Ja,
ich geb’s zu, dieser Gig ist schon ein Weilchen her, aber jeder, der
dabei war, weiß auch, dass die Wirkung selbst jetzt noch nicht
verflogen ist.
Das letzte Mal, dass ich Dornenreich live gesehen habe, war am 24.
Februar 2001 in Leipzig auf Tour mit Vintersorg. Damals kannte ich die
Band nicht, aber als sie dann loslegten, stand ich staunend. Ihr kämpferisches
„Befreie dich!“ aus „Wer hat Angst vor Einsamkeit?“ hat sich
tief in mein Gedächtnis gebrannt und ich musste mir damals sofort das
Album „Her von welken Nächten“ besorgen und ich möchte schätzen,
dass diese Scheibe dann auch etliche hundert Male lief.
Aus irgend einem Grund habe ich es zeitlich nie geschafft, seit 2001 auf
einen weiteren ihrer Gigs zu gehen, obwohl sie öfters mal in der Gegend
gespielt haben. Aber mehr als sieben einhalb Jahre später ergab es sich
endlich, dass sie in erreichbarer Nähe, in Ingolstadt, spielten.
Dummerweise an dem Donnerstag, an dem auch der erste Festivaltag des
„Way of darkness“-Festival war, welches auch auf dem Plan stand.
Doch glücklicherweise war auch meine Mitfahrgelegenheit/Bekannte davon
überzeugt, dass ein Dornenreich-Gig mehr wert ist als dieser
Festivaltag. Zwei mit Bands vollgestopfte Festivaltage beim Way of
darkness würden wir ja direkt danach trotzdem noch haben. Klar, ich wäre
auch gerne alleine mit der Bahn nach Ingolstadt gefahren, aber aus
diesem öden Kaff kommt man nachts nicht mehr per Bahn weg. Insofern
sollte man hier wirklich ein Auto vorziehen.
Leider
schafften wir es nicht pünktlich, um den Support Act noch zu sehen.
Schade, denn er soll wohl zwischen vielen anderen Coversongs auch „Space
Oddity“ von David Bowie gesungen haben. Lediglich die letzten 3 Songs
waren uns hier noch vergönnt. Devon Graves, den einige noch von
„Psychotic Waltz“ kennen dürften, lebt mit diesem Soloprojekt unter
seinem Künstlernamen seine ruhige und friedliche Seite aus, könnte man
sagen. Nur mit einer Akustikgitarre stand der Hühne allein auf der Bühne
und sang hingebungsvoll seine Stücke. Als wir das „Cafe Paradox“
betraten, spielte er gerade „I remember“ von Psychotic Waltz. Es
folgte John Lennon’s „Imagine“ und ich kam mir schon recht
eigenartig vor bei soviel Menschenfreundlichkeit. Beinahe hätte ich
mich artfremd gefühlt, wenn nicht überall Metal-Fans in Kutte mit Bier
rumgestanden hätten, von denen die ersten leicht Angesäuselten schon
mit ihren Kommentaren für Störmomente sorgten (Dialogbeispiel: „Hier
ist ja mal richtig viel Platz. Nicht so wie bei Slayer! Das war
vielleicht eng!“ – Antwort: „Du weißt nicht, was wirklich ENG
ist!“... ) Nun ja, aber Devon Graves wusste durchaus auch zu scherzen
und entpuppte sich zwischen den Songs als richtige Quasselstrippe. Er
erzählte den Anwesenden, dass ihm jeder einzelne Song etwas bedeutet
und dass er das bestmögliche Gefühl bei uns hinterlassen will. Den
Abschluss bildete ein Song mit dem Namen „The best song in the world“,
der sich melodisch an „Stairway to heaven“ anlehnte. Und schon
verließ der Alleinunterhalter unter viel Applaus die Bühne.
Nun
wurde ein Gitarrenkoffer als symbolträchtige Bühnendeko auf die Bühne
gelegt und nach kurzem Kabel-Check positionierten sich Dornenreich
auf der Bühne. Mastermind und einziges verbliebenes
Originalbandmitglied Eviga nahm auf einem Hocker Platz, nur mit Gitarre
und Schellenband am Fuß ausgerüstet, und Geiger Inve stellte sich
daneben, und schon konnte der Akustik-Gig beginnen.
Man hörte ja immer mal wieder hier und da, dass es bei vielen Fans der
Band auf Unverständnis gestoßen sein soll, dass die Band eine Zeit
lang von den Metal-Gigs abgekommen ist und sich auf eben diese
Akustik-Touren eingelassen hat. Doch hier im Club merkte man davon
nichts. Die Anwesenden feierten jeden einzelnen Song genauso ab wie gute
Songs von jeder anderen Band auch. Der Club war zwar nicht brechend
voll, aber als gut besucht könnte man das trotzdem bezeichnen.
Die beiden Herren begannen den Gig mit „Meer“ und „Freitanz“ und
es war wirklich von Anfang an atemberaubend. Vor allem Inve an der Geige
war faszinierend. Wie er sein Instrument beherrscht, das ist unfassbar.
Er kann aus seiner Geige absolut jedes erdenkliche Gefühl herausholen.
Die Töne, die er zauberte, waren mal quietschig und durchdringend, mal
sanft und einlullend, mal aufrüttelnd, mal beruhigend, mal einfach nur
wunderschön... je nachdem, wie es der jeweilige Song
verlangte.
Klar, es ist völlig anders als die Metal-Versionen mancher Songs, aber
eben gerade als Kontrast zu all den hämmernden, getunten Versionen ist
es fantastisch, wenn man zur Abwechslung mal mit den klaren, reinen Klängen
einer klassischen Geige und einer akustischen Gitarre verwöhnt wird und
sich ganz auf die Reinheit und Ursprünglichkeit dieser beiden
Instrumente einlassen kann. Soundprobleme erledigen sich hierbei
ebenfalls fast von selbst. Wären alle Mikros ausgefallen, hätte man
immer noch einen 1A-Sound gehabt, denn in dem kleinen Club hätte man
die beiden Instrumente und den Gesang auch so gehört.
Evigas Gesang, den man (in positivem Sinne) fast schon als abartig
bezeichnen muss, ist natürlich sowieso über jeden Zweifel erhaben.
Fauchen, flüstern, singen, flehen, befehlen, durchdringen,
hinausschreien, besänftigen, beängstigen... alles war dabei. Eviga
jagte uns durch die ganze Palette aller möglichen Gefühle, nur durch
seinen stimmlichen Einsatz. Die Gitarre und die Fußschelle, mit der er
den Takt angab, wirkten manchmal nur als Beiwerk. Er hätte es
vielleicht auch ohne die Gitarre zu einem Erlebnis der Sonderklasse
machen können.
Es folgten die Songs „Jagd“, „Ritt“, „Flügel in Fels“,
„Aufbruch“, „Drang“, „Unruhe“ und einige mehr. Nach
„Zauberzeichen“ wurde sogar ein noch unbenannter Song gespielt. Die
Fans applaudierten nach jedem Stück ausgiebig. Es war übrigens auch
ein Fan aus Japan für 2 Gigs angereist, dieser wurde als Dankeschön für
die Hingabe dann auch während des Gigs vorgestellt und auf Geheiß der
Band gab es für ihn Applaus. Ein weiterer Fan (weiblich) in der ersten
Reihe brach während des Gigs einfach zusammen. Eine echte Ohnmacht. Zum
Glück wachte sie direkt einige Sekunden später wieder auf und wurde
von ihren Kumpels an die frische Luft gebracht.
Als Zugabe gab es „Reime faucht der Märchensarg“, was wohl die
meisten kannten, denn dieser Song wurde besonders abgefeiert. Leider
fielen alle anderen noch geplanten Zugaben in’s Wasser. Ich kann mir
nicht vorstellen, dass es am Applaus lag, denn der war wirklich nicht zu
knapp. Aber Eviga kam mir auch irgendwie erschöpft vor. Doch egal, ob
mit oder ohne weitere Zugaben: der Gig war einmalig, ein Feuerwerk der
Gefühle und musikalisch perfekt dargeboten.
Nächstes
Jahr will die Band ja erst’mal wieder ein paar Metal-Gigs spielen.
Nun, ich hoffe, ich werde dabei sein können. Es kann nur großartig
werden und ich hoffe darauf, dass dann auch „Trauerbrandung“ wieder
seinen Weg in die Setliste findet.
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