Waldgeflüster, Soleil Gris, Abandoned Dreams, Fagus

5. Mai 2012 - JIG Grafing

(Bericht: Surtr)

An einem schönen Samstagabend im Mai, die Vögel zwitschern, die Bienlein summen, finden sich im gemütlichen JIG Grafing vier Bands ein um die kitschige Frühlingsszenerie mit ihrer Musik aufzumischen. Drei Schwarzmetall-Combos (Waldgeflüster, Abandoned Dreams und Fagus), sowie ein Stoner-Rock-Sprößling (Soleil Gris) sollten eine interessante Mischung abgeben.

Los geht es mit Fagus, die 45 Minuten später als angesetzt die Bühne entern und dabei schier endlos lange brauchen. Schnell wird klar, dass den Hörer hier eher ungeformte Kost einer jungen Band erwartet, die gerade noch im Anfangsstadium steckt und, wie viel zu viele Bands heutzutage, die Bühne erklimmt ohne zu wissen, was sie eigentlich will. Nun, jeder hat mal klein angefangen. An sich ist die Kombination Gesang, Gitarre, Gitarre, E-Geige und Schlagzeug ja recht interessant. Gar wenn es sich um Black Metal handelt. Das Arrangement der Geige wirkt sogar gut umgesetzt. Man befürchtet ja nun doch, aufgrund bereits erlebter Experimente mit klassischen Instrumenten im Münchner Raum, ein arges Schief-Ton-Massaker. Hier übernimmt die „erste Geige“ sprichwörtlich sowohl die Hooks als auch das atmosphärische Grundgerüst. Das wäre es dann allerdings auch schon an positiver Überraschung gewesen, da an fast allen anderen Ecken ordentlich Putz bröckelt. Monotoner Kreischgesang trifft (trotz offensichtlichen Clicks über Kopfhörer) untightes Schlagzeug trifft wirres Songwriting. Nun ja, wie gesagt, jeder hat mal klein angefangen, aber hier sollten noch mal ordentlich Überstunden geschoben werden. 

Angenehmer geht es mit Abandoned Dreams weiter, die anfangs vollkommen belanglos erscheinen. Doch spätestens mit Song Nummer drei „The Longest Roads/The Darkest Ways“ wird einem das Potenzial hinter der Band bewusst, die hammergeilen atmosphärischen Black Metal spielen. Der Begriff „Epik“ taucht schnell im Hirn auf. An sich macht der Vierer vieles richtig, doch gibt es auch Punkte, an denen man sich ein wenig auflehnen kann. Tempo- und spielflußhemmende Ecken und Kanten fehlen zwar zum Glück, dafür aber auch signifikante Details, die die Songs eingängig machen. 
In Punkto Tightness und Können kann man sich bis auf die junge Dame am Bass, die an diesem Abend nicht den besten Tag erwischt hat, nicht beschweren. Definitiv eine Band, die man im Hinterkopf behalten darf. Irgendwo zwischen den hymnenhaften Enslaved-Riffs und den zigtausend Bands von Neige aus Frankreich. Setlist: Last Days of Summer - Ember and Frost - The Longest Roads/The Darkest Ways - And then I died - Discouraged Hopes - My Own End - The Bitter Taste of Life

Von Black Metal geht es nun über zu Desert/Stoner-Rock aus dem Hause Soleil Gris. Das Trio um Bassist/Sänger Max Marquardt (welchen manch einer noch von Helfahrt kennt) spielt grandiosen, lässigen Stoner Rock, der ab und an mit Sludge kokettiert und hier und da auch eher simplem Hard Rock weicht. 

Von Anfang an dringen Kyuss an allen Ecken und Enden aus dem Dickicht hervor. Doch im Gegensatz zu den Gottvätern bringen Soleil Gris ihre Songs weniger rotzig und psychedelisch an den Mann sondern legen den Fokus eher auf den Druck, das Publikum zum Abgehen zu bringen, nicht darauf, von der Musik high zu werden. Zwar ohne Orange-Amps, dafür mit umso mehr Fingerspitzengefühl für den richtigen Sound an der Saitenmechanik kommt genau das richtige Flair auf, welches man sich von einem Stoner-Rock-Gig erwartet. Dazu ein arschtightes Schlagzeug, nach dem man die Uhr stellen kann, was aber trotzdem von vorne bis hinten groovt. Wahnsinn! Hier erkennt man, wer sein Instrument beherrscht: So tight zu spielen und dann noch die Zeit zu finden zwischen den Beats die Drumsticks in der Hand kreiseln zu lassen, dem gebührt Respekt. Stimmlich steht Max Marquardt der instrumentalen Perfektion in nichts nach. Mir fallen dazu nur zwei Worte ein, welche die Stimmgewalt auf einen Nenner bringen: „Bad Ass“.
Dazu eine durchgehende Schwarz-Weiß-Videoshow, die von Atombomben und Sergio Leone geprägt sind. Einzig nerviger Nebeneffekt hierbei: Die projizierte Symbolleiste des Betriebssystems, welches Marquardt von Anfang bis Ende ein „Open-Office“-Symbol auf die Wangen zaubert. Songs wie „Frozen Desert“ und „Valley of Doom“ mögen vor allem wegen ihres Spagats zwischen den angesprochenen Stilen überzeugen. Hört man an der einen Stelle Cough-Riffs heraus, stecken an der anderen Stelle wieder das Feeling einer „Blues for the Red Sun“.

Für mich kann dieser Gig nicht besser verlaufen. Er gibt mir genau das, was ich haben möchte. Wer sich im Münchner Raum beschwert, außer Yuma keine anständige Stoner-Kost geboten zu bekommen, der darf sich gerne näher mit Soleil Gris beschäftigen. „So do I!“ Setlist: Subconscious Plains of an Emerald Isle - When Wind became Earth - Frozen Desert – Goatrider - Riders of Orion - Valley of Doom.

Die Headliner des Abends sind keine geringeren als die großartigen Waldgeflüster, die Presselieblinge des Ragnarök-Festivals. Schön, eine solche Band in dieser gemütlichen Atmosphäre spielen zu sehen. Denn Waldgeflüster haben es, wenn es so weiter geht, bald nicht mehr nötig solche Gigs zu spielen. Tatsächlich ist der kleine Raum des JIG bald rappelvoll, was der Atmosphäre ordentlich entgegenkommt. 
Auch wenn mich anfangs diese Band nicht interessiert hat, so muss ich zugeben, dass sie mich heute doch so arg vom Hocker reißt, dass ich mich irgendwann gar komplett versunken im Songgeflecht vorfinde. Waldgeflüster machen verdammt noch mal alles richtig. Jeder Ton stimmt, jeder Riff, jeder Song, alles. Das kann es doch nicht geben, dass man wirklich alles genial findet. Wie geht so etwas? Ich weiß es nicht, und bevor mich dieses „Problem“ fertig macht, gebe ich mich am besten einfach nur dem Gesamtwerk hin, welches von vorne bis hinten episch ist. Mehr noch: Ist es doch perfekt ausgearbeitet, ungeheuerlich kraftvoll und majestätisch. Die Liste der Prädikate mag kein Ende nehmen. 
Songs wie „Steinwüsten“ und „Wotan Sang“ markieren am besten die Pracht, die aus den Boxen dröhnt. Wer meint, hier wird geheuchelt, mag sich gerne selber ein Bild von dieser Band machen. Er wird ebenso sprachlos sein.
Denn Waldgeflüster haben den Stand erreicht, unabhängig von Vergleichen zu sein. Klar, man kann die Band irgendwo zwischen Alcest, Wolves in the Throne Room und einer härteren Form von Agalloch versuchen festzumachen, aber das sind nur grobe Ansätze und darauf kann die Band echt stolz sein. Gerne wieder! Dieser Gig hat süchtig gemacht. Setliste: Seenland - Herbst befiel das Land – Steinwüsten - Wotan Sang - Interlude 2 – Nacht – Fichtenhain, und die heiß umjubelte Zugabe Erster Schnee.

So endet dann ein recht entspannter Abend der zwar hier und da ein paar Schnitzer zu verzeichnen hatte. Beispielsweise ist es doch verwunderlich, wenn bei der ersten Band erst nach zwei Minuten nach und nach die Kanäle auf die PA verlagert werden. Ebenso ist es mal wieder schade, wenn sich das Publikum die meiste Zeit vor der Location aufhält anstatt sich die Bands anzusehen. Aber das sind Punkte von denen man absehen kann. Alles in allem bleibt ein arg angenehmer Konzertabend.  

 

 

<<<zurück zu den Konzertberichten

 

besucherzählerXStat.de