Sólstafir, Secrets of the moon, <code> 

München, 8. Oktober 2009

(Bericht: Twilightheart)

Es ist mal wieder Konzert-Herbst im Königreich Bayern. Und während sich München vor den Gothic-Bands schon ordentlich blamiert hat, was niedrige Zuschauerzahlen betrifft, ist es bei den BM-, Death- und Doom-Gigs bisher noch nicht so schlimm, wie ich eigentlich befürchtet hatte. So war auch die kleine „Backstage“-Halle am 8. Oktober mit einigen hundert Leuten relativ gut gefüllt, als der Tourtross mit Sólstafir, <code> und Secrets of the moon der Location die Ehre gab. Eine weitere lokale Support-Band gab es nicht (war auch nicht nötig, für einen normalen Wochenarbeitstag wie diesen Donnerstag sind drei Bands meiner Meinung nach optimal) und so begann der Abend mit <code>. 
Da die Spielreihenfolge in jeder Stadt wechselte, hat selbige also nichts damit zu tun, wer Headliner ist oder nicht. Und schon gar nicht damit, wer die beste Band ist. Um ehrlich zu sein, war an diesem Abend mal wieder die erste Band die beste des Abends (und das, obwohl ich mir vorher 100%ig sicher gewesen war, dass Sólstafir das Rennen machen würden).

<code> erlebte ich hier zum ersten Mal im Leben live. Und sie sind so eine Band, auf die man im „Musik-Leben“ quasi wartet: eine Band, die auf die Bühne kommt und einen sofort überzeugt! Da dies natürlich höchst selten vorkommt, war die Faszination umso größer. Sänger Kvohst, den man ja von einigen anderen allseits berüchtigten Underground-Bands kennt, hat einfach das gewisse Etwas, auch wenn er im Vergleich zu seinen baumhohen Bandkollegen im ersten Moment wie ein Zwerg erscheint. Doch sobald er sich selbstbewusst wie Oscar vor dem Mikro positioniert hat und die Show beginnt, dominiert sein Charisma die Zuschauer. 
Nach dem Intro begann die Band mit „Smother the crones“ und „The rattle of black teeth” und der Drummer, der wie ein Untier wütete, schoss gleich erst erst’mal in Rage aus Versehen einen Drumstick vor auf die Bühne, die der Gitarrist gekonnt unter’s Drumkit zurückkickte. Kvohst growlte und sang sich durch die Songs, als gäbe es nichts Wichtigeres auf Erden für ihn. Und mit seiner ausschweifenden Gestik, seinem Bewegungsdrang, der wilden (und manchmal lustigen) Mimik eroberte er in Kombination mit seiner hervorragenden Vocalperformance das Publikum im Sturm. Bei den schnelleren Stücken wurde ordentlich gerockt und bei den langsameren Passagen vertiefte er sich in den Song, meist an’s Mikro geklammert, und verbreitete mit gefühlvollem Gesang die Lyrics im Raum, wodurch die Halle mit Magic geflutet wurde. Die Musiker der Britisch-Norwegischen Avantgarde-BM-Truppe spielten fehlerfrei und über jeden Zweifel erhaben. Zwar sind einige der Saiter hingebungsvolle, „kleine“ Poser, aber bei ihnen macht das einfach Spaß, weil man ihnen die Überzeugung anmerkt. Sie haben „the right attitude“, wie man so schön sagt. „I hold your light“, „Aeon in cinders”, “Tyburn” und  “Possession is the medicine” folgten und verdienterweise bekam jedes einzelne Stück ordentlich Applaus, bevor mit “Brass dogs“ der Gig leider sein viel zu frühes Ende fand.

Die Osnabrücker von „Secrets of the moon“ kamen mit viel Elan auf die Bühne und obwohl der Sound recht breiig war (eigentlich wie jedes Mal, wenn ich die Band irgendwo live erlebe), hatten sie die Fans auf ihrer Seite. Man sah an den Reaktionen genau, wer nur wegen dieser Band gekommen war und die anderen beiden eventuell gar nicht kannte. Nach dem Intro wurde der Gig mit „Sulphur“ und „Ghost“ eröffnet. „I Maldoror“, „Lucifer speaks“ und „Seraphim is dead“ sorgten als nächstes für Begeisterung bei den Gästen. Die Band schaffte es, die Anwesenden mit ihrer mitreißenden Art anzustecken. Immer wieder stampfte der Frontmann mit den Füßen, als könne er dadurch noch mehr aus den Songs rausholen. 
Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum SOTM sich immer so exzessiv zunebeln lassen auf der Bühne. Vielleicht ist es Zufall, dass dies immer bei den Gigs geschieht, bei denen ich bin, aber ich habe die Band von jeher in Bühnennebelschwaden getaucht in Erinnerung. Dabei brauchen sich die Jungs doch eigentlich nicht verstecken, oder? Und wenn man weiß, wie extrem krebserregend die Chemikalien sind, aus denen der Bühnennebel „gezaubert“ wird, verliert dieser doch eh seinen romantischen Touch. Ich persönlich empfinde ihn jedenfalls als ziemlich lästig. Lieber lasse ich die Band „pur“ auf mich wirken und atme dabei weniger Gift ein.
„Queen among the rats“ war dann auch schon der letzte Track dieses Gigs, wenn ich mich richtig erinnere. Auch SOTM konnten viel Beifall für sich verbuchen und man muss abschließend sagen, dass sie wirklich versucht haben, einen energiegeladenen Gig abzuliefern.

Als das Intro („Náttfari“) von Sólstafir erklang, freute ich mich wie ein Schneekönig, hatte die Band mit ihrem Auftritt auf dem Party-San-Festival doch großen Eindruck bei mir hinterlassen. Dass sie gerade an diesem Abend von der Spielzeit her den Headliner mimten, fand ich passend. Leider war der Gig für mich am Ende der Reinfall schlechthin. Mal abgesehen davon, dass ich es peinlich fand, dass der Sänger betrunken auf der Bühne stand (glücklicherweise sind die Isländer ja Teil all jener Völker, deren Musiker auch in betrunkenem Zustand ihr Instrument noch 1A beherrschen), konnten sie nicht annähernd an die Qualität ihres Party-San-Gigs anknüpfen. Natürlich, es gibt auch schlechte Tage, die man wohl einfach so hinnehmen muss ... und einige Mitreisende der Tour hatten schon vor dem Gig erzählt, dass die Bands tags zuvor ihren größten Alkoholabsturz überhaupt hatten. Wenn man dem Erzählten Glauben schenkt, so muss der Gig am Vortag noch viel schlechter gewesen sein. München war also im Vergleich dazu noch okay. Bzw. raffte sich die Band im Laufe des Gigs auch auf und wurde besser. Zum Ende hin klangen die langsamen Passagen der Lieder wieder herzerweichend, während sie zu Beginn alle sehr zu wünschen übrig ließen. Während des zweiten Tracks „78 days in the desert“ versuchte die Band sowieso die ganze Zeit über, den schlechten Sound in den Griff zu kriegen. Auch später wurde noch öfter nachreguliert. Der dritte Song war „I myself the visionary head“, einer jener Songs, die an die 20 Minuten lang sind (bzw. live je nach Lust und Laune der Band gekürzt oder verlängert werden). Auf die Uhr habe ich natürlich nicht geschaut, aber wir bekamen eine SEHR lange Version des Songs geboten. Wenn Sound und Einsatz der Band stimmen, ist dieser Song bestimmt eine wunderbare Sinnesreise, aber an diesem Abend empfand ich ihn eher als Desaster. Mittendrin kam bei mir doch tatsächlich Langeweile auf. Doch „Köld“, welches gleich im Anschluss folgte, entschädigte dafür, denn wie gesagt, wurde der Gig zum Ende hin besser. Was der Sänger der Band uns mit seinen Zwischenbemerkungen mitteilen wollte, ist mir aufgrund der etwas undeutlichen Aussprache immer noch ein Rätsel. Ich verstand immer, dass er wissen wollte, ob wir lieber einen Lovesong oder einen Kreator-Song hören wollen. Kann das sein? Jedenfalls wurde daraufhin „Pale Rider“ gespielt und dann bildete „Ritual of fire“ den Abschluss. Der Achtungsapplaus blieb nicht aus. Hätten die Fans den Gig auf dem Party San als Vergleich herangezogen, hätte es vielleicht weniger Anerkennung gehagelt, aber natürlich ist auch ein schlechter Gig von Sólstafir immer noch interessanter und beeindruckender als ein guter Gig manch anderer Bands. Schon allein die Erscheinung der Isländer hat etwas Interessantes (wahrscheinlich der Exoten-Faktor), aber natürlich sorgt allein schon das einfallsreiche, gefühlsintensive Songwriting der Band für einen Bonus, so dass auch ein schlechter als normal gespielter (bzw. gesungener) Gig tatsächlich trotzdem noch das Eintrittsgeld wert ist, man glaubt es kaum. Ich hoffe jetzt einfach mal, dass sich dieser Gig (auch aus Sicht der Band) als „dumm gelaufen“ abhaken lässt und danach vergessen lässt, und dass die Band die Chance hat, bei kommenden Gigs zu beweisen, dass sie unter optimalen Umständen zu den atemberaubendsten Performern aller momentan aktiven Live-Bands gehören. Und natürlich sind sie trotz allem unangefochten die beste Metal-Band Islands. 

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