Winterfest 

Deicide, Samael, Vader, Devian, Order of Ennead, The Amenta

Wörgl/Österreich, 19. Januar 2009, "Komma"

(Bericht: Twilightheart)

Da es ja momentan Trend zu sein scheint, jeder Tour (auch wenn nur 3 oder 4 Bands teilnehmen) einen eigenen Namen zu geben, verwundert es natürlich überhaupt nicht, dass es auch eine sogenannte „Winterfest“-Tour gab. Headliner war niemand Geringeres als Deicide, zusammen mit Samael und Vader. Aber auch die Band von Ex-Marduk-Frontmann Legion, „Devian“, und die Band des Deicide-Drummers Steve Asheim, „Order of Ennead“, waren mit von der Partie. 

Doch den Anfang sollten „The Amenta“ machen, eine mir völlig unbekannte Band aus Australien. Diese spielten schon, als wir in Wörgl (Österreich) im „Komma“ ankamen. Das „Komma“ ist eine relativ grosse Location mit mehreren Stockwerken, so dass man von der Bar zur Garderobe oder zur Konzerthalle immer das Stockwerk wechseln muss. Dafür ist das Ganze aber hyper-modern und sieht sehr edel aus. Ein paar bekannte Gesichter aus Bayern waren auch schon da (der Gig in Stuttgart war abgesagt worden, andere Gigs in Süddeutschland waren nicht angesetzt, so dass der „harte Kern“ wieder auf Österreich ausweichen musste).
Die kleine Halle, in der der Gig stattfand, ist ganz oben im Gebäude und hat nicht 4, sondern 8 Ecken und eine ziemlich niedrige Decke, wodurch ein absolut unglaublich guter Klang zustande kommt. Egal, wo man steht, man hört überall alle Instrumente gleichmäßig und tadellos. Mit Sicherheit trug auch der Mischer seinen Teil dazu bei, denn ich habe noch nie im Leben bei einem Metal-Gig so einen glasklaren, fantastischen Sound gehört wie im „Komma“ an diesem Abend!
Dies war eine wunderbare Entschädigung für die Reise (denn ich hatte lange überlegt, ob ich mir diesen Gig an einem Montag Abend wirklich geben soll, nach einem langen Arbeitstag und danach frühs auch wieder 5 Uhr aufstehen). Und auch der Fotograben war eine schöne Entschädigung, denn er war riesig (da die Bühne quer stand) und es waren nur 2 weitere Fotografinnen anwesend (auch Zeitlimits oder sonstige Repressalien gab es nicht). Wunderbar.
Doch zurück zu „The Amenta“! Diese waren allesamt im Gesicht schwarz angemalt und hatten hellblaue Kontaktlinsen drin. Der visuelle Grusel passte meiner Meinung nach gar nicht zu ihrer Musik, einer Art Death-Metal mit Industrial-Einschlag. Hämmernde Beats dominierten ihre Songs, sowie tiefes Gegrunze des Frontmanns Jarrod. Alle in der Band gaben sich extrem viel Mühe und überboten sich an Action und freakiger Mimik gegenseitig. Der Keyboarder grölte (obwohl er vor’m Mund kein Mikro hatte) die Refrains so laut mit, dass er mehrere Meter weit zu hören war und den Frontshouter beinahe übertönte. Soviel Engagement ist natürlich lobenswert, und auch die tief-grummelnden Basslinien waren wirklich geil, aber vom Stil her passte die Band irgendwie nicht in dieses Tour-Package. Insofern erstaunte es nicht wirklich, dass sich zu diesem Zeitpunkt nur ca. 40 Leute in der Halle aufhielten, während die meisten anderen erst’mal die Bar auskundschafteten. 

Bei „Order of Ennead“ waren es da doch gleich viel mehr Zuschauer, so an die 150. Wer sich vorher über die Bands erkundigt hatte (oder einfach nur Deicide-Fan ist) wusste dann ja auch, dass in dieser Band einige (Ex-)Deicide-Mitglieder zugange sind, nämlich Kevin und Steve. Da erwartet man natürlich von vornherein Qualität, auch wenn die Band erst ein Album veröffentlicht hat („Order of Ennead“/ 2008). Die Amerikaner spielten natürlich Death, aber dieser mit einem ordentlichen Schuss Black. Aus welchem Hut haben die Herren eigentlich Leadgitarrist John Li gezaubert und warum hat man von ihm vorher noch nie gehört? Er kann spielen, dass einem schwindlig wird. Er fabrizierte ein kniffliges Riff nach dem anderen und bei den Soli konnte man seinen Fingern kaum folgen. Und all das top-sauber gespielt. Natürlich konnte man auch Schlagzeuger Steve nichts nachsagen, er trommelte souverän und akkurat vor sich hin, während der Sänger Unterstützung an den Saiten gab und neben dem Growling auch immer noch Zeit fand, den Fans ein paar Schlagworte zuzurufen, um die Stimmung anzukurbeln. Das Publikum war auch tatsächlich in Geberlaune und honorierte die Qualität, die „Order of Ennead“ boten, mit ehrlich gemeintem, satten Applaus.
Setliste: “Seeking the prophets”, “Refelction, an endless endeavour”, “As long as I have myself I am not alone”, “The culling”, “Introspection and the loss of denial”, “As if a rose I wither”, “Dismantling an empire”.

Devian soundcheckten noch einmal kurz und ich war gespannt darauf, was aus Legion geworden ist, der mir von allem Marduk-Sängern immer der liebste gewesen war. Ich habe ihn kurz nach der Jahrtausendwende das letzte Mal live mit Marduk gesehen. 
Nachdem der Gig begonnen hatte und die Musiker schon eine kurze Weile das Intro gespielt hatten, kam Legion wie ein Jungspund auf die Bühne geschossen und legte ordentlich los. Er war ständig in Bewegung und ich frage mich, wie er dabei singen konnte. Abwechselnd sang er klar und growlend (wobei das mit seinem Gekreische bei Marduk nicht mehr zu vergleichen ist, jetzt bedient er sich viel humanerer Töne und Stimmlagen). Die Musik kann man als eine Mischung aus Black, Death und Thrash bezeichnen, wobei auch viele rockige und sogar leicht mainstreamige Elemente für kurze Momente ihren Weg in die Songs gefunden haben. Wer also meint, in dieser Band einen Ersatz für die alten Marduk zu finden, liegt ganz falsch. 
Alle Musiker waren erstklassig und leisteten sich keinerlei Eskapaden, aber das war ja zu erwarten gewesen. Im übrigen spielt Emil (ebenfalls Ex-Marduk) die Drums.
Die Band hat erst 2 Alben veröffentlicht, eins in 2007 und eins im Dezember 2008. Vom letzteren wurden natürlich fast alle Songs gespielt bei diesem Gig. Gitarrist und Bassist (beides begnadete Poser) waren wild zugange auf der Bühne, sie spielten zeitweilig sogar nebeneinanderstehend... dabei griff einer beim anderen die Saiten, während er aber seine eigenen anschlug. Irre. 
Legion verausgabte sich extrem und war nach so manchem Song außer Puste (natürlich wird auch ein Legion mit der Zeit nicht jünger), wobei man aber zugeben muss, dass er für sein Alter top in Form ist und nichts von seinem früheren Charme eingebüsst hat. Um sich eine kurze Verschnaufpause zwischen einigen Songs zu verschaffen, erzählte er ab und zu etwas über die nun folgenden Songs oder musterte einfach das Publikum, um zu sehen, ob sie die Show genießen oder nicht. 
Trotz der guten Musik (vor allem Freunde schneller, sauberer, virtuoser Gitarrenklänge dürften hieran ihre Freude haben) hatten bereits vor dem Gig wieder einige Leute die kleine Halle verlassen... umso erfreulicher war es, dass etliche nach einer Weile wieder reinkamen. Wahrscheinlich war die gute Musik (die man überall im Gebäude hören konnte) dann doch anziehender als die Bar. 
Ich hoffe, die Band wird in Zukunft ein paar Festivals spielen. Ich persönlich würde gerne mehr von ihnen sehen/hören.

Nachdem die Polen von Vader das Publikum auf deutsch begrüßt hatten, legten sie ohne großes Tamtam los und knüppelten alles in Schutt und Asche. Und obwohl mir einiges vom alten Feuer der Band verloren scheint (vielleicht liegt’s am geänderten Line-Up?) konnten sie mit Songs wie „Silent Empire“, „“Blood of Kingu“ oder „Black to the blind“ immer noch so einige Köpfe zum bängen bringen. 
Besondere Energie oder Action gab es während der Show nicht, man ratterte fehlerlos das Set runter und ab und zu warf der Sänger ein Wort auf deutsch ein („Grossartig“ o.a.), wenn das Publikum applaudierte.
Nachdem am Ende des Gigs alle Musiker vorgestellt wurden, folgte gleich noch „Wings“, und zwar viel schneller als auf dem Album. Ob das zusätzliche Tempo den Song besser macht, sei dahingestellt. Fakt ist, dass man es live sowieso nicht so drummen kann wie auf CD, der Schlagzeuger begnügte sich also damit, die Geschwindigkeit zu halten. Es gab zwar trotzdem relativ viel Applaus dafür, aber der reichte nicht, um die Band zu einer weiteren Zugabe zu bewegen. Mit „Tschüß“ verabschiedete man sich sofort wurde mit dem Umbau der Bühne begonnen.

Nun wurde es voll. Während man AC/DCs „Highway to hell“ in einer Endlosschleife abspielte, sammelten sich so an die 350 Leute in der Halle, um Samael zu sehen.
Während des mystischen Intros waren im Dunkeln einige weiße Lichtkegel zu sehen, die sich zu Lichtspielen formierten, dann wurde die Bühne schlagartig in rotes Licht und Nebel getaucht und Samael kamen auf die Bühne. Sofort gab es riesen Jubel und die Band legte mit einem ihrer alten, langsamen Stücke los. Percussionist Xy schlug wie ein Wilder auf seine Percussions ein und sprang dabei alle paar Sekunden in die Luft. Auch der Bassist sprang bei fast jeder Note in die Höhe und überhaupt waren alle Bandmitglieder (ausser Sänger und Gitarrist Vorph) sehr agil. Was Samael da auf der Bühne abzogen, kann man guten Gewissens eine echte Show nennen. Musik, Performance und Licht zusammen ergaben ein sagenhaftes Spektakel. 
Leider folgten in der ersten Hälfte des Gigs erst’mal viele der synthesizerlastigen, schnellen Tanznummern, die die Schweizer nach ihrem Stilwechsel veröffentlicht hatten. Und ich möchte meinen, dass das Publikum nicht wirklich darauf ansprang. Vorph bezeichnete das Publikum iregndwann halb scherzhaft, halb ernsthaft als „sleepy“. So richtig Stimmung kam erst auf, als die ganzen alten, wuchtigen Nummern gespielt wurden. Mit dabei waren auf jeden Fall „Rain“, „My Saviour“, „Baphomet’s Throne“, „Into the pentagram“, „Rebellion“ und „Reign of light“. Vorph schien jede einzelne gesungene Zeile richtig auszuleben, denn er sang engagiert und hingebungsvoll. Man konnte kaum den Blick von ihm abwenden, obwohl nebenan die anderen Musiker beinahe einen Ausdruckstanz zum Klang ihrer Instrumente hinlegten.
Eine kleine Panne gab es noch, als das Mikro des Frontmanns direkt aus der Halterung fiel und sich sekundenlang nichts tat. Als er dann beinahe schon sein Gitarrenspiel unterbrechen wollte, um das Mikro selbst aufzuheben, kam doch noch ein Roadie gerannt. 
Am Ende des grandiosen Gigs verabschiedete man sich mit Kusshand, der Bass blieb auf der Bühne liegen und selbst das Outro wurde abrupt abgebrochen. Ein  theatralisches Ende für einen filmreifen Gig...

Deicide! Sowohl die Band als auch der Song „Deicide“ erschlugen einen beinahe. Ein Glen Benton, der so grimmig schaute, dass selbst ich ihm nicht allein im Dunkeln begegnen möchte, betrat die Bühne mit dem aktuellen Line-Up (Gitarrengott Ralph Santolla, Steve Asheim und Jack Owen) und sorgte in null komma zwei Sekunden für Begeisterung. „Dead by dawn“, „Once upon the cross“, Scars of the crucifix“ und „The stench of redemption“ wurden runtergetrümmert, und manch einem wird auffallen, dass dies die selbe Reihenfolge wie auf der 2007 erschienenen Live-DVD ist. Warum diese promotet wurde (und nicht das 2008 erschienene neue Album) ist mir ein Rätsel (vielleicht weil Ralph Santolla das neue Album nicht eingespielt hat, wohl aber alle Songs der Live-DVD?). Die Fans jedenfalls (inzwischen waren über 400 Leute da) hat es wohl gefreut, denn sie gingen sofort ab wie Schmidt’s Katze. „Death to Jesus“, „Desecration“, „Serpents of the ligth“ und „Bastard of christ“ folgten und es blieb natürlich nicht aus, dass es Zwischenfälle gab (womit ich nicht die kleinen Verspielerchen eines Bandmitglieds meine). Glen Benton spuckte sein Bier (wahrscheinlich unabsichtlich) so in’s Publikum, dass davon eine der Fotografinnen nass wurde. Ich weiß nicht, ob es ein Freund von ihr war oder ob es Zufall war, aber direkt danach kam aus dem Publikum ein voller Bierbecher zurückgeflogen, der Glen Benton’s Gesicht nur um ein paar Zentimeter verfehlte (und das Bier machte die ganze Bühne rutschig). Sein Gesicht verfinsterte sich und ich vermutete schon, dass er gleich die Bühne zerstört (oder wahlweise den werfenden Besucher), aber er riss sich zusammen und begnügte sich mit noch finsterer Mimik als zuvor. Aber irgendwie kam er dadurch gleich noch viel authentischer rüber. 

Ich frage mich sowieso, wie der bekennende Christ Santolla und Satanist Benton so friedlich nebeneinander existieren können, ohne sich zu zerfleischen. Die Musik macht’s möglich (und höchstwahrscheinlich sind solche Ausnahme-Gitarristen Mangelware). 
„When Satan rules this world“, „Holy deception“, „Dead but dreaming“, “Behind the light thou shall rise” und “When heaven burns” wurden gespielt und es bildete sich ein riesen Moshpit vor der Bühne. Einer der angestellten Security mischte sich öfter mal unter die Menge, um größere Eskalationen rechtzeitig zu erkennen, da schon einige Personen durch’s Rempeln zu Boden gegangen waren (wenn auch quasi „freiwillig“). 
Es folgten noch „Homage for Satan“, „Lunatic of God’s creation“, das von den Fans sehnsüchtig erwartete „Kill the Christian“ und „Sacrificial suicide“, womit ein brachialer und gelungener Gig in typischer Deicide-Manier sein Ende in heftigem Applaus und vielen Zugabe-Rufen fand. 

Nach dem Gig durften wir noch die Bekanntschaft mit dem sehr gut gelaunten Legion erneuern, der sich gerade als spaßiger Ulkbolzen betätigte. Das schreit ja förmlich danach, demnächst mal wegen eines Interviews bei ihm anzufragen....

 

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