Ragnarök Festival 2011

Lichtenfels (Stadthalle), 29./30.04.2011

(Bericht: Twilightheart)

Das Ragnarök-Festival ist heimgekehrt. Die Location in Rieden, die in 2010 gebucht war, war zwar wunderbar (so viel Platz wie dort hatte man wirklich noch nie bei irgend einem anderen Festival), aber offensichtlich ist sie doch zu groß, d.h. in der Miete zu teuer für den Veranstalter, da sich die Besucherzahlt wohl zwischen 3000 und 5000 stabilisiert hat, was für die große Reithalle nicht reicht. Außerdem war sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht zu erreichen. Hat also alles seine Vor- und Nachteile. Nun gut. Nun hat sich das Problem erledigt, 2011 ist man wieder in der Stadthalle in Lichtenfels und es heißt wieder Gedränge und während der Headliner-Auftritte im Schweiß baden. Aber vielleicht gehört das einfach dazu. Dafür fühlt man sich ja nun wirklich beinahe heimisch, sobald man in die Nähe von Lichtenfels kommt. Auch muss man den Veranstaltern des Ragnarök zugestehen, dass sie in der Organisation zwischenzeitlich top sind, da sind die Zugänge so gestaltet, dass man relativ gut durchkommt. Lediglich die Eingangskontrollen, bei denen Besuchern sogar Medikamentenfläschchen abgenommen werden, nur weil sie aus Glas sind, sorgen immer wieder für Ärger. Auch die Sache mit den Sanitäranlagen in der Schlafhalle ist unzureichend organisiert. 

Aber gut. Am Ende zählen die Bands. Und zu denen kommen wir jetzt. Doch zuerst muss ich sagen, dass ich nicht ganz nachvollziehen kann, dass trotz der Tatsache, dass abwechselnd zwei Bühnen bespielt wurden, es fast durchgängig so war, dass die „aktuelle“ Band mit dem Line-Check noch nicht fertig war, wenn der Vorgang aufging. Dabei hatte doch im Prinzip jede Band eine dreiviertel Stunde oder mehr Zeit, fertig zu werden. Wie kann das sein? Da gäbe es Raum für Verbesserungen!

Bifröst aus Salzburg eröffneten dieses Jahr das Festival und man muss sagen, dass sie ein würdiger Opener waren. Voller Spielfreude und mit einem Lächeln im Gesicht erstürmten die gestandenen Kerle die Bühne und gaben ihren Pagan/Black zum besten. Vor allem der Sänger der Band war nicht zu bremsen und growlte sich durchs Set, begleitet von großem Bewegungsdrang. Es schien, dass er jeden Growl mit einem passenden Move unterlegte (sei es eine gereckte Faust oder Theatralischeres wie ein Kniefall), es war eine Freude, ihm zuzusehen, da es authentisch wirkte. Da lebt jemand seine eigene Musik. Es waren tatsächlich auch schon etliche hundert Leute in der Halle, von denen etliche sogar schon ein bisschen Party machten. Zwar quietschte ab und an mal was und der Sound wollte unbedingt zu Brei werden, aber oftmals hörte man ein paar gelungene pagane Elemente durch, die recht ansteckend wirkten. Gerne mehr davon in der Zukunft!

Ignis Fatuu, die Folkmetaller aus Nürnberg, durften dann schon mal für Odroerir anheizen. Sie waren etwas verhaltener als andere Medieval-Bands, aber natürlich kann nicht jeder so auf den Putz hauen wie In Extremo. Ich bilde mir sogar ein, eine gewisse Überraschung in den Gesichtern der Bandmitglieder gesehen zu haben, weil sie doch recht viel Publikum hatten, was der Musik nicht abgeneigt schien. Und so fuhren Ignis Fatuu zahlreiche Instrumente auf, natürlich E-Bässe-und-Gitarren und Drums, aber auch eine Drehleier und ein Dudelsack fehlten nicht (und wenn der von einer Dame gespielt wird, ist das für die männlichen Festivalbesucher auch gleich noch viel angenehmer). Wenn die Band noch mehr aus sich rausgehen würde on stage, könnten sie sicher in der Zukunft noch mehr punkten.

Kurz vor 16 Uhr, also zu einer für die Band bestimmt ungewohnten Zeit, mussten Odroerir dann ran. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, wurden sie heiß umjubelt, als sie die Bühne betraten. Sie merkten auch gleich an, dass sie dankbar dafür sind, dass zu so früher Stunde schon so viele Fans anwesend sind. Sie waren eindeutig der erste große Publikumsliebling des Tages. Bands wie Odroerir, XIV Dark Centuries, Menhir oder Helrunar passen meiner bescheidenen Meinung nach ja auch einfach zum Ragnarök-Festival wie Faust auf Auge. Odroerir beschenkten uns aus ihrem Liederschatz mit einer angenehmen Auswahl. Von „Des Thors Hammer Heimholung“ bis „Zur Taverne“ war alles dabei, wobei letztgenannter das Ergebnis eines verkürzten Gigs war. Plötzlich hieß es nämlich, dass nur noch Zeit für einen Song ist, obwohl noch andere auf der Setliste standen. So ließ man das Publikum mal eben schnell wählen, einfach danach, welcher Song den meisten Applaus bekam. Die Kürzung tat der Stimmung keinen Abbruch. Die Fans gingen trotzdem gut mit und schüttelten zusammen mit der Band ihre Mähnen, wenngleich der eine oder andere Soundpatzer vielleicht doch alles etwas dämpfte. Zumindest die Geige hörte man gut raus und auch die weibliche Supportstimme kam voller rüber als sonst, wenngleich es natürlich noch besser klang, wenn die Herren der Band aus voller Kehle zum Klargesang ansetzten. Also alles in allem eine gute, runde Sache.

Dass nach den Thüringern eine französische Band einen schweren Stand haben dürfte, war klar. Die Metaller von Bran Barr, die keltischen Folk mit BM mischen, wurden nicht müde, während des Gigs mehrmals zu erwähnen, dass sie aus Frankreich sind. Doch die abschreckende Wirkung blieb weitgehend aus, wenngleich es in der Halle merklich leerer war als während des vorangegangenen Auftritts. Mit etlichen ansteckenden Melodielinien, viel Einsatz auf der Bühne und einer weiblichen Geigerin als Blickfang schafften Bran Barr es trotzdem, Sympathien auf ihre Seite zu ziehen. Stampfende Rhythmen erreichten es, dass sich einige im Publikum animiert fühlten, schon mal etwas Party zu proben. Leider war der Sound eher schlecht, lediglich die Geigenmelodie war immer deutlich hörbar (ohne sie wäre die Musik der Band sicherlich auch undenkbar).

Und gleich noch eine Band aus Frankreich hatte die Reise nach Lichtenfels angetreten. Alcest allerdings spielen einen komplett anderen Stil, da wird es komplexer und tiefgründiger. Shoegaze mit einem Hauch von Rock, Psychedelic und sogar etwas BM waren nun angesagt auf dem Ragnarök. So manch einer im Publikum wusste damit nichts anzufangen. Aber etlichen anderen war auch klar, dass man die Band als „Geheimtipp“ mitnehmen sollte, wenn sie schon mal da sind und spielen. Qualitativ wurde dann auch einiges geboten. Eine einigermaßen gelungene Lichtshow rundete die Show ab, die natürlich von den ruhigen, sphärischen Momenten lebte. Geschmackvoll!

Auf Catamenia hatten viele sehnsüchtig gewartet. Ich persönlich kann mit der Band seit der Line-Up-Änderung nicht mehr allzu viel anfangen, aber natürlich gönnte ich den Catamenia-Fans ihren Highlight-Moment. Catamenia gingen ihren Gig sehr selbstbewusst an. Der Sound war wesentlich besser als bei vielen Vorgängerbands. Ricu an der Gitarre ist nach wie vor ein Meister seines Fach. Bei den frickeligen Soli scheint er voll auf zugehen. „Morning crimson“ wurde direkt uns allen gewidmet, die wir unser Leben als Wölfe unter Schafen leben. Es bildete sich der erste kleine Moshpit des Tages, den man als ordentlich bezeichnen konnte. Die brachiale Musik lud ja nun in der Tat auch dazu ein. Trotz allem befand sich immer noch ein nicht geringer Teil der Besucher draussen vor der Halle zu diesem Zeitpunkt....

Nehmt es mir nicht übel, dass ich Battlelore ausfallen ließ, um Kaffeepause zu machen. Auf irgend eine Band musste die Wahl fallen (man kann nicht 12 Stunden lang durchfotografieren ohne Pause), und Battlelore lassen zwar imaginäre Bilder a la Schwertkampf und holde Maiden aufleben, wenn man sie sich live ansieht, aber im Vergleich zu anderen Bands kommen sie doch eher langatmig bzw. weniger authentisch rüber. Persönlich habe ich ansonsten nichts gegen die Band.

Außerdem hieß es Kraft schöpfen, schließlich sollten Helrunar gegen 20 Uhr die Bühne unsicher machen. Und Helrunar sind natürlich Pflicht. Schon während des Linechecks ließen sie das Publikum eine Zeile aus „Älter als das Kreuz“ singen. Auch während der Show war die Interaktion mit dem Publikum groß. Vor den meisten Songs wurde etwas erzählt, einige Zusatzinfos, was zum Schreiben des Songs animiert hat z.B. So auch beim neuen Song „Nebelspinne“, der sehr gut ankam. Dass Gesang und Musik bei Helrunar absolut fantastisch waren, muss ich, glaube ich, nicht extra erwähnen. Kleine Soundmakel gab es zwar auch hier, aber es fiel leicht, diese zu ignorieren. Da sind erfahrene Musiker am Werk, die ihr Herzblut in die Musik legen. Aber auch der besondere Humor von Sänger Skald Draugir soll Erwähnung finden. Zur Vorgeschichte muss gesagt werden, dass eigentlich Shining auf dem Billing des Ragnarök gestanden hätten. Aber sie hatten aus persönlichen Gründen abgesagt. Helrunar konnten spontan einspringen. Und so wurde nun scherzend darüber gemutmaßt, inwiefern Helrunar wohl Shining ersetzen und deren Fans zufrieden stellen können. Auch fiel eine Bemerkung, dass wir die royale Hochzeit (die wohl zu eben dieser Zeit live im TV übertragen wurde) verpassen, weil wir lieber ein Festival besuchen. Nun, natürlich waren die Fans nicht zu bremsen, die Stimmung im Publikum war grandios. Bis auf die ganz neuen Songs wurden alle Texte lauthals mitgegrölt und unzählige Fäuste reckten sich in die Höhe. Ich weiß nicht, ob es im Kontext dieses Festivals nicht vielleicht der bessere Schachzug war, Helrunar dazuhaben, und nicht Shining. 

Nach diesem bombastischen Auftritt fiel es schwer, der nächsten Band Aufmerksamkeit zu schenken, zumal es sich hier um Graveworm handelte, die ich schon sehr viele Male live gesehen habe im Laufe der Jahre. Und das jedes Mal bei einem Festival. Eine CD möchte ich mir von ihnen nämlich eigentlich nicht anschaffen. Zwar ist die Musik brachial und live kann man wunderbar dazu headbangen, aber am Ende ist mir die Musik der Band zu nichtssagend. Doch zum Glück geht es beim Festival vorrangig darum, Spaß zu haben. Und das hatten die Fans der Band in der Tat. Man sah den kompletten Gig über nur kreisende Matten und danach lauter schweißgebadete Fans. Sieht so aus, dass der Veranstalter den richtigen Riecher hatte, als er Graveworm eine der besten Spielzeiten gab. Dem Großteil des Publikums kam das jedenfalls sehr entgegen. 

Danach kamen Kampfar und somit eine Band, mit der ich wirklich was anfangen kann. Es ist zwar schade, dass das Line-Up gewechselt hatte, aber wie ich hörte, integriert sich der neue Gitarrist menschlich hervorragend in die Band, somit sollte es nicht schwer fallen, den Wechsel zu akzeptieren, wenngleich ihm hier beim Gig gleich ein Fauxpas passierte, indem er sich selbst die Gitarre ausstöpselte während des Spielens. Ebenfalls neu und etwas gewöhnungsbedürftig war der neue Look von Frontmann Dolk, den man ja bisher mit freiem Oberkörper und stolz geschwellter Brust kannte. Aber um dem aggressiveren Stil des neuen Albums „Mare“ gerecht zu werden, hat er sich in schwarz gekleidet und sogar schwarzes Augen-Make-Up aufgetragen. Wie gesagt: gewöhnungsbedürftig.... genauso wie es manchmal sein Gepose auf der Bühne ist. Aber er hat einfach so viel Energie, die muss irgendwie raus. Natürlich wurden auch Songs vom neuen Album zum besten gegeben. Auch bei diesen schien das Publikum etwas Gewöhnungszeit zu benötigen, aber spätestens als die ganzen alten „Gassenhauer“ gespielt wurden (allen voran „Hymne“, dessen Eröffnungs-Klargesang natürlich einfach geil ist) war die Stimmung wieder am Kochen und meine Liebelings-Kampfar-Fans, die immer mit Norwegen-Fahne in der ersten Reihe stehen, waren natürlich auch wieder da. Schlagzeuger Ask hat übrigens erstmals einen Gesangspart bei einem Song vom neuen Album übernommen. Dolk hilft natürlich etwas nach, aber sollte er jemals zu heiser sein zum singen, könnte Drummer Ask theoretisch einspringen. Vor dem Song „Ravenheart“ hielt Dolk übrigens eine kleine Rede, dass der Auftritt in Wacken nichts gegen das hier beim Ragnarök war, denn im Gegensatz zum Wacken-Publikum hat er beim Ragnarök-Festival ein größeres Gefühl der Verbundenheit, weil wir alle gleich sind. 

Enslaved hatten den Headliner-Posten gegen 23 Uhr inne. Erstaunlicherweise war die Halle leerer als erwartet. Da bin ich wahrscheinlich doch nicht die einzige, die mit dem Stilwechsel der Band ein kleines Problemchen hat. Kann ja sein, dass das neue Album irgendwo anspruchsvoll ist und eine Weiterentwicklung darstellt. Aber live auf der Bühne kommt das einfach nicht wirklich gut rüber, finde ich. Für mich persönlich ist es sehr anstrengend, mir das eine Stunde lang anzuhören, es ist einfach langatmig, wenngleich natürlich einige Passagen zum headbangen einladen. Aber an das Gefühl und die Stimmung der alten Alben kommen die neuen Songs einfach nicht ran. Sorry. Was den Gig betrifft, so bemühte sich die Band darum, viel Show zu machen, aber trotz der starken Aura sprang der Funke nicht über, zumal der Sound auch oftmals zu Brei verschwamm. Da half es auch nicht mehr, große Reden zu schwingen (zum Beispiel über die Unsinnigkeit, einer Religion zu folgen). Nein, eigentlich möchte ich das unter „Schön, dass sie mal wieder da waren, aber es gab Besseres“ verbuchen.

Negura Bunget bildeten den Abschluss des ersten Festival-Tages. Wie immer sorgten sie mit ihrer reichen Instrumentierung und ihrer atmosphärischen, abwechslungsreichen, folkig angehauchten Musik für Gänsehautstimmung. Ein Highlight des Gigs war mit Sicherheit das Panflöten-Solo in der Mitte des Gigs, welches in dämmrigem Bühnennebel gespielt wurde, so dass eine beinahe mystische Stimmung erzeugt wurde. Hochmelodisch ging es weiter und traditionelle, ausgefallene Instrumente wurden mit den gängigen gepaart, so dass der Abschlussgig des Abends voller Emotionen war und tatsächlich Lust auf den nächsten Tag machte. 

Samstag

Ich glaube, zahlreiche Festivalveranstalter finden es witzig, eine Black-Metal-Band den letzten Tag eines Festivals eröffnen zu lassen, einfach wegen des Effekts, dass dadurch erst mal alle richtig wach werden. Blackshore, eine junge Band aus Lübeck, boten zusätzlich noch den Effekt, dass man verwundert erst mal zweimal hinschauen musste, um sich dann entweder angewidert abzuwenden, oder aber Gefallen an der „Maskerade“ zu finden, hier meine ich insbesondere die besonders ausgefallenen Kontaktlinsen des Sängers. Die Idee ist zwar ausgelutscht, aber wenn man so früh am morgen (in diesem Fall um 12 Uhr mittags) schlaftrunken und nichtsahnend zur Bühne schaut und das sieht, hat es schon einen kleinen Grusel-Effekt. Aber Spaß beiseite. Die Band schob ein kleines aber feines BM-Brett mit einigen scheppernd-schweren Beats, welche zu gefallen wussten, wenngleich sich manche Passagen auch etwas zäh in die Länge zogen. Trotzdem zogen sie geschätzte 300 Besucher in die Halle, von denen sie einige mit ihren Bemühungen auf der Bühne tatsächlich begeistern konnten. Mit einem deutschen Liedgut-Sample beendeten sie ihren Gig und hatten den Opener-Job somit mit Bravour hinter sich gebracht. 

Bei den Blackmetallern von Ctulu hätte man meinen können, dass sie sicher wenig begeistert sind, zu so morgendlicher Stunde spielen zu müssen. Aber weit gefehlt. Sie kamen mit Verspätung, aber dafür mit einem unglaublichen Elan auf die Bühne. Wahrscheinlich dachten sie sich, dass sie das beste draus machen sollten, was sie dann auch in die Tat umsetzten. Frisch und fehlerfrei schredderten sich nach dem okkulten Intro die Gitarristen der Band durchs Set und der Frontmann growlte sich leidenschaftlich die Lunge wund. Dazu gab es Pyro, überraschenderweise guten Sound und sehr selbstbewusstes Auftreten der Bandmitglieder. Es wurden Songs von den Alben „Freie Geister“ und „Sarkomand“ gespielt und das Publikum schien interessiert zuzuhören, wenngleich es auch keinen großen Zustrom gab. 

Path of Golconda hatten ihr neues Album im Gepäck und natürlich den Schnuckelchen-Faktor, um mal aus der Sicht einer Frau zu sprechen. Da waren einige reißerische Stücke auf der Setliste, die einen heftigen Headbang-Takt hatten, so dass man ordentlich die Nackenmuskeln trainieren konnte. Aber so leid es mir tut, auch hier schlug der Soundteufel zu und einige Gitarrenpassagen zerschwammen zu Brei, so dass der Genuss etwas geschmälert wurde. Na ja, was soll’s. Es war trotzdem genügend begeisterungsfähiges Publikum anwesend, wahrscheinlich auch so was wie ein eigener kleiner Fanclub in der 1. Reihe unten, zu der die Band nach Gig-Ende auch runtersprang, um auf Tuchfühlung zu gehen. Nett. 

Eine der größten Überraschungen des Festivals war die Band Dalriada. So wie das Ragnarök schon maßgeblich mit dafür verantwortlich war, dass Arkona hier bekannt wurden (deren Auftritt schlug ja damals ein wie eine Bombe), so hat das Ragnarök beim Booking mit Dalriada auch wieder exquisiten Geschmack bewiesen und eine Band „rangekarrt“, die in ihrem Heimatland schon Kultstatus hat, nur eben bei uns noch nicht so bekannt ist. Dalriada sind eine Folk-Metal-Band aus Ungarn, die nicht nur mit einer sexy Frontfrau aufwarten können, sondern auch mit wirklich ansteckenden Folk-Rhythmen, die wirklich jeden dazu animieren, sich zu bewegen. Offensichtlich sprach es sich auch schnell rum, dass da gerade eine coole Band auf der Bühne zugange ist, denn es wurde schlagartig wieder voller. Die Aufmachung der Bandmitglieder und die hochmelodische Musik kamen vollkommen authentisch rüber und es war eine Freude, sich das anzusehen und zu hören. Ein Kauf der CD war danach Pflicht. Es wird übrigens in der Landessprache gesungen, was den Exotenfaktor natürlich steigert. Das ganze dann noch mit der kraftvollen, lauten, wohlklingenden Stimme von Frontfrau Laura. Da der Schlagzeuger deutsch sprach, musste er zu jedem Song immer eine kleine Ansprache halten, worum es inhaltlich geht. Er selbst bezeichnete einen der Songs als Metalopus. Das trifft es wahrscheinlich. Das Publikum applaudierte nach jedem Song frenetisch. Und das war auch verdient. Der Auftritt war einfach zauberhaft und unvergesslich. 

Dass Ex-Equilibrium-Shouter Helge nicht aus der Welt ist, dürfte jeder mitbekommen haben. Da er ja nun wieder mehr Zeit hat, kann er verstärkt mit seiner anderen Band Arafel touren. Und man muss zugeben, dass er dabei eine gute Figur macht. Um Arafel kommt man nicht mehr herum. Deren Musik geht live wirklich ab wie Schmidts Katze. Helges Mega-Gegrunze, dazu die Show von Geigerin Nasha... das ergibt einen Orkan auf der Bühne...  und auch die anderen Musiker legten sich richtig ins Zeug und zeigten erstklassige Leistung. Ansteckende Folk-Harmonien und dazu brachiale Metal-Riffs in Verbindung mit starker Interaktion mit dem Publikum taten ein übriges... der Auftritt war in aller Munde, die Fotografen konnten nicht genug kriegen von der Geigerin und von Helge. Rockstardom ließ grüßen. Helge, die geborene Rampensau, zeigte dem Publikum das Schild, was an einer Bühnenbox hing: „No wall of death“ stand drauf. Wie „effektiv“ das ist, damit es auch eingehalten wird, kann man sich vorstellen. ;-) Aufgrund der vielen Abwechslung, sowohl musikalisch als auch visuell, war der Auftritt so kurzweilig, dass man das Gefühl hatte, er wäre nach 10 Minuten schon vorbei gewesen. Noch lange hallte der Applaus nach. Voller Erfolg!

Ein riesiger Thorshammer wurde nun auf der Bühne aufgebaut. Dieser war Teil des Keyboards der nun folgenden Band Adorned Brood, den Folk-Metallern aus Grevenbroich. Sie hatten natürlich einen schweren Stand nach so einer wilden Band wie Arafel. Aber eine gewisse Fangemeinde fand sich trotzdem in der Halle ein. Wenn auch etwas gediegener, dafür mit nicht weniger Hingabe, spielten die Herren und die Dame an der Querflöte ihren Gig. Die Fans reagierten und hatten Spaß. Vor allem der Sänger der Band schien unbändig und strahlte so viel Spielfreude aus, dass man sich einfach mitreißen lassen musste. Trotzdem wäre es cleverer gewesen, die Band VOR Dalriada und Arafel spielen zu lassen.

Eïs (ehem. „Geist“) sind eine Band, auf die sich Bekannte schon Wochen vorm Festival gefreut hatten. Anscheinend ging es vielen so, denn die ersten Reihen waren voll mit begeisterten Anhängern, die schon vorher Sprechchöre riefen. Mit gleich 2 Alben im Gepäck konnte die Band natürlich aus dem Vollen schöpfen und ihre fast spirituelle Musik vollkommen ausleben. Die Bandmitglieder kamen alle im „Partnerlook“ mit den gleichen Shirts auf die Bühne. Ich nehme das mal als Gag, denn ansonsten halte ich nichts von der Unterwanderung der Individualität, in welcher Form auch immer. Die Musik war anspruchsvoll und es kostete die Band viel Kraft, alles perfekt zu performen. Aber es lohnte sich. Der Gesang war klar, deutlich und vollklingend. Man verstand oftmals jedes einzelne Wort der deutschen Lyrics. Alles war gewaltig, wuchtig und atmosphärisch. Die Band verließ die Bühne unter nicht enden wollendem Applaus.

Noch war es nicht vorbei mit der eher anspruchsvollen Musik. Gleich im Anschluss begannen Agrypnie, die ich bisher nicht kannte, ihren Siegeszug. Die Halle hatte sich inzwischen merklich gefüllt. Der Sänger kam mit verbundener Hand auf die Bühne und schon begann der Jubel, dem sich auch sehr junges Publikum anschloss, obwohl deren Musik ja nun nicht unbedingt leicht verdaulich scheint. Im übrigen hatte Sänger Torsten schon beim Linecheck für Unterhaltung gesorgt. Er saß mit seinem verbundenen Handgelenk auf einem Stuhl und stimmte die Gitarre. Jemand hatte das Mikro auf diese Höhe eingestellt, so dass es ca. nur 1 m hoch war. Dann legte Torsten die Gitarre weg und wollte das Mikro testen. Kaum stand er, ahnte er wohl den Unterhaltungswert seiner Idee, ging in die Knie, ohne den Stuhl zu benutzen, und röhrte mit dem Schalk im Nacken in das ca. 1 m hohe Mikro. Schon beim Mic-Check röhrte er lange Growls und konnte schon mal Vorab-Applaus einheimsen. Die Chemie zwischen Band und Publikum stimmte also schon mal. Auch während des Gigs gab sich die Band alle Mühe, die Fans zufriedenzustellen und bot eingängige Musik mit melodischen Passagen (wenngleich die Gitarren für manch einen zu schrill sein könnten). Gegen Ende des Gigs wurde dann der Stuhl wieder gebracht und im sitzen spielte Torsten, während der Gesang durch einen Gastauftritt bestritten wurde. Die Fans kennen sich da besser aus, wie da die „Beziehungen“ sind. Auf jeden Fall hat mich der Auftritt neugierig gemacht. Ich glaube, da lohnt es sich, mal die Alben auszuchecken, denn schon allein das Studium der Texte hat gezeigt, dass das Wort Anspruch hier ganz groß geschrieben wird.

Danach war aber erst mal Schluss mit komplizierten Gefühls- und Gedankenwelten. Valkyrja holten zum Rundumschlag aus. Die Blackmetaller aus Schweden knallten uns ihren brutalen Vernichtungs-BM vor den Latz und überrollten einfach alles. Hochmotiviert boten sie Black Metal, der einerseits old-school, andererseits durch die unverbrauchte Art der Band auch ansteckend und erfrischend rüberkommt, falls man das Wort in Verbindung mit Black Metal benutzen kann.... Die Jungs waren einfach hochmotiviert. Fies und evil kam ihr knallharter BM rüber. Kunstblut, viel rotes Licht, Leder, rotziges Growling, geiles Gitarrenriffing, ansteckendes Drumming... eben voll auf die Neun! Valkyrja sollten viel öfter live spielen hier in der Gegend!!

Langsam ging es auf 20 Uhr zu. Und das Ragnarök wäre nicht das Ragnarök, wenn es um diese Zeit nicht eine echte Pagan-oder Folk-Band spielen lassen würde. Am Samstag gaben sich also Månegarm die Ehre. Da sie aus Schweden sind, kann man bei ihnen ausnahmsweise von „echten Vikingern“ sprechen. Allen voran ist es natürlich Geiger Janne, der ordentlich für Stimmung sorgt, wenn er sein Instrument traktiert, bis die Saiten reißen. Die anderen Musiker tun ein übriges, um die Massen vor der Bühne zum springen zu bringen. Funktioniert bei Månegarm auch jedes Mal wunderbar. Zwar hatten sie am Anfang dieses Gigs Sound-Probleme (die Geige war zuerst gar nicht zu hören), aber später wurde es besser. Die Band hätte eigentlich gar nichts weiter tun müssen als erscheinen, schon allein der Bandname bringt die Fans in Feierlaune. Da spielt der Sound kaum noch eine Rolle. Sobald die Maschinerie in Gang ist und der Geiger fiedelt, springt alles und hat Spaß. Proppevolle Halle und fantastische Stimmung... say no more!

Gleich im Anschluss war die Bühne für eine weitere „Wikinger-Kapelle“ reserviert. Nein, Thyrfing möchten trotz ihres nativen Auftretens als Death-Metal bezeichnet werden. Songs wie „Mjölner“ sind für mich kein Death, sondern waschechter Viking-Metal, aber offiziell gibt’s die Bezeichnung ja nicht. Obwohl... is’ mir egal! Die Viking-Macht Thyrfing betraten also die Bühne mit dem nun inzwischen nicht mehr ganz neuen Sänger Jens, der einst für Naglfar growlte. Bei Thyrfing macht er sich auch nicht schlecht, obwohl ich persönlich immer das Gefühl habe, dass was nicht stimmt beim neuen Band-Line-Up... aber das ist mein Problem. Leider begann der Gig mit Rückkopplungen, Pfeifgeräuschen und anderen Widrigkeiten. Na ja, Shit happens. Gut wurde es also eigentlich erst gegen Ende, als das mit dem Sound einigermaßen unter Kontrolle war und die ganzen alten Songs ausgepackt wurden. „Going berserk“ und „Mjölner“ waren dabei natürlich die Highlights. Trotzdem wäre es schön, wenn das Ragnarök der Band noch mal die Chance geben würde, den Gig unter besseren Voraussetzungen zu wiederholen.

Orphaned Land aus Israel waren eine musikalisch abwechslungsreiche Band, sind in ihrem Land wohl auch echte Stars. Die Erfahrung merkte man ihnen auch an. Sie waren gutgelaunt und sehr agil, man könnte sagen, sie kamen wie das blühende Leben auf die Bühne (man hatte übrigens vorher schon gesehen, dass der Schlagzeuger vorm Gig neben der Bühne Sportübungen gemacht hat, um sich aufzuwärmen). Das Publikum schien sofort begeistert zu sein. Die Band wurde nicht müde zu betonen, dass es eine Ehre für sie ist, hier zu sein und spielen zu dürfen und sie ließen das Publikum im Takt auf Kommando auf und ab springen sowie einige einfache Melodien nachsingen. Viele Songs hatten neben den üblichen Metal-Elementen auch Clean-Vocal- Passagen und orientalisch angehauchte Melodielinien. Also mal echt was anderes. Ich persönlich könnte mir zwar nicht eine Stunde lang ein Album damit anhören, aber so als einmalige Abwechslung für ein Festival war es in Ordnung.

Nachdem der erste Auftritt, den ich von „Twilight of the Gods“ auf dem Metalfest Austria erlebt habe, ein echter Reinfall war, war dieser hier schon besser. Zwar halte ich das Projekt insgesamt für gescheitert, aber ich will den Musikern die wahre Intention an der Sache nicht absprechen. Und Alan ist tatsächlich der einzige, der Bathory-Songs einigermaßen annehmbar singen kann. Man denkt immer, Quorthon hat unglaublich schief gesungen (ich spreche über die Songs im Pagan-Stil), aber versucht mal, das Album „Twilight of the Gods“ zuhause nachzusingen. Das ist unbeschreiblich schwer. Ich will gar nicht versuchen mir vorzustellen, wie viel erfolglose Versuche es bei den Proben von TOTG gegeben haben muss, bevor einige passable Ergebnisse vorlagen. Nun ja, Alan hat die Songs auf der Bühne so gesungen, dass er die Wackler im Gesang von Quorthon nicht mit übernommen hat, sondern versucht hat, sie glattzubügeln. Vorne in den ersten Reihen gab es ein riesen Gedränge. Dementsprechend angestachelt hat Alan eine energische Show hingelegt. Er war ohne Ende am Posen und am Interagieren mit dem Publikum. Schon beim Intro „Odens Ride over Nordland“ waren die Fans in bester Stimmung. Es folgten viele Klassiker wie „Father to son“ oder „Blood fire death“, aber mein persönliches Highlight war „Under the runes“, welches phantastisch und druckvoll performt wurde. Alles in allem ein guter, erinnerungswürdiger Auftritt!

Danach wurde es nicht weniger aufregend. Obscurity, die Pagan-Metaller aus Velbert, auch die Bergischen Löwen genannt, schickten sich an, den Fans noch mal so richtig einzuheizen. Sie hatten, dem Applaus nach zu urteilen, auch ihren eigenen Fanclub dabei. Da wurde jeder einzelne der deutschen Songtexte mitgesungen und unzählige Fäuste flogen durch die Luft. Vor allem ihr Song über die Varusschlacht kam offensichtlich besonders gut an. Sogar etwas Feuer gab es wieder auf der Bühne. Irgendwann hielt es den Sänger nicht mehr auf der Bühne und er sprang zu den Fans in die erste Reihe runter. Offensichtlich ist die Bindung eng, denn sogar Geburtstagsgrüße für einen Fan wurden von der Band über Mikro ausgerichtet. Auch waren viele lockere Sprüche zu hören wie „Jetzt muss der Papa erst mal ein Bier trinken“. Nett war auch der Abschlussspruch vorm letzten Song „Blut für Blut“, der da endete mit „... bevor ich hier mit Herzinfarkt von der Bühne falle“. Die Fans hielten die Party bis zum Schluss durch. Es war ein richtig relaxter Gig voller Energie, der die heidnischen Gelüste der Fans (zumindest lyrisch) noch einmal richtig befriedigte. Daumen hoch.

Für viele ist es ja schwer, nachts so lange durchzuhalten, um sich wirklich noch die letzte Band anzusehen. Aber mir wurde gesagt, dass ich Todtgelichter auf keinen Fall verpassen darf. Und so wagte ich es nicht, mich vorzeitig davonzuschleichen. Zumindest visuell machten Todtgelichter schon mal wirklich Eindruck. Alle Bandmitglieder kamen komplett weiß angezogen und angemalt auf die Bühne (Haare inklusive). In Verbindung mit speziellem Bühnenlicht sah das wirklich mystisch und fantastisch auch. Musikalisch boten sie Avantgarde-Black-Metal, der einen gewissen Anspruch hat. Leider ist man nachts nach 1 Uhr nicht mehr wirklich in der Lage, komplizierte Musik voll aufzunehmen. Insofern beschloss ich, mir die Musik später lieber in Ruhe auf CD zu Gemüte zu führen und hier beim Ragnarök nur die Show und die optische Seite zu genießen. Also ließ ich mich in Erinnerung an ein schönes Festival während des Todtgelichter-Gigs noch ein wenig treiben.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Ragnarök-Festival einfach jedes Jahr durch absolut gute Bandauswahl punkten kann. Da können nur wenige andere Festivals mithalten, zumindest was die nähere Umgebung von Österreich und Bayern angeht. Man kommt als Pagan-Fan einfach nicht mehr an dem Festival vorbei. Auf dass es uns noch viele Jahre erhalten bleibt!

 

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