Skyforger, Ilgi, Balsi

Linz, 8. Mai 2009

(Bericht: Twilightheart)

Am 8. Mai fand in Linz im Posthof ein Konzert statt, was als solches sicher einzigartig in Österreich war, denn die Veranstaltung begann mit reinem Folk und endete mit Folk-Metal. Dies wurde durch den Veranstalter verursacht, der in Abständen Abende veranstaltet, zu denen er nur Bands aus einem bestimmten Land einlud. Dieses Mal war eben Lettland dran. Dass sie dabei auch Skyforger berücksichtigt haben (obwohl  diese Veranstaltungen sonst nicht zwingend Metal-Bands berücksichtigen müssen), ist natürlich eine feine Sache gewesen. Nach Skyforgers verpatztem Gig beim Party San 2008 war es an der Zeit, sie mal wieder bei einem gelungenen Gig zu erleben.

Durch die beiden Bands Ilgi und Balsi, die den Anfang des Events machten, wurde natürlich ein völlig anderes Publikum gezogen als durch Skyforger. Und so kam es, dass bei den ersten beiden Bands die Location bestuhlt war und vor allem Mainstream-Publikum anwesend war. Die paar Metal-Fans, die bereits da waren, hielten sich währenddessen vor allem im Hintergrund auf. Später bei Skyforger sollten die Stühle dann weggeräumt werden. Also von der Organisation her ziemlich ungewohnt.
Ich persönlich zog es vor, es mir bei den ersten beiden Bands in der 1. Stuhlreihe gemütlich zu machen. Wenn man schon’mal zusätzlichen echte lettische Volksmusik geboten bekommt, dann nehme ich das gerne mit und geniesse es.

Balsi, einer befreundeten Band von Skyforger, wurde die Ehre zuteil, den Abend einzuläuten. 6 Frauen und 1 Mann kamen auf die Bühne, stellten sich in einer Reihe auf und die Frauen begannen mit polyphonem a-capella Folk-Gesang (wem das nichts sagt, vielleicht kennt ihr Polyhymnia, den bulgarischen Frauenchor, der die Filmmusik zu „Xena“ beigesteuert hat... Balsi klingen ähnlich, nur weniger kriegerisch und etwas romantischer). Natürlich (das muss ich sicher nicht mehr erwähnen) wurde nur auf lettisch gesungen und nur lettische Volksweisen (diese natürlich gerne als eigene Version). Auf jeden Fall klang es fantastisch, die beabsichtigten Disharmonien innerhalb des mehrstimmigen Gesanges mit vielen langgezogenen Tönen und überhaupt der pure, ursprüngliche, manchmal melancholische Gesang ohne jeglichen Anflug von Moderne, fand schnell den Weg in mein Ohr und mein Gefallen. Nachdem der a-capella-Teil vorbei war, setzten sich die Künstler und nahmen ihre Instrumente. Zuerst gab es einen Teil, in welchem nur mit reinen traditionellen Intrumenten Lettlands musiziert wurde (zum Teil dann auch mit Gesang), nämlich mit der Kokle (einem zitherähnlichen Instrument, bzw. für die Korpiklaani-Fans unter euch: dem lettischen Äquivalent zur Kantele), allerhand Rasseln, Klappern, Glöckchen, Hölzern, Flöten und Maultrommeln in verschiedensten Formen und Ausführungen, sowie eine Art Mandoline. Jede der Damen schien mindestens 3 Instrumente spielen zu können, so dass es fast alle möglichen Kombinationen bei den einzelnen Songs gab, wer dabei welches Instrument spielte. Die Trommel des einzigen Herrn von Balsi (der zwischendurch auch mal Kokle oder Flöte spielte) bestand aus einer Tierhaut und der untere Teil war aus einem ausgehöhlten Baumstamm selbst geschnitzt worden. Diese Trommel dürfte also auch vom Klang her ein Einzelstück auf dieser Welt sein. Bei einigen späteren Stücken kam ein Kontrabass und eine Violine als klangliche Unterstützung hinzu. Aber diese blieben auch die einzigen moderneren Instrumente (vielleicht das Akkordeon noch...). Bei einem Song habe ich mir spaßenshalber mal die Instrumente von links nach rechts aufgeschrieben: Kontrabass, Rassel, Violine, Akkordeon, Mandoline, Triangel, Trommel. Aber wie gesagt wechselte es ständig und eigentlich gab es bei fast jedem Song eine neue Kombination, bei manchen Stücken spielten auch alle durchweg nur Kokle. 
Witzig war die Tatsache, dass man einige Songs wiedererkennen konnte, die auch Skyforger auf ihrem Folk-Album gespielt haben, nur eben in der traditionellen Version. 
Vor einem weiteren reinen Gesangsstück (welches durch lauten, selbstbewussten Gesang dominiert wurde) entschuldigte sich eine der Sängerinnen dafür, dass bei diesen Stücken immer alle vom Mikro wegtreten, da sie diese eigentlich nicht bräuchten aufgrund der Lautstärke. Sie erzählte hierzu auch den Hintergrund, dass solcher Gesang früher von den Frauen im Dorf benutzt wurde, um die Männer zu beeindrucken. Und da diese dies auch noch auf oder hinter einem Hügel hören sollten, musste es so laut wie möglich sein. 
Gegen Ende des Gigs gab es einen Song, bei dem jede Strophe in einer anderen Sprache Europas gesungen wurde. Die Band hat hierfür eine Strophe in deutsch eingeübt. Leider verstand man wirklich gar nichts vom Text, einfach aufgrund des Dialektes und der falschen Aussprache. Aber es war nett, dass sie es versucht haben. Auch forderte die Band die Leute zum Tanzen auf. Dass die Österreicher da nicht unbedingt das passende Volk dafür sind, muss ich sicher nicht erwähnen. Aber zumindest klatschte das begeisterte Mainstream-Publikum oftmals mit und applaudierte auch nach jedem Song ausgiebig. 

Balsi spielten etwas über eine Stunde, und wie gesagt, war es keineswegs Zeitverschwendung gewesen, sondern eine Offenbarung, wie echter Folk klingt, in diesem Fall lettischer, nämlich einfach faszinierend.

Der Manager von Skyforger hatte mir im Vorfeld gesagt, ich solle unbedingt rechtzeitig kommen, um „Ilgi“ nicht zu verpassen, sie wären DIE lettische Super-Band. Ich erwartete also viel. Doch im Gegensatz zu Balsi waren Ilgi leider gar nicht meins. Zwar spielen auch sie im Prinzip lettischen Folk, aber eben rockig (bzw. poppig) aufgepeppt mit E-Gitarren, Schlagzeug und modernem Gesang. Als Mix mit Metal klingt Folk für mich noch angenehm, aber als Mix mit Mainstream-Musik leider nicht. 
Aber gut, ich erzähle euch trotzdem vom Gig. Ilgi schienen bei einigen aus dem Publikum tatsächlich schon relativ bekannt zu sein, denn sie wurden bereits beim Erscheinen umjubelt. Die Band, die es schon seit Jahrzehnten gibt, besteht aus einer Frontfrau (die neben dem Gesang auch etliche Instrumente beisteuert, meistens die Geige) und ansonsten männlichen Musikern, die sich in die E-Gitarren reinteilen (+ Schlagzeug), aber abwechselnd auch traditionelle Instrumente spielten (Kokle, Akkordeon, Dudelsack, verschiedene Flöten usw.). 
Warum die Dame nicht in einem Chor wie Balsi hätte mitsingen können, war mir auch gleich klar, als sie das erste Mal ihre Stimme erhob. Ihre Stimme ist viel zu eigen, sie muss alleine für sich stehen. Auch ist die Stimme ganz leicht rauchig (manche Männer mögen es als erotisch bezeichnen) und sehr reif mit einem gewissen Timbre, der sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht. 
So spielten also auch Ilgi viele folkige Stücke (viele davon mit positiver Grundstimmmung, wie zum Beispiel Hochzeitslieder, zu deren Entstehung oder Tradition die Band dann auch ein paar Worte verlor). Ich weiss nicht, ob die Band vielleicht extra für den Gig poppigere Songs ausgesucht hat, weil sie dachte, das kommt in Österreich besser an (und ob sie vielleicht sonst viel mehr rein folkige Stücke haben), jedenfalls behielt die Elektronik die Oberhand, obwohl der Zusatz einer Sackpfeife, Tin-Whistle oder Kokle auch hier andere Völker bestimmt zum aufstehen und mittanzen bewegt hätte. Es gab auch ein paar witzige Momente auf der Bühne und die Band versuchte, mit den Zuhörern zu interagieren. Die Anwesenden waren begeistert und nach einer knappen Stunde hatten auch Ilgi ihres Siegeszug beendet.

Nun kamen tatsächlich Helfer, die die ganzen Stühle im Saal wegräumten. Die meisten Besucher verliessen den Club und die Metal-Fans strömten herein. Allerdings blieben auch einige vereinzelte des Mainstream-Publikums da und sahen sich Skyforger bis zum Ende an (wenn auch aus sicherem Abstand zu den Metal-Fans).

Nach kurzem Line-Check enterten also Skyforger die Bühne und es war Metal-Stimmung (an die 200 oder 250 Metal-Fans werden es schon gewesen sein, die da waren). Alle Bandmitglieder waren bester Stimmung, vielleicht lag es ja daran, dass Kaspars Barbals mit dabei war (er hat eigentlich keine Zeit mehr für die Band, kam aber zu den 2 angesetzten Österreich-Gigs mit, weil diese auf’s Wochenende fielen), welcher durch das Spielen der Sackpfeife, der Flöten und der Kokle natürlich für den gewissen musikalischen Kick bei den Live-Auftritten der Band sorgt. Er war also wieder mit dabei und sorgte so richtig für Stimmung, sprang auf der Bühne rum und ballte öfters mal in Siegerpose die Fäuste. Er genoss es sichtlich, wieder auf der Bühne zu stehen. Die anderen liessen sich anstecken, man warf sich auf den Boden, spielte dort die Gitarre weiter und lachte überhaupt viel. Frontmann Peter schien mal wieder Laberwasser getrunken zu haben, denn er redete ohne Unterlass zwischen den Songs. Folgende Songs wurden gespielt: Svetais ugunskrusts, Kad usins jaj, Pulkvedis briedis, Gada isaka nakts, Kauja garozas sila, Naves sala, Zviegtin zviedza kara zirgi, Tireia purva, Migla migla rasa rasa und Kurshi. Mittendrin wurde dann auch ein brandneuer Song vorgestellt, der mächtig heavy und wuchtig rüberkam, mit Mörder-Riffing und dazu stechendem, lautem Geflöte, man kann sich also gewiss sein, dass das neue Album ein echter Hammer wird. 
Etwas unglücklich war dann Peter’s Ansprache, dass der folgende Song davon handelt, wie die Letten der Invasion der Deutschen standgehalten haben. Ich weiss nicht, ob er es wusste, aber da mir einige Fan-Gesichter bekannt sind, wusste ich, dass mindestens 30 Leute aus Deutschland im Publikum sind (wenn nicht sogar noch viele mehr aus Deutschland angereist waren). 
Doch man verzieh ihm natürlich. Rein von der Stimmung her und von der Intensität, mit der die Fans bei jedem Song mitgingen, war es der beste Gig, den ich von Skyforger miterlebt habe. Gegen Ende des Gigs riefen die Fans immer weiter nach Zugaben, und zwar richtig intensiv. Aufgrund der Vorgaben des Clubs durften Skyforger aber irgendwann keine Zugaben mehr geben. Peter kam also noch’mal auf die Bühne, erklärte das, erklärte noch’mal, dass er total gerührt ist, dass man Skyforger hier so abgefeiert hat und dass er es sehr genossen hat, und vertröstete dann auf kommende Gigs. Er schien tatsächlich sehr angetan von der guten Stimmung und konnte sich kaum vom Publikum trennen. Und das Publikum kaum von der Band. Man sah jedenfalls, dass alle Anwesenden absolut zufrieden waren. Auch die Mainstreamler, die geblieben waren (und von denen sich einige dann sogar die CD kauften). 

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieser rein lettische Abend wirklich klasse war. An eine Gig-Symbiose von Folk und Folk-Metal könnte man sich vielleicht gewöhnen.

Fotos:

Skyforger
Ilgi
Balsi

 

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