So voll
wie an diesem Abend habe ich das „Metropolis“ in München schon
lange nicht mehr gesehen. Nun ja, die finnische Über-Kombi Norther
& Turisas zieht glücklicherweise doch eine Menge Fans, und das,
obwohl zeitgleich Dornenreich und Faun in München spielten.
Als Äquivalent zu Faun könnte man Ingrimm ansehen, die den
Turisas-Gig als Support eröffneten. Die Folk/Mittelalter-Band kam zu
einem sehr medievalen Intro auf die Bühne und beeindruckten die
Anwesenden sofort mit ihrem rasenden, sehr mitreissenden Sound. Einige
Zuschauer kannten die Regensburger Band mit Sicherheit von diversen
Mittelalter-Festen, denn nicht wenige sangen alle Texte mit. Wie viele
andere Bands ihres Genres singt auch diese Band auf deutsch, und so
wurden wir mit Songs beglückt, die da z.B. „Rattenstadt“ oder
„Lumpenpack“ hießen. Am authentischsten kam neben dem Sänger, ein
Typ wie ein Bär in Kettenhemd, der Drehleier-Spieler, der wahlweise bei
einigen Songs auch Dudelsack spielte und auch durch seine Aufmachung für
echte Mittelalter-Stimmung sorgte. Zwar hatte die Band nicht allzu viel
Bewegungsfreiheit, da die Band ihr Schlagzeug noch vor dem der Hauptacts
stehen hatte, aber zum springen und gestikulieren reichte es allemal.
Die bereits anwesenden ca. 150 Leute liessen sich davon auch anstecken,
vorne wurde gebängt, hinten sah man aufmerksam zu. Das Lied „Der
Sturm“ vom 2007er Album „Ihr sollt brennen“ wurde der katholischen
Kirche gewidmet, mit der Begründung: „Ich glaube, da kommt ganz gut
raus, was wir von ihnen halten“. Später wurde Schlagzeuger Klaus
vorgestellt, der (vielleicht zur Feier des Tages) Turisas-Warpaint
aufgelegt hatte, und sofort riefen die Fans in den vorderen Reihen:
„Schlagzeug-Solo!“. Klaus schien sich tatsächlich schon was zu überlegen,
aber der Sänger meinte nach kurzem Abwägen, dass dafür leider keine
Zeit ist.
Der Sound in der Halle war zwar mies, aber zu Songs wie „Der
Meister“ gingen die Fans trotzdem ab wie Schmidts Katze, und es war
jetzt schon klar, dass diese Menge feiern will und dass hier eine riesen
Stimmung sein würde, wenn Turisas auf die Bühne kommen.
„Seid ihr bereit für den Spielmann?“ rief Ingrimm’s Frontmann,
das erwartete leidenschaftliche „Yeah“ des Publikums folgte und los
ging’s mit einem der letzten Songs des Gigs.
Nachdem
Ingrimm also schon’mal richtig angeheizt hatten, gab es einen
Stilwechsel, denn nun regierten erstmal die melodic Deather von Norther
das „Metropolis“. Die Band hatte einen besseren Sound als die Vorgängerband,
was bei deren ultraschneller Gitarren-Kunst natürlich wichtig ist.
Norther spielten fast nur Songs vom neuen Album, nämlich gleich 6 Stück,
die da waren: „My Antichrist“, „Down“, „We rock“, „Frozen
Angel“, „Black Gold“ und „Self-righteous fuck“. Die Fans, die
sich sofort vor der Bühne drängelten, nahmen die neuen Songs genauso
begeistert auf wie die alten. Von den älteren Songs schafften es
allerdings nur 4 Stück in die Setliste, nämlich „Blackhearted“,
„Unleash Hell“, „Omen“ und „Death unlimited“.
Obwohl die Fans total gut mitgingen, liess Sänger Petri ab-und zu einen
Kommentar fallen, dass ihm der Moshpit nicht gross genug ist. Ab und zu
ließ er sich auch auf ein Scherzchen mit jemandem aus der ersten Reihe
ein. Später kündigte er einen Geburtstag an. Derjenige muss wohl den
netten Spitznamen „Satan“ weghaben, denn Petri rief: „Where is
Satan?“ Irgendwann zeigte jemand auf eine Person hinten im Publikum
und dann mussten alle drei mal „Happy birthday, Satan“ rufen und
demjenigen wurde auch der nächste Song gewidmet.
So spielten sich Norther bei diesem Gig mit ihrem Charme und ihrer
technischen Perfektion einmal mehr in die Herzen der Münchner.
Doch
nun sollte der Supergau folgen. Nach nur ganz kurzer Umbaupause enterten
die Finnen von Turisas die Bühne. Diese Band hat allein durch
ihre Outfits, ihre stolze Art und ihr kämperisches Auftreten ein
Charisma, was seinesgleichen sucht. Mit stockte mal wieder der Atem, als
sie auf die Bühne kamen. Ohne Umschweife ging’s los mit „The
dnieper rapids“ und „To holmgard and beyond“ vom neuen Album „The
varangian way“. Die Stimmung im Publikum, welches ja schon zum Intro
ausgeflippt war, ging sofort von null auf hundert. Alle waren Feuer und
Flamme, man konnte alle Texte mitsingen und die Fäuste wurden in die
Luft erhoben.
Dieses war dann auch der erste vollständige Gig von Turisas, den ich
seit 2006 gesehen habe, denn jedes Mal wurde die Band bei ihren
Festivalauftritten irgendwie limitiert oder ihre Zeit auf 20 Minuten
runtergekürzt, was immer eine schlechtere Performance zur Folge hatte.
Ich konnte also noch nie das ganze Ausmaß der Stimmung bei einem
Turisas-Gig erleben. Hier in München (übrigens das erste mal, dass
Turisas überhaupt in München waren) war zum ersten Mal alles optimal.
Die Band hatte Platz, es gab kein Zeitlimit (Turisas spielten 90
Minuten), der Sound war gut (einige technische Schwierigkeiten gab’s
zwar trotzdem, aber die wurden ignoriert) und so konnte sich die Band
richtig austoben. Sie waren so in ihrem Element und jeder aus der Band
hat richtig für Action gesorgt, es war einfach klasse.
Als
dritter Song folgte „A portage to the unknown“. Wer das neue
Album hat, weiß, dass das die verdammt noch’mal beste, mitreißendste
Hymne ist, die Turisas je geschrieben haben. So laut hat man im
„Metropolis“ wahrscheinlich noch nie mitgegrölt wie bei diesem
Track. Stimmung pur. Auch die Band war super drauf. Warlord Nygård
tobte über die Bühne wie ein Berserker, Jussi headbängte, Olli
fiedelte sich die Finger wund, und alle anderen waren genauso wild. Eine
Überraschung gab’s in Form einer neuen Akkordeon-Spielerin (mit einem
wunderschönen perlmutt-weißen Intrument), namens Netta, die Nygård
dann auch begeistert vorstellte als „blond, 17 years old, and female“.
Meiner Meinung nach passt sie hervorragend zur Band und sollte länger
bleiben als nur während dieser Tour, wie es erzählt wurde.
Der
Warlord erzählte dann auch, was mit dem alten Akkordeon-Spieler Lisko
passiert ist: man war auf dem Flughafen, um von Holland nach Finnland zu
fliegen, und plötzlich war Lisko weg und wurde seitdem nicht mehr
gesehen. Ich persönlich hoffe natürlich sehr, dass er wieder
auftaucht. Wenn Musiker einfach so am Flughafen verschwinden, dann ist
mir das nicht geheuer.
Zurück zur Show. Die Action ging weiter mit „One more“ und „In the court of
Jarisleif“. Dann gab es ein wunderbares Geigensolo von Olli,
was in das über 8 Minuten lange “Miklagard overture” überging.
Mathias Nygård stellte
sich als absoluter Scherzkeks und Entertainer heraus. Schon beim Vorstellen
der Band konnte er sich gewisse Bemerkungen nicht verkneifen, so wurde
Olli als der Typ mit dem „funky haircut“ bezeichnet und Hannes war
mal eben der Teddybear. Auch das gute Paulaner-Bier sorgte für
Stimmung. So bemerkte Mathias, dass das Bier im Publikum viel besser
aussieht als sein eigenes. Er testete also alle Sorten durch und
entschied, dass Paulaner Hell das beste sei: „This is beer! Prost
again!“ Das Publikum kommentierte, dass Guiness dazu kein Vergleich
ist und danach wurden ihm immer wieder von den Fans deren
Paulaner-Flaschen zum trinken angeboten und er trank mit ihnen. Auch
warf jemand eine (eigene?) CD auf die Bühne. Diese wurde begutachtet
und dann einem Roadie gegeben, damit dieser sie in den Bus legt, damit
die Band auf der Fahrt was zum Anhören hat. Und sogar ein Schuh flog
auf die Bühne. Mathias ging reihum und probierte bei jedem Musiker
symbolisch, ob der Schuh passt, bevor er ihn in’s Publikum zurückwarf.
Kurz und gut, jedes Thema, dass sich anbot, wurde zu Scherzen
verarbeitet.
Nach
dem Reißer „Sahti-Waari“ kam Netta alleine auf die Bühne und
spielte ein kurzes Akkordeon-Solo. Der Warlord kam dazu und fragte „Have
you ever had a Humppa?“ und die Melodie änderte sich zu
„Rasputin“. Was bei diesem Song abging, könnt ihr euch ja sicher
ungefähr vorstellen. Party! Alle Musiker tobten über die Bühne und es
gab beim Publikum sowieso auch kein Halten mehr.
Nun folgte, wie Mathias es nannte, etwas „Biergemütlichkeit“ und es
wurde ein bayrisches Volkslied angestimmt, zu dem die Fans schunkelten,
nachdem er uns gesagt hatte, dass es toll ist, dass die Deutschen im
betrunkenen Zustand zu kuscheln anfangen und nicht gewalttätig werden
wie die Finnen.
Danach
war es auch schon Zeit für’s Finale. Nach dem obligatorischen „Thank
you, good night München“ wurde noch „Battle Metal“ angestimmt,
bevor die Band unter riesigem Jubel und ausgiebigem Händeschütteln die
Bühne verließ.
Noch 5
Tage, dann sehe ich Turisas beim Ragnarök-Festival wieder. Bleibt zu
hoffen, dass sie sich dort genauso austoben können. Wenn ja, bleibt nur
eins zu sagen: das wird ein Fest!!
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