Ulver, Zweizz
München, 1. April 2011
(Bericht: Twilightheart)
Sehr überrascht war ich, als ich las, dass Ulver auf Tour kommen. Schließlich sind die Herren um Mastermind Garm doch 15 Jahre lang bewusst nicht auf Tour gegangen. Und auch betreffend der Zeit davor und danach kann ich mich nicht erinnern, dass Ulver in erreichbarer Nähe getourt hätten. Nun war der Gig auf den 1.April angesetzt, blieb also eigentlich nur noch zu hoffen, dass es kein Aprilscherz sein würde. Doch
den Anfang machte an diesem Tag in der „Backstage“-Halle der als „very
special guest“ angekündigte Zweizz. Da fehlem einem eigentlich die
Worte, um das zu beschreiben, was der urige Kauz auf der Bühne
veranstaltet hat. So saß er eine ganze Zeit lang einfach nur da, mit
dem Rücken zum Publikum und schraubte an seinem technischen Beiwerk
rum, was vor ihm auf der Bühne lag, so dass es zu mehr oder weniger
langen oder verzerrten Tönen bzw. Dissonanzen kam, die in sich ein
wenig variiert wurden. Nichts Besonderes im Prinzip außer eben ein paar
simple Klangexperimente. Als Musik würde ich das nicht bezeichnen.
Vielmehr würde ich Zweizz als Selbstdarsteller bezeichnen, der einfach
nur Aufmerksamkeit erregen will (wobei es mich nicht wundern würde,
wenn sich der ein oder andere Fan gefragt hätte, ob der Typ uns alle
einfach nur verarschen will.... dass die Sache eh „für'n Arsch“
war, darauf komme ich später noch zu sprechen). Da könnte man sicher
lange ergebnislos drüber diskutieren, ob das, was Zweizz macht, als
Kunst bezeichnet werden kann oder muss (wenn man sie so definiert, dass
sie primär einfach nur die Aufmerksamkeit des Zuschauers erregen soll,
so muss man Zweizz wohl doch der Kunst zuordnen), aber die wenig
ansprechende Klangkulisse, die er auf der Bühne erzeugt hat, sollte man
zumindest nicht als Musik bezeichnen dürfen. Insofern ist es eigentlich
amüsant zu sehen, als was seine „Musik“ in einschlägigen Enzyklopädien
bezeichnet wird. Von Avantgarde über Experimental ist natürlich alles
dabei, nur auf die simple Bezeichnung „ein großer Spaß“ kam
keiner. ;-) Jedenfalls fand die Aufführung gegen Ende des „Gigs“ seinen Höhepunkt, als ER (in extra erlerntem Deutsch) bekannt gab, dass Ulvers Garm will, dass er dem Publikum seinen Arsch zeigt. Gesagt, getan. Er entblößte sich also und setzte sich auf das Klo, so dass sein Allerwertester überdimensional groß auf der Leinwand zu sehen war. Das Publikum schwankte zwischen Ekel und Jubel, aber nichtsdestotrotz bekam Zweizz vor seinem Abgang viel Applaus. Allein der Unterhaltungsfaktor rechtfertigte dies natürlich auf gewisse Weise. Und auch wenn viele das sicher nicht erwartet hätten, statt Musik eine solche Inszenierung zu erleben, so war es zumindest mal etwas ganz Überraschendes und eine echte Abwechslung zu allen anderen Support-Acts. Möchte meinen, wer dabei war, wird sich auch nach Jahren noch erinnern, wenn er „Zweizz“ hört. Danach war Schluss mit Lustig. Schon allein das ganze Equipment, welches Ulver + Band + Gastmusiker auf der Bühne aufgebaut hatten, war erstaunlich. Neben normalen Instrumenten wie Schlagzeug, Synthesizer, Rassel und Bassgitarre gab es mehrere Mixing-Desks, an denen wild gemischt werden konnte. Mehrere Computer, von denen Samples sowie (nehme ich zumindest an) vorher aufgenommene Programmierungen abgespielt werden konnten, zierten die Bühne. Die Summe der Kabel auf der Bühne war enorm. Glücklicherweise war soweit alles vorher fertig gestimmt und eingestellt worden. Die Musiker kamen auf die Bühne und legten sofort mit „February MMX” los. Nun wurde gesampelt und musiziert, was das ganze Equipment hergab. Die ulverschen Klangwelten breiteten ihre Magie in der Halle aus. So präzise wie möglich wurden die elektronischen Ambient-Tracks gespielt, nur leider war das Soundsystem nicht auf einen solchen experimentellen Klang ausgerichtet. Die Boxen litten sehr (und nach Gig-Ende meinte Garm „I guess I blew the speakers“). Meistens sahen die Musiker auch extrem angespannt und konzentriert aus. Aber die Band schaffte es trotzdem mit viel Fingerspitzengefühl, einen annehmbaren Sound zu kreieren. Man spielte sich quer durch die Songs des neuen Albums „War of the roses“, als da waren: „England”, “September IV”, „Norwegian Gothic“, „Island”, “Providence” und der 14-Minuten-Track “Stone Angels”. Zwischendurch gab es Sequenzen, in denen frei improvisiert wurde. Hierbei kommunizierten die Musiker vornehmlich durch Blicke und ließen sich ansonsten treiben. Die Quantität der Gesangspart von Garm hielt sich leider in Grenzen, aber sobald Mr. Rygg dann doch einmal von seinem Mixing-Desk wegkam und das Mikro in die Hand nahm, konnte man seine angenehme Stimme in vollen Zügen genießen. Im Hintergrund liefen Videos auf der bereits erwähnten Leinwand. Von skurrilen Szenerien bis hin zu wunderschönen Naturaufnahmen war alles dabei. Das Publikum war gemischt. Es waren Elektro-Fans in bunten Kutten anwesend, genauso wie normale Metal-Fans. Mit Sicherheit kamen einige aus nostalgischen Gründen, um den Ulver zu sehen, der sie mit den alten Alben begeistert hat (wie ich), aber trotz allem bekam die Band von allen Anwesenden angemessenen Applaus. Trotz der Soundmakel konnten die meisten den Gig sehr genießen, wenngleich es mit Sicherheit auch anstrengend war, all dem die ganze Zeit aufmerksam zu folgen. Das Publikum schaffte es nach Gig-Ende auch, die Band mit vielen Zugabe-Rufen auf die Bühne zurückzuholen. Überraschenderweise zeigte Garm seine witzige Seite und kündigte an, als Zugabe nun das komplette Album „Nattens Madrigal…” in einer einstündigen Version zu spielen. Natürlich gab es nur noch einen kurzen Song, nämlich „Hallways of Always“, der nun etwas mehr „Leben in die Bude“ brachte. Nach nochmaligem bemerkenswertem Applaus fand der Gig sein Ende und ich war froh, Ulver nun endlich einmal live erlebt zu haben trotz oder vielleicht wegen ihrer vielen Stilwechsel und der ständigen Weiterentwicklung. Im Gegensatz zu Zweizz machen Ulver mit SICHERHEIT Kunst, auch wenn die momentane Psychedelic-Schiene sicher nicht jedermanns Fall ist.
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