Am 30.
Januar 2008 sollte es in München mal wieder einen Abend geben, an dem
man sich eine totale Überdosis Death/Thrash-Metal abholen konnte.
Den
Abend in der gut gefüllten „Backstage“-Halle eröffneten die
Schweden von „Avatar“, eine junge Melodic-Death-Metal-Band,
die mit ihrem Schlagzeuger und Manager John jemanden haben, der genau
die richtigen Schritte unternimmt, um die Band nach oben zu bringen,
obwohl die Musik eigentlich nichts aussergewöhnliches ist. Avatar
spielen als Support der bekanntesten Bands, demnächst auch in den USA,
und konnten sogar in 2 Jahren direkt hintereinander komplette Alben veröffentlichen
(2006 „Thoughts of no tomorrrow“ und 2007 das Album „Schlacht“)
Und das, obwohl fast alle Bandmitglieder zur Zeit gerade mal 21
sind. Nur die Wahl des Bandnamens ist wahrscheinlich unglücklich. Es
gibt mehr als 10 Bands, die "Avatar" heissen, und früher
hiessen sie „Lost Soul“, wovon es auch reichlich gibt.
Nun ja. Auf jeden Fall habe ich die Band 2006 schon live gesehen, und da
schienen sie mir auf der Bühne zwar agil und sehr aktiv zu sein, aber
wirkten auch irgendwie frustriert, weil das Publikum nicht auf sie
reagierte. Dieses Jahr reagierte das Münchner Publikum anfangs
ebenfalls nicht wirklich auf die Band, aber zumindest schien die Band
nun viel professioneller damit umzugehen. Sänger Johannes performte
trotz allem, als hätte er ein Wacken-Publikum vor sich und wirbelte auf
der Bühne herum wie ein Brummkreisel.
Die Band, von deren Mitgliedern einige finnische Wurzeln haben, war auch
für etliche Späße zu haben. So erzählte uns Sänger Johannes, dass
Gitarrist Simon schon zum 5. mal zum zweit-sexiesten Mann Finnlands gewählt
wurde, wonach er mit Handzeichen zu verstehen gab, dass er selbst zum
sexiesten gewählt wurde. :-) Auch meinte der Gitarrist, angeben zu müssen,
und schleuderte die Gitarre am Gurt einfach mal um sich selbst rum. Naja...
So eroberte die Band
dann also mit viel Charme und viel Kontakt zum Publikum, sowie technisch
einwandfreiem Spielen, doch noch ein paar Herzen und gegen Gig-Ende
wurde dann doch noch hier und da gebängt.
Nun
kamen die deutschen Urgesteine des Thrash/Speed-Metal zu einem
ultra-langen „Holy Moses“-Reggae-Intro auf die Bühne und Drummer
Guido Richter (ex-Sodom), der nach vielen Jahren nun zurück bei Holy
Moses ist, erntete gleich zu Beginn satten extra Applaus.
Gleich zu Beginn stellte sich mir die Frage, wie alt Sabina Classen
eigentlich ist, schliesslich gibt es die Band seit 1980. Denn die Frau
sprang auf die Bühne wie der junge Frühling, von weitem wirkte sie wie
eine 25-jährige. Sehr beeindruckend. Und ich glaube auch, dass selbst
die jüngeren Fans noch heute von ihrem Aussehen begeistert sind.
Zumindest liessen einige Reaktionen in den ersten Reihen darauf
schliessen.
Doch gleich als die Band loslegte, war klar, dass Sabina gewaltige
Stimmprobleme hatte. Sie klärte uns dann auch umgehend auf, dass sie
eine Mega-Lungenentzündung und somit echte Probleme hat. Es war schon
im Gespräch gewesen, dass der Gig vielleicht ausfallen muss, aber dann
erzählte uns Sabina noch, dass Olli von Sycronomica sie zu einem
„echt geilen Arzt“ gefahren hat, der ihr dann auch helfen konnte.
Trotz der Stimmprobleme tobte die Band über die Bühne und begeisterten
das Publikum mit einer Mischung ihrer Songs durch alle Jahre der Band
hindurch. Auch die ganz alten Songs wurden berücksichtigt. So wurde zum
Beispiel „Life’s destroyer“ München gewidmet, weil die Band dort
zu diesem Song vor 21 Jahren ihr Live-Video gedreht hatten. Bei so einer
Ansage liess der erwartete Moshpit natürlich nicht lange auf sich
warten. Es wurde direkt durchgebängt bis zum Ende von „Defcon
II“.
Sabina
fühlte sich zwischendurch immer wieder dazu animiert, über ihren
Husten zu sprechen: „Das Husten klingt ja wie mein Singen, da ist kein
grosser Unterschied“ und kündigte dann gleich an, dass sie
wahrscheinlich die ganzen ersten Reihen anstecken wird. Bei mir hat das
prima funktioniert. Ich musste mich gleich die ganze kommende Woche
krank auf Arbeit quälen. „Danke“, Sabina! ;-)
Man merkt auf jeden Fall der gesamten Band an, dass sie mit Leib und
Seele Musiker sind, denn sie spulten zwar einerseits mit einer irren
Routine ihr Programm ab, aber andererseits waren allen die Freuden des
Live-Spielens im Gesicht abzulesen. Der Schlagzeuger konnte während des
Spielens noch Grimassen schneiden und einzelne Fans anlachen. Und Sabina
tobte wie eine Wilde auf der Bühne rum, es ist unglaublich, dass sie
nach so vielen Jahren noch so viel Power hat.
Vor „Summer kills“ sagte sie noch: „München, eigentlich hätte
ich gedacht, dass ich mir heute 2 oder 3 Songs sparen muss, aber ihr
gebt mir so viel. Es wird kein Song gestrichen“. Und so wurden gegen
Ende des Gigs erst recht die schnellsten ihrer Speed-Metal-Songs
aufgefahren und es sprangen etliche Fans auf die Bühne, um dort mit der
Band zu bängen. Die durften dann auch direkt oben bleiben. Eine lustige
Ansprache von Sabina gab’s am Ende (nachdem sie sich noch 3 mal bei
Olli für den guten Arzt bedankt hatte) aber freilich auch noch: „Ich
komme jetzt immer nach München zum Arzt. Aber die Rotze läuft immer
noch aus der Nase. Aber ich will nicht die Bühne von Obituary berotzen,
sonst schmeissen die uns noch von der Tour“. Laut Arzt dürfe sie ja
jetzt keinen Alkohol trinken, aber darauf müsse es jetzt mal ein
Bierchen geben, liess Sabina verlauten und schon folgte „Too drunk to
fuck“. Das war’s dann auch schon fast. Die Band liess sich noch kurz
aber ordentlich abfeiern und danach wurde die gesamte Bühne komplett
umgebaut.
Selbst
das gesamte Drumkit wurde abgebaut und gegen ein größeres
ausgetauscht. Ja, nun hiess es „20 years of Florida Death Metal“
feiern. Es war auch sofort gerammelt voll vor der Bühne und gleich als Obituary
mit „Find the arise“ bei bestem Hallen-Sound loslegten, wurde
gemosht bis zum Umfallen, sogar die Security-Leute machten aus Spass
kurzzeitig mit. Ohne große Ansprachen oder sonstigen Schnickschnack mörtelten
Obituary einen Track nach dem anderen runter: „On the floor“, „Chopped
in half“, „Turned inside out“ und „Threatening Skies“.
Das Gesicht von Sänger John Tardy bekam man natürlich fast nie zu
sehen, man sah einfach immer nur Haare rumfliegen. Und Donald Tardy beim
Schlagzeugspielen zuzusehen, war natürlich die reine Freude. So crazy
wie er im wahren Leben ist (schaut euch mal auf der Webseite der Band
das Foto an, wo er sich an einem Arm von der Bahnbrücke runterhängen lässt),
so präzise ist er dagegen beim Drummen. Einfach der Hammer! Mein
Augenmerk lag des öfteren auch mal auf Bassist Frank Watkins. Als zukünftiges
Mitglied der „true Gorgoroth“ war er natürlich gleich noch’mal
interessanter.
Das
Highlight war allerdings Gitarrist Ralph Santolla, ein Meister seines
Fachs! Nicht umsonst hat er schon mit Deicide, Death und Iced Earth
gespielt. Er frickelte in einem mörderischen Tempo auf seiner Gitarre
herum, dass man nur so staunen durfte. Ein hochkompliziertes Kurzsolo
folgte dem nächsten, vom atemberaubenden Riffing ganz zu schweigen. Der
Mann weiss natürlich, dass er verdammt gut ist und dadurch die
Erlaubnis zur Arroganz hat und setzt sich auch dementsprechend in Pose.
Er war eigentlich konstant am Bühnenrand vorne und spielte, als stünde
er am Meer auf einer Klippe und müsste für einen Videodreh posen.
Weiter ging’s mit
„By the light“, „Face your god“, „Lasting presence“, „Insane“
und „Black inside“. Es gab natürlich haufenweise Stagediver.
Einer davon machte den Fehler, das Bier der Band einfach runter an’s
Publikum zu reichen, wofür ihn Ralph Santolla mit einem gezielten Tritt
in den Allerwertesten von der Bühne stieß. Frank Watkins machte das
alles wieder wett, der Mann schafft es tatsächlich zwischen 2 Anschlägen
noch schnell mit der rechten Hand die Hand eines Fans abzuklatschen.
Ralph dagegen gab sich weiterhin witzig. Er klebte sich dann einfach mal
ein Plektrum auf die Stirn, was durch den Schweiss da auch gut kleben
blieb.
Das Geholze ging weiter mit „Evil wars“, „Drop dead“, „Contrast
the dead“ und „Stand alone“. Dann wurde nach „Slow death“
schon der letzte Song des Abends angekündigt. Doch zuerst gab es mal
ein wunderbares Schlagzeug-Solo, richtig schön eingängig und mitreißend.
Dann kam Ralph dazu und zuerst spielten sie zusammen weiter, was dann
aber in ein weiteres (diesmal eher langsames und gefühlvolles)
Gitarrensolo überging. Nun kam die ganze Band zurück und es gab nach
„Second chance“ noch „Slowly we rot“ als allerletzte Zugabe.
Gitarrist Trevor liess einen Fan zum Abschluss auf seiner Gitarre
rumfingern und damit war der Gig zuende.
Die
Band gab sich überraschenderweise Fan-nah. Es kamen noch einmal alle
raus und gaben Autogramme. Ralph kam nach dem Haarewaschen mit Handtuch
auf dem Kopf zum Autogramme-schreiben, doch als er merkte, dass einige
Kameras auf ihn gerichtet sind, nahm der König der Eitelkeit das ganz
schnell ab. ;-)
Und hier noch ein
Schnappschuss vom eitlen Ralph beim rumalbern mit den anwesenden Fans:
Ralph
Santolla:
John Tardy:
Mehr
Fotos von allen Bands gibt's in den "Concert photos"! |