Dornenreich, Devon Graves

Ingolstadt/ Deutschland, 2. Okt. 2008

(Bericht: Twilightheart)

Ja, ich geb’s zu, dieser Gig ist schon ein Weilchen her, aber jeder, der dabei war, weiß auch, dass die Wirkung selbst jetzt noch nicht verflogen ist.
Das letzte Mal, dass ich Dornenreich live gesehen habe, war am 24. Februar 2001 in Leipzig auf Tour mit Vintersorg. Damals kannte ich die Band nicht, aber als sie dann loslegten, stand ich staunend. Ihr kämpferisches „Befreie dich!“ aus „Wer hat Angst vor Einsamkeit?“ hat sich tief in mein Gedächtnis gebrannt und ich musste mir damals sofort das Album „Her von welken Nächten“ besorgen und ich möchte schätzen, dass diese Scheibe dann auch etliche hundert Male lief.
Aus irgend einem Grund habe ich es zeitlich nie geschafft, seit 2001 auf einen weiteren ihrer Gigs zu gehen, obwohl sie öfters mal in der Gegend gespielt haben. Aber mehr als sieben einhalb Jahre später ergab es sich endlich, dass sie in erreichbarer Nähe, in Ingolstadt, spielten. Dummerweise an dem Donnerstag, an dem auch der erste Festivaltag des „Way of darkness“-Festival war, welches auch auf dem Plan stand. Doch glücklicherweise war auch meine Mitfahrgelegenheit/Bekannte davon überzeugt, dass ein Dornenreich-Gig mehr wert ist als dieser Festivaltag. Zwei mit Bands vollgestopfte Festivaltage beim Way of darkness würden wir ja direkt danach trotzdem noch haben. Klar, ich wäre auch gerne alleine mit der Bahn nach Ingolstadt gefahren, aber aus diesem öden Kaff kommt man nachts nicht mehr per Bahn weg. Insofern sollte man hier wirklich ein Auto vorziehen. 

Leider schafften wir es nicht pünktlich, um den Support Act noch zu sehen. Schade, denn er soll wohl zwischen vielen anderen Coversongs auch „Space Oddity“ von David Bowie gesungen haben. Lediglich die letzten 3 Songs waren uns hier noch vergönnt. Devon Graves, den einige noch von „Psychotic Waltz“ kennen dürften, lebt mit diesem Soloprojekt unter seinem Künstlernamen seine ruhige und friedliche Seite aus, könnte man sagen. Nur mit einer Akustikgitarre stand der Hühne allein auf der Bühne und sang hingebungsvoll seine Stücke. Als wir das „Cafe Paradox“ betraten, spielte er gerade „I remember“ von Psychotic Waltz. Es folgte John Lennon’s „Imagine“ und ich kam mir schon recht eigenartig vor bei soviel Menschenfreundlichkeit. Beinahe hätte ich mich artfremd gefühlt, wenn nicht überall Metal-Fans in Kutte mit Bier rumgestanden hätten, von denen die ersten leicht Angesäuselten schon mit ihren Kommentaren für Störmomente sorgten (Dialogbeispiel: „Hier ist ja mal richtig viel Platz. Nicht so wie bei Slayer! Das war vielleicht eng!“ – Antwort: „Du weißt nicht, was wirklich ENG ist!“... ) Nun ja, aber Devon Graves wusste durchaus auch zu scherzen und entpuppte sich zwischen den Songs als richtige Quasselstrippe. Er erzählte den Anwesenden, dass ihm jeder einzelne Song etwas bedeutet und dass er das bestmögliche Gefühl bei uns hinterlassen will. Den Abschluss bildete ein Song mit dem Namen „The best song in the world“, der sich melodisch an „Stairway to heaven“ anlehnte. Und schon verließ der Alleinunterhalter unter viel Applaus die Bühne.

Nun wurde ein Gitarrenkoffer als symbolträchtige Bühnendeko auf die Bühne gelegt und nach kurzem Kabel-Check positionierten sich Dornenreich auf der Bühne. Mastermind und einziges verbliebenes Originalbandmitglied Eviga nahm auf einem Hocker Platz, nur mit Gitarre und Schellenband am Fuß ausgerüstet, und Geiger Inve stellte sich daneben, und schon konnte der Akustik-Gig beginnen. 
Man hörte ja immer mal wieder hier und da, dass es bei vielen Fans der Band auf Unverständnis gestoßen sein soll, dass die Band eine Zeit lang von den Metal-Gigs abgekommen ist und sich auf eben diese Akustik-Touren eingelassen hat. Doch hier im Club merkte man davon nichts. Die Anwesenden feierten jeden einzelnen Song genauso ab wie gute Songs von jeder anderen Band auch. Der Club war zwar nicht brechend voll, aber als gut besucht könnte man das trotzdem bezeichnen. 
Die beiden Herren begannen den Gig mit „Meer“ und „Freitanz“ und es war wirklich von Anfang an atemberaubend. Vor allem Inve an der Geige war faszinierend. Wie er sein Instrument beherrscht, das ist unfassbar. Er kann aus seiner Geige absolut jedes erdenkliche Gefühl herausholen. Die Töne, die er zauberte, waren mal quietschig und durchdringend, mal sanft und einlullend, mal aufrüttelnd, mal beruhigend, mal einfach nur wunderschön...  je nachdem, wie es der jeweilige Song verlangte. 
Klar, es ist völlig anders als die Metal-Versionen mancher Songs, aber eben gerade als Kontrast zu all den hämmernden, getunten Versionen ist es fantastisch, wenn man zur Abwechslung mal mit den klaren, reinen Klängen einer klassischen Geige und einer akustischen Gitarre verwöhnt wird und sich ganz auf die Reinheit und Ursprünglichkeit dieser beiden Instrumente einlassen kann. Soundprobleme erledigen sich hierbei ebenfalls fast von selbst. Wären alle Mikros ausgefallen, hätte man immer noch einen 1A-Sound gehabt, denn in dem kleinen Club hätte man die beiden Instrumente und den Gesang auch so gehört. 
Evigas Gesang, den man (in positivem Sinne) fast schon als abartig bezeichnen muss, ist natürlich sowieso über jeden Zweifel erhaben. Fauchen, flüstern, singen, flehen, befehlen, durchdringen, hinausschreien, besänftigen, beängstigen... alles war dabei. Eviga jagte uns durch die ganze Palette aller möglichen Gefühle, nur durch seinen stimmlichen Einsatz. Die Gitarre und die Fußschelle, mit der er den Takt angab, wirkten manchmal nur als Beiwerk. Er hätte es vielleicht auch ohne die Gitarre zu einem Erlebnis der Sonderklasse machen können. 
Es folgten die Songs „Jagd“, „Ritt“, „Flügel in Fels“, „Aufbruch“, „Drang“, „Unruhe“ und einige mehr. Nach „Zauberzeichen“ wurde sogar ein noch unbenannter Song gespielt. Die Fans applaudierten nach jedem Stück ausgiebig. Es war übrigens auch ein Fan aus Japan für 2 Gigs angereist, dieser wurde als Dankeschön für die Hingabe dann auch während des Gigs vorgestellt und auf Geheiß der Band gab es für ihn Applaus. Ein weiterer Fan (weiblich) in der ersten Reihe brach während des Gigs einfach zusammen. Eine echte Ohnmacht. Zum Glück wachte sie direkt einige Sekunden später wieder auf und wurde von ihren Kumpels an die frische Luft gebracht. 
Als Zugabe gab es „Reime faucht der Märchensarg“, was wohl die meisten kannten, denn dieser Song wurde besonders abgefeiert. Leider fielen alle anderen noch geplanten Zugaben in’s Wasser. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es am Applaus lag, denn der war wirklich nicht zu knapp. Aber Eviga kam mir auch irgendwie erschöpft vor. Doch egal, ob mit oder ohne weitere Zugaben: der Gig war einmalig, ein Feuerwerk der Gefühle und musikalisch perfekt dargeboten. 

Nächstes Jahr will die Band ja erst’mal wieder ein paar Metal-Gigs spielen. Nun, ich hoffe, ich werde dabei sein können. Es kann nur großartig werden und ich hoffe darauf, dass dann auch „Trauerbrandung“ wieder seinen Weg in die Setliste findet.

Fotos von beiden Bands findet ihr in den "Concert photos"!

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