen von mystisch verlorenen Landschaften in einer impressionistischen Darstellung und dazu schillernde Worte aus der deutschen Romantik a la Tieck oder E.T.A. Hoffmann. Das Konzert wird zu einer kulturellen Darbietung der düsteren Art und eine jede Note wird nicht mehr bloß gespielt. Es geht gar nicht mehr um den eigentlichen Konzertaspekt, dass die Künstler ihre Werke vorführen, sondern es lässt einen träumen und hilft einem in der hektischen Welt der Neuzeit abzuschalten und sich innerhalb von märchenhaften Gegenden treiben zu lassen. Das ist wahre Kunst! Großartig bis zum geht nicht mehr und leider viel zu schnell vorbei! Dordeduh haben es geschafft bei mir die selben Gefühle auszulösen wie seinerzeit Negura Bunget. Diese Faszination erneut auszuüben ist gewaltig. Diese Band ist nicht nur ernstzunehmen, sie verdient es empor zu steigen als funkelnde Sterne am stadterhellten Nachthimmel.

Nach einer guten Stunde Zauber ist allerdings Schluss und es bleibt einem nur der Schleier eines herrlichen Konzertabends, der einen den restlichen Abend noch begleiten wird. Schön.

 

 

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