Sonata Arctica, Winterborn 

München, 6. Februar 2010

(Bericht: Twilightheart)

All den treuen Lesern, die sich wundern, dass sich unter all die knallharten Metalbands hier im Mag auch ab und an eine Powermetal-Band schleicht, sei gesagt, dass man ja nicht den ganzen Tag BM hören kann. 2 oder 3 melodische oder epische Bands braucht man schon auch. Und bei Sonata Arctica kommt für mich persönlich noch eine besondere Vorgeschichte dazu: ich war bereits vor 10 Jahren bei deren aller erster Tour, die durch Österreich, Deutschland und die Schweiz ging, dabei. Und zwar bei verdammt vielen Gigs. Dies hatte den einfachen Grund, dass mein damaliger Freund großer Fan des Hauptacts war, den Sonata Arctica damals supporteten, somit wurde ich zu all den Gigs mitgeschleift (im Nachhinein ist dies auch eine schöne Erinnerung, die ich nicht missen möchte) und während nach den Gigs immer alle anwesenden Fans zum Headliner rannten, um sich Autogramme zu besorgen etc., hatte ich Sonata Arctica oftmals ganz für mich alleine, denn sie wurden nur selten von den Besuchern erkannt, und es gab etliche nette Unterhaltungen, aber auch viel Spaß (so jung wie sie damals waren, konnte man einfach herrlich mit ihnen herumalbern). Die Kombination, dass sie so nett waren, aber auch für das Genre verdammt gute Musik machten, ließ mich schon damals hoffen, dass die Band es schaffen würde. Sie hatten es aus meiner Sicht einfach verdient. Und heute, 10 Jahre später, ist es einfach schön zu sehen, dass sie es mehr als nur „geschafft“ haben (auch wenn von der Ur-Besetzung nur 2 Mitglieder übrig sind). Sie gehören in Finnland wohl zu den bekanntesten Bands überhaupt (natürlich neben Nightwish, Lordi & Co.) und der Erfolg im restlichen Europa ist, glaube ich, auch nicht zu verachten. 
So zog es mich am 6.2. also zu ihrem Gig im Münchner „Backstage“-Komplex, von dessen 3 Hallen sie natürlich spielend leicht die größte Halle (das sog. „Werk“) vollbekamen. Es war ungewöhnlich, das Publikum zu sehen. Zuerst fiel mir der große Frauenüberschuss auf. Ansonsten mischten sich junge Metal-Fans mit vielen Erwachsenen, die man gerne als Mainstream-Publikum bezeichnen kann. 

Doch zuerst eröffneten die Finnen von „Winterborn“ den Abend. Pünktlich um 20 Uhr betraten sie die Bühne und lieferten sehr melodischen Powermetal im klassischen Sinne ab. Ihr Sänger hat eine mittelhohe, angenehme Stimme, die auch in den hohen Tonlagen nicht so klingt, als kosten ihn die Töne Mühe, sondern er hat es einfach drauf, alles so zu singen, wie es sich gehört und wie es angenehm klingt, auch bei den höheren, langgezogenen Tönen. Auch die Songmelodien waren eingängig und melodisch. Mit Keyboard, 2 Gitarren, Bass und Schlagzeug machte die Band klar, dass es sich um Vollblutmusiker handelt. Der Sound war exzellent und das spielerische Können der Musiker stand außer Frage. Das Publikum ließ sich davon leicht anstecken und die Band konnte nach jedem Song ihres 45-minütigen Auftritts gehörigen Applaus kassieren. 

Doch so richtig stimmungsvoll wurde es erst, als Sonata Arctica nach langem Intro die Bühne betraten. Sänger Tony, wegen dessen Stimmbandinfektion der Gig ja von November auf Februar verschoben wurde, schien extrem gut drauf zu sein und zu Späßen aufgelegt, worauf auch schon sein Mustermix-Outfit schließen ließ. Die Finnen legten sofort mit „Flag in the ground“ und „Paid in full“ vom neuesten Album los. Es war für mich das erste Mal, dass ich den Ersatzmann Elias, der für Ausnahme-Gitarrist Jani kam (der ja leider die Band verlassen hat), live gesehen habe. Im ersten Moment musste ich genau hinschauen. Eine gewisse Ähnlichkeit war schon vorhanden. Auch die Spielweise von Elias (wie ein wilder, kleiner Derwisch) war ähnlich der Janis. Jemand, der den Besetzungswechsel in der Band gar nicht mitbekommen hat und die Band nur von den hinteren Plätzen aus gesehen hat, hätte die Staff-Rotation vielleicht gar nicht bemerkt. Dass der neue Gitarrist spielerisch eine fantastische Leistung ablieferte, muss ich sicher nicht erwähnen. Perfektes Spiel, perfekter Sound, volle Hingabe auf der Bühne, das ist der Grundstandart bei Sonata Arctica. 
Ich hatte im Vorfeld nichts über den geplanten Gig (bzw. die Tour, zu der er gehörte) gelesen. Insofern wurde ich ein wenig davon überrascht, dass es wohl so eine Art „Best of“ aus 10 Jahren war. Die Überraschung war allerdings eine positive, denn während ich die Songs der neuesten Alben nicht kenne, sind mir die alten alle noch in guter Erinnerung. Die nun folgenden Klassiker „FullMoon“ und „8th commandment“ waren also eine Wohltat für meine Ohren. Auch das Publikum war begeistert und in den vorderen Reihen wurde jede einzelne Textzeile mitgebrüllt. Dann folgten wieder 2 neuere Stücke: „As if the world wasn’t ending“ und „The last amazing grays“. Letzteres ist eine traurige, hochmelodische Ballade, die die Musiker mit besonders viel Hingabe und Intensität dargeboten haben. Vor dem Song gab Tony übrigens ein paar Gedanken übers Älter-werden preis, über die Generationen in seinem Leben und seiner Familie, die ihn in seinem Leben begleitet haben, was er von ihnen gelernt hat, seine Gedanken darüber, was sein wird, wenn sie nicht mehr sind usw. Es war in gewisser Weise wirklich berührend.

Nachdem mit „Juliet“ noch ein neuerer Track gespielt wurde (gibt es eigentlich ein Album der Band, auf dem nicht mindestens ein Song eine Hommage an eine Dame ist?), ging es nach einem Zwischenspiel wieder mit einer ganzen Passage alter Songs weiter. Doch vorher hielt Sänger Tony eine kleine Ansprache, die durch seine witzige Tages-Grundstimmung für etliche Lacher sorgte. So erzählte er vom ersten Album „Ecliptica“, von den Anfängen der Band usw. Als Vergleich für die vergangenen 10 Jahre seit Erscheinen des Albums zog er ein imaginäres Kind heran. Wenn „Ecliptica“ ein Kind gewesen wäre, wäre es jetzt also 10 Jahre alt und hätte gerade die Schule beendet und würde bald aufs College gehen usw. Harr. Nachdem er seinen geistigen Spaß-Erguss beendet hatte, folgte „Replica“, was stark bejubelt wurde. Danach spielte Henrik Klingenberg eine jazzige Einlage auf dem Synthesizer und der Rest der Band stieg wahlweise spontan ein oder aber machte sich darüber lustig. Es folgte eine weitere Rede von Tony über schwarze Schafe innerhalb der Familie, derer er immer eins war, natürlich gefolgt vom Song „Black Sheep“. „The cage“ wurde gleich nachgeschoben (natürlich nicht ohne... ihr dürft raten... kleine Ansprache vorher). Nach „In black and white“ war dann erst mal Schluss. Die anderen Songs/Zugaben waren zwar fest eingeplant, aber vorher ließen sich die finnischen Überflieger erst mal ordentlich bitten. Allerdings wurden nicht nur die Zugaben eingeplant, sondern auch ein ganzer „Unterhaltungsblock“ bestehend aus „Vodka“, den das Publikum quasi alleine sang (kann mich gar nicht erinnern, ob Toni auch nur eine einzige Zeile selbst ins Mikro gesungen hat, oder ob es alles das Publikum war) sowie „We will rock you“ von Queen. Auch da hat Tony nicht selbst gesungen. Er hat das Publikum nur angewiesen, in welchem Takt sie klatschen, auf den Boden stampfen und singen sollen, den Rest haben die Fans alleine gemacht. Aber die Stimmung in der Halle war eh am kochen, es war also wirklich nicht schwer, die Besucher zu all dem zu bewegen. Doch vorher gab es noch „Don’t say a word“ als Finale, zu dem die Musiker auf der Bühne alle noch mal ordentlich abrockten, sowie „Everything fades to gray“. Inzwischen waren eine Stunde und ca. 40 Minuten vergangen. Das ist natürlich eine ordentliche Spielzeit für einen Hauptact (vor allem natürlich, wenn es vorher nur einen einzigen Support-Act gab). Bei der Verabschiedung wurde der Band minutenlang mit tosendem Applaus geschmeichelt. Natürlich wurde noch viel Equipment (Drumsticks etc.) an die Fans abgegeben. Auch machte Tony seinen Flip (sich von seinen Bandkollegen in die Luft schwingen lassen) und es gab allerhand Abschiedsgestik von Band zu Fans und umgekehrt. Es war wirklich ein fantastischer Gig, absolut locker und positiv. Trotzdem musikalisch perfekt. Oder wie es einer der anwesenden Fans (die übrigens den Autokennzeichen auf dem Parkplatz nach zu urteilen von überall her angereist waren) ausgedrückt hatte: „The Munich gig was epic!“

 

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