Helheim, Vulture Industries, Atrox, Bleeding Red

Dewangen/Aalen, 7. November 2008

(Bericht: Twilightheart)

Dem kleine Örtchen Dewangen in der Nähe von Aalen wurde am 7. November 2008 die Ehre zuteil, dass Helheim ihre Kurztour durch Europa dort eröffneten. 
Trotz übler Kälte und langer Fahrt durch die Dunkelheit nahmen wir die weite Strecke auf uns, um Helheim wenigstens noch einmal zu sehen in diesem Jahr. Die Kneipe, in der das Ganze steigen sollte, hieß „Pepe’s Musikkneipe“ und hinterließ schon beim Reingehen einen dauerhaft schlechten Eindruck. Es war nicht nur vom Zigarettenrauch zugequalmt, sondern auch von allerlei anderen Kräutern, die man wohl dort geraucht hat. Das Ganze mischte sich zu einem unglaublich üblen Gestank, und das schon lange vor Gigbeginn. Noch dazu war die Kneipe ziemlich klein und der Großteil war mit Sitzbänken zugestellt. Zum abendlichen Besäufnis sicher hervorragend geeignet, aber nicht für ein Konzert. Die Krone (was den schlechten Eindruck betrifft) wurde dem Ganzen durch den Wirt aufgesetzt, welcher dafür bekannt ist, dass er sogar draußen in der Nähe des Clubs rumläuft, um zu schauen, ob niemand am Auto privat etwas trinkt. Jeder soll nur bei ihm kaufen. Spätestens jetzt war mir klar, dass ich hier mit Sicherheit nie wieder hinmöchte. Dann lieber noch etwas weiter fahren und sich dafür im Venue wohler fühlen... 
Allerdings möchte ich den dort ansässigen Metal-Club loben, die Mitglieder desselben waren alle nette Zeitgenossen. 

Den Abend eröffnete die Band „Bleeding Red“, eine Death- Metal- Band, die dort in der Gegend wohl häufiger auftritt und bei den Einheimischen schon bekannt war. Ihr guter Ruf als klasse Live-Band eilte ihnen nämlich voraus. „Warte mal, bis du den Drummer siehst“ bekam ich immer wieder zu hören. Die Spannung stieg also. Und dann kamen sie und ich dachte zuerst, die Killerpilze betreten die Bühne. Der Kleine mit der entsprechenden Frisur war dann allerdings der vielerwähnte Schlagzeuger, der tatsächlich erst 15 war, aber trommeln konnte wie ein Irrer. Der Rest der Band war dann alterstechnisch schon etwas reifer. 
Vom Stil her könnte man die Band mit Obscura aus München vergleichen, nur nicht ganz so verdammt knifflig und noch nicht so perfekt. Aber „Bleeding Red“ spielen ebenso passionierten Death Metal, der mit 2 Gitarren, Bass und Schlagzeug schon einiges hermacht. Tiefes Gegrunze, virtuose Riffs und Soli, der kleine aber unglaubliche Schlagzeuger und wildes Headbanging... die Zutaten für einen Gig, der mich persönlich begeistert hat. Die Band spielte eine knappe halbe Stunde bei akzeptablem Sound, doch von Applaus war leider nichts zu hören. Dies lag allerdings nicht an der Band, sondern definitiv am Publikum, denn auch bei den nachfolgenden, wirklich guten Gigs der anderen Bands, die noch folgen sollten, gab es kaum Applaus. Man saß nur rum und unterhielt sich. Somit hat das Aalener Publikum das Münchner Publikum als am schwersten zu knackendes mit nicht einzuholendem Vorsprung abgelöst. 

Vulture Industries sind eine Black- Metal- Band aus Bergen, Norwegen, die ihrer Zeit sicherlich voraus sind, denn die meisten Metaller, die ich kenne, können mit der Band nichts anfangen. Ihr Stil ist einfach zu avantgardistisch für die meisten. Das Level der Lyrics und die Stile aus anderen Musikrichtungen, mit denen Vulture Industries ihre Songs aufwerten, scheint vielen zu abartig zu sein. Ich persönlich kann jedem Vulture- Industries- Gig allerdings etwas Positives abgewinnen und freute mich, die barfüßige Truppe mal wieder on stage zu sehen. 
Mit viel Selbstbewusstsein begann man den Gig mit „Pills of conformity“ und „Soulcage“ und Sänger Bjørnar schaffte es, durch seine abstrakte Mimik und Gestik die unmotivierten Anwesenden wenigstens dazu zu bringen, von den Biergläsern aufzuschauen und der Bühne kurzzeitig etwas Aufmerksamkeit zu schenken. Mit „The benevolent pawn“ und „To sever the hand of corruption“ wurde fortgesetzt und es schien mir, dass der Schlagzeuger die anderen nicht in den Monitorboxen hörte, denn er geriet ab und zu kurzzeitig leicht aus dem Takt, was auch offensichtlich Verwirrung bei den anderen nach sich zog. Doch hier griff wohl die 9-jährige Bühnenerfahrung der Band, denn solche Patzer wurden geschickt überspielt. Nachdem den ca. 50 Anwesenden noch „Grim apparitions“ und „The enemy within“ um die Ohren gehauen worden war, gab es einen weiteren der vielen kleinen Zwischenkommentare von Frontmann Bjørnar, mit denen er seinem Amüsement über die nicht zu begeisternde Besucherschar Ausdruck verlieh. Diesmal wies er darauf hin, dass er nur Fotografen vor sich sieht, und sonst keine Fans. Dies war in der Tat witzig. Auch einige bekanntere Magazine waren vertreten, um den Tourauftakt mitzuerleben... somit gab es tatsächlich einige gutgelaunte Fotografen vor der Bühne, die es augenscheinlich genossen, den ganzen Platz für sich alleine zu haben.  Aber Applaus gab es nach wie vor keinen. Sehr bizarr. Auf Bjørnars Spass-Frage „Do you like the beer?“ antwortete genau einer “Yeah!”, auf die gleich folgenden Frage: “And do you like the band?” rief genau der selbe wieder „Yeah!“. Man konnte den Kommentar zwar nicht verstehen, den der Fronter daraufhin in seinen Bart murmelte, aber man konnte ihn natürlich erahnen.
Vulture Industries ließen sich die Laune aber durch all das absolut nicht verderben. Mit ungetrübter Hingabe schob die Band „A path of infamity“ und Don’t flow streamlined“ hinterher, bevor sie die Bühne verließen. Es muss eine akustische Täuschung gewesen sein, denn mir war so, als hätten gegen Ende des Gigs doch 3 oder 4 Leute applaudiert. Wie schön...

Während einige Vulture Industries vielleicht schon kannten (sie waren ja bereits einmal mit Helheim auf Tour), dürfte die folgende Band, Atrox, den meisten völlig unbekannt gewesen sein. Ebenfalls aus Norwegen, spielen sie Musik, die man fast nicht mehr als Metal bezeichnen kann. Auf jeden Fall Avantgarde, mit vielen melodischen Passagen und sehr ausgefallenem Songwriting, das manchmal sogar in’s Poppige abrutscht, um dann wieder durch affektierte Riffs und manchmal leicht jammernd klingenden Gesang aufzutrumpfen. Wirklich sehr eigen! Bass, zwei Gitarren, Drums und ein Sänger mit 2 Mikros (eins war mit Hall unterlegt, das andere nicht) und nur einem Arm. Diesen brauchte er nicht nur zum Rauchen während des Gigs, sondern leider auch, um dem Soundtech Zeichen zu geben, was am Sound nicht stimmte. Sicher war ihm die miese Stimmung im Club vorher auch nicht entgangen, und so freute er sich über jedes bisschen Applaus, auch wenn es nur von 2 Leuten kam. Zusammen mit der abstrusen Musik und blauem Licht auf der Bühne kam durch Atrox’ Musik zeitweilig sogar fast psychedelische Stimmung auf. Mir persönlich war das Ganze zu sperrig. Zwar interessant, aber es wollte sich nicht den Weg durch meine Synapsen bahnen. 
Der Sänger der Band versuchte durch allerlei spaßige Bemerkungen die Anwesenden vor die Bühne zu locken, auch konnte er nicht widerstehen, mal mit seinem einen Arm einen Klimmzug am Balken über der Bühne zu machen oder sich auf der Bühne das Gesicht schwarz zu anzumalen. All der Humor brachte ihm zwar vielleicht heimliche Pluspunkte ein, aber trotzdem nicht die Besucher vor die Bühne. 
Es folgte ein schnelles, rotziges Stück, bei dem sogar durch ein Sprechrohr gesungen wurde, und einer der Gitarristen stellte sein Können unter Beweis, indem er die Saiten mit einem Bierglas statt mit den Fingern bearbeitete. Man zauberte also eine dreiviertel Stunde lang allerlei Verrücktes aus dem Hut, bis man die winzige Bühne unter tosendem Applaus (kleiner Scherz) verließ.

Helheim scheuten keine Kosten und Mühen und hingen ein Backdrop auf, was so groß war wie die Rückwand der kleinen Bühne. Auf diesem war zwar auch das Bandlogo zu sehen, aber vor allem diente sie dazu, auf ihr einen Film laufen zu lassen, der den ganzen Gig über ging. Hierin waren die Bandmitglieder zu sehen, wie sie Szenen aus der Vorzeit nachstellten (die Heimkehr aus der Schlacht in zerstörte Dörfer, die Greuel, die die Kreuzzüge hinterlassen haben, und einiges mehr), wobei sicherlich auch Szenen hineingeschnitten wurden, die nicht selbst gedreht wurden.
Während die Szenen im Hintergrund liefen, kamen Helheim auf die Bühne und eröffneten ihr Stelldichein mit „Northern Forces“ vom neuen Album und „Bewitchment“. Und siehe da, plötzlich trollten sich so an die 10 bis 15 Fans vor die Bühne, um zu headbangen. Wäre ja auch zu peinlich gewesen, wenn selbst beim Headliner der Platz vor der Bühne leer geblieben wäre. „Frå ginnunga-gap til evig tid“ und „Jormundgand“ von 1995 folgten. Spätestens bei letzterem Song waren einige Fans voll in ihrem Element. V’gandr bemühte sich, so zu kreischen, wie auf den alten Alben. Es gelang ihm beinahe auch. Mit „Oaken dragons“ und „Den norrøne alter“ setzten Helheim gleich noch einen drauf und der (inzwischen nicht mehr ganz) neue Gitarrist Noralf konnte sein unglaubliches Talent unter Beweis stellen. Aus welcher Ecke haben Helheim nur diesen versierten Gitarristen geholt? 
Die Band spielte länger als eine Stunde. Dabei wurden natürlich die neuen Songs promotet, unter anderem „Svart seid“, aber auch die Tracks, die schon seit Jahren bei keinem Gig fehlen dürfen, wurden nicht unter den Tisch gekehrt. Das Doppel „Nattravens tokt“ und „Thirteen to the perished“ bildete den Abschluss dieses gelungenen Gigs und des Abends. 
Der Gig war viel zu schnell vorbei und ich finde es immer noch bedauerlich, dass die Tour nicht durch Süddeutschland oder Oberösterreich gekommen ist. Nächstes Mal hoffentlich wieder...

 

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