Da
es ja momentan Trend zu sein scheint, jeder Tour (auch wenn nur 3 oder 4
Bands teilnehmen) einen eigenen Namen zu geben, verwundert es natürlich
überhaupt nicht, dass es auch eine sogenannte „Winterfest“-Tour
gab. Headliner war niemand Geringeres als Deicide, zusammen mit Samael
und Vader. Aber auch die Band von Ex-Marduk-Frontmann Legion, „Devian“,
und die Band des Deicide-Drummers Steve Asheim, „Order of Ennead“,
waren mit von der Partie.
Doch
den Anfang sollten „The Amenta“ machen, eine mir völlig
unbekannte Band aus Australien. Diese spielten schon, als wir in Wörgl
(Österreich) im „Komma“ ankamen. Das „Komma“ ist eine relativ
grosse Location mit mehreren Stockwerken, so dass man von der Bar zur
Garderobe oder zur Konzerthalle immer das Stockwerk wechseln muss. Dafür
ist das Ganze aber hyper-modern und sieht sehr edel aus. Ein paar
bekannte Gesichter aus Bayern waren auch schon da (der Gig in Stuttgart
war abgesagt worden, andere Gigs in Süddeutschland waren nicht
angesetzt, so dass der „harte Kern“ wieder auf Österreich
ausweichen musste).
Die kleine Halle, in der der Gig stattfand, ist ganz oben im Gebäude
und hat nicht 4, sondern 8 Ecken und eine ziemlich niedrige Decke,
wodurch ein absolut unglaublich guter Klang zustande kommt. Egal, wo man
steht, man hört überall alle Instrumente gleichmäßig und tadellos.
Mit Sicherheit trug auch der Mischer seinen Teil dazu bei, denn ich habe
noch nie im Leben bei einem Metal-Gig so einen glasklaren, fantastischen
Sound gehört wie im „Komma“ an diesem Abend!
Dies war eine wunderbare Entschädigung für die Reise (denn ich hatte
lange überlegt, ob ich mir diesen Gig an einem Montag Abend wirklich
geben soll, nach einem langen Arbeitstag und danach frühs auch wieder 5
Uhr aufstehen). Und auch der Fotograben war eine schöne Entschädigung,
denn er war riesig (da die Bühne quer stand) und es waren nur 2 weitere
Fotografinnen anwesend (auch Zeitlimits oder sonstige Repressalien gab
es nicht). Wunderbar.
Doch
zurück zu „The Amenta“! Diese waren allesamt im Gesicht schwarz
angemalt und hatten hellblaue Kontaktlinsen drin. Der visuelle Grusel
passte meiner Meinung nach gar nicht zu ihrer Musik, einer Art
Death-Metal mit Industrial-Einschlag. Hämmernde Beats dominierten ihre
Songs, sowie tiefes Gegrunze des Frontmanns Jarrod. Alle in der Band
gaben sich extrem viel Mühe und überboten sich an Action und freakiger
Mimik gegenseitig. Der Keyboarder grölte (obwohl er vor’m Mund kein
Mikro hatte) die Refrains so laut mit, dass er mehrere Meter weit zu hören
war und den Frontshouter beinahe übertönte. Soviel Engagement ist natürlich
lobenswert, und auch die tief-grummelnden Basslinien waren wirklich
geil, aber vom Stil her passte die Band irgendwie nicht in dieses
Tour-Package. Insofern erstaunte es nicht wirklich, dass sich zu diesem
Zeitpunkt nur ca. 40 Leute in der Halle aufhielten, während die meisten
anderen erst’mal die Bar auskundschafteten.
Bei
„Order of Ennead“ waren es da doch gleich viel mehr
Zuschauer, so an die 150. Wer sich vorher über die Bands erkundigt
hatte (oder einfach nur Deicide-Fan ist) wusste dann ja auch, dass in
dieser Band einige (Ex-)Deicide-Mitglieder zugange sind, nämlich Kevin
und Steve. Da erwartet man natürlich von vornherein Qualität, auch
wenn die Band erst ein Album veröffentlicht hat („Order of Ennead“/
2008). Die Amerikaner spielten natürlich Death, aber dieser mit einem
ordentlichen Schuss Black. Aus welchem Hut haben die Herren eigentlich
Leadgitarrist John Li gezaubert und warum hat man von ihm vorher noch
nie gehört? Er kann spielen, dass einem schwindlig wird. Er fabrizierte
ein kniffliges Riff nach dem anderen und bei den Soli konnte man seinen
Fingern kaum folgen. Und all das top-sauber gespielt. Natürlich konnte
man auch Schlagzeuger Steve nichts nachsagen, er trommelte souverän und
akkurat vor sich hin, während der Sänger Unterstützung an den Saiten
gab und neben dem Growling auch immer noch Zeit fand, den Fans ein paar
Schlagworte zuzurufen, um die Stimmung anzukurbeln. Das Publikum war
auch tatsächlich in Geberlaune und honorierte die Qualität, die
„Order of Ennead“ boten, mit ehrlich gemeintem, satten Applaus.
Setliste:
“Seeking the prophets”, “Refelction, an endless endeavour”,
“As long as I have myself I am not alone”, “The culling”,
“Introspection and the loss of denial”, “As if a rose I wither”,
“Dismantling an empire”.
Devian
soundcheckten noch einmal kurz und ich war gespannt darauf, was aus
Legion geworden ist, der mir von allem Marduk-Sängern immer der liebste
gewesen war. Ich habe ihn kurz nach der Jahrtausendwende das letzte Mal
live mit Marduk gesehen.
Nachdem der Gig begonnen hatte und die Musiker schon eine kurze Weile
das Intro gespielt hatten, kam Legion wie ein Jungspund auf die Bühne
geschossen und legte ordentlich los. Er war ständig in Bewegung und ich
frage mich, wie er dabei singen konnte. Abwechselnd sang er klar und
growlend (wobei das mit seinem Gekreische bei Marduk nicht mehr zu
vergleichen ist, jetzt bedient er sich viel humanerer Töne und
Stimmlagen). Die Musik kann man als eine Mischung aus Black, Death und
Thrash bezeichnen, wobei auch viele rockige und sogar leicht
mainstreamige Elemente für kurze Momente ihren Weg in die Songs
gefunden haben. Wer also meint, in dieser Band einen Ersatz für die
alten Marduk zu finden, liegt ganz falsch.
Alle Musiker waren erstklassig und leisteten sich keinerlei Eskapaden,
aber das war ja zu erwarten gewesen. Im übrigen spielt Emil (ebenfalls
Ex-Marduk) die Drums.
Die Band hat erst 2 Alben veröffentlicht, eins in 2007 und eins im
Dezember 2008. Vom letzteren wurden natürlich fast alle Songs gespielt
bei diesem Gig. Gitarrist und Bassist (beides begnadete Poser) waren
wild zugange auf der Bühne, sie spielten zeitweilig sogar
nebeneinanderstehend... dabei griff einer beim anderen die Saiten, während
er aber seine eigenen anschlug. Irre.
Legion verausgabte sich extrem und war nach so manchem Song außer Puste
(natürlich wird auch ein Legion mit der Zeit nicht jünger), wobei man
aber zugeben muss, dass er für sein Alter top in Form ist und nichts
von seinem früheren Charme eingebüsst hat. Um sich eine kurze
Verschnaufpause zwischen einigen Songs zu verschaffen, erzählte er ab
und zu etwas über die nun folgenden Songs oder musterte einfach das
Publikum, um zu sehen, ob sie die Show genießen oder nicht.
Trotz der guten Musik (vor allem Freunde schneller, sauberer, virtuoser
Gitarrenklänge dürften hieran ihre Freude haben) hatten bereits vor
dem Gig wieder einige Leute die kleine Halle verlassen... umso
erfreulicher war es, dass etliche nach einer Weile wieder reinkamen.
Wahrscheinlich war die gute Musik (die man überall im Gebäude hören
konnte) dann doch anziehender als die Bar.
Ich hoffe, die Band wird in Zukunft ein paar Festivals spielen. Ich persönlich
würde gerne mehr von ihnen sehen/hören.
Nachdem
die Polen von Vader das Publikum auf deutsch begrüßt hatten,
legten sie ohne großes Tamtam los und knüppelten alles in Schutt und
Asche. Und obwohl mir einiges vom alten Feuer der Band verloren scheint
(vielleicht liegt’s am geänderten Line-Up?) konnten sie mit Songs wie
„Silent Empire“, „“Blood of Kingu“ oder „Black to the
blind“ immer noch so einige Köpfe zum bängen bringen.
Besondere Energie oder Action gab es während der Show nicht, man
ratterte fehlerlos das Set runter und ab und zu warf der Sänger ein
Wort auf deutsch ein („Grossartig“ o.a.), wenn das Publikum
applaudierte.
Nachdem am Ende des Gigs alle Musiker vorgestellt wurden, folgte gleich
noch „Wings“, und zwar viel schneller als auf dem Album. Ob das zusätzliche
Tempo den Song besser macht, sei dahingestellt. Fakt ist, dass man es
live sowieso nicht so drummen kann wie auf CD, der Schlagzeuger begnügte
sich also damit, die Geschwindigkeit zu halten. Es gab zwar trotzdem
relativ viel Applaus dafür, aber der reichte nicht, um die Band zu
einer weiteren Zugabe zu bewegen. Mit „Tschüß“ verabschiedete man
sich sofort wurde mit dem Umbau der Bühne begonnen.
Nun
wurde es voll. Während man AC/DCs „Highway to hell“ in einer
Endlosschleife abspielte, sammelten sich so an die 350 Leute in der
Halle, um Samael zu sehen.
Während des mystischen Intros waren im Dunkeln einige weiße Lichtkegel
zu sehen, die sich zu Lichtspielen formierten, dann wurde die Bühne
schlagartig in rotes Licht und Nebel getaucht und Samael kamen auf die Bühne.
Sofort gab es riesen Jubel und die Band legte mit einem ihrer alten,
langsamen Stücke los. Percussionist Xy schlug wie ein Wilder auf seine
Percussions ein und sprang dabei alle paar Sekunden in die Luft. Auch
der Bassist sprang bei fast jeder Note in die Höhe und überhaupt waren
alle Bandmitglieder (ausser Sänger und Gitarrist Vorph) sehr agil. Was
Samael da auf der Bühne abzogen, kann man guten Gewissens eine echte
Show nennen. Musik, Performance und Licht zusammen ergaben ein
sagenhaftes Spektakel.
Leider
folgten in der ersten Hälfte des Gigs erst’mal viele der
synthesizerlastigen, schnellen Tanznummern, die die Schweizer nach ihrem
Stilwechsel veröffentlicht hatten. Und ich möchte meinen, dass das
Publikum nicht wirklich darauf ansprang. Vorph bezeichnete das Publikum
iregndwann halb scherzhaft, halb ernsthaft als „sleepy“. So richtig
Stimmung kam erst auf, als die ganzen alten, wuchtigen Nummern gespielt
wurden. Mit
dabei waren auf jeden Fall „Rain“, „My Saviour“, „Baphomet’s
Throne“, „Into the pentagram“, „Rebellion“ und „Reign of
light“. Vorph schien jede einzelne
gesungene Zeile richtig auszuleben, denn er sang engagiert und
hingebungsvoll. Man konnte kaum den Blick von ihm abwenden, obwohl
nebenan die anderen Musiker beinahe einen Ausdruckstanz zum Klang ihrer
Instrumente hinlegten.
Eine
kleine Panne gab es noch, als das Mikro des Frontmanns direkt aus der
Halterung fiel und sich sekundenlang nichts tat. Als er dann beinahe
schon sein Gitarrenspiel unterbrechen wollte, um das Mikro selbst
aufzuheben, kam doch noch ein Roadie gerannt.
Am Ende des grandiosen Gigs verabschiedete man sich mit Kusshand, der
Bass blieb auf der Bühne liegen und selbst das Outro wurde abrupt
abgebrochen. Ein theatralisches
Ende für einen filmreifen Gig...
Deicide!
Sowohl die Band als auch der Song „Deicide“ erschlugen einen
beinahe. Ein Glen Benton, der so grimmig schaute, dass selbst ich ihm
nicht allein im Dunkeln begegnen möchte, betrat die Bühne mit dem
aktuellen Line-Up (Gitarrengott Ralph Santolla, Steve Asheim und Jack
Owen) und sorgte in null komma zwei Sekunden für Begeisterung. „Dead
by dawn“, „Once upon the cross“, Scars of the crucifix“ und „The
stench of redemption“ wurden runtergetrümmert, und manch einem wird
auffallen, dass dies die selbe Reihenfolge wie auf der 2007 erschienenen
Live-DVD ist. Warum diese promotet wurde (und nicht das 2008 erschienene
neue Album) ist mir ein Rätsel (vielleicht weil Ralph Santolla das neue
Album nicht eingespielt hat, wohl aber alle Songs der Live-DVD?). Die
Fans jedenfalls (inzwischen waren über 400 Leute da) hat es wohl
gefreut, denn sie gingen sofort ab wie Schmidt’s Katze. „Death to
Jesus“, „Desecration“, „Serpents of the ligth“ und „Bastard
of christ“ folgten und es blieb natürlich nicht aus, dass es
Zwischenfälle gab (womit ich nicht die kleinen Verspielerchen eines
Bandmitglieds meine). Glen Benton spuckte sein Bier (wahrscheinlich
unabsichtlich) so in’s Publikum, dass davon eine der Fotografinnen
nass wurde. Ich weiß nicht, ob es ein Freund von ihr war oder ob es
Zufall war, aber direkt danach kam aus dem Publikum ein voller
Bierbecher zurückgeflogen, der Glen Benton’s Gesicht nur um ein paar
Zentimeter verfehlte (und das Bier machte die ganze Bühne rutschig).
Sein Gesicht verfinsterte sich und ich vermutete schon, dass er gleich
die Bühne zerstört (oder wahlweise den werfenden Besucher), aber er
riss sich zusammen und begnügte sich mit noch finsterer Mimik als
zuvor. Aber irgendwie kam er dadurch gleich noch viel authentischer rüber.
Ich
frage mich sowieso, wie der bekennende Christ Santolla und Satanist Benton
so friedlich nebeneinander existieren können, ohne sich zu zerfleischen.
Die Musik macht’s möglich (und höchstwahrscheinlich sind solche
Ausnahme-Gitarristen Mangelware).
„When Satan rules this world“, „Holy deception“, „Dead but
dreaming“, “Behind the light thou shall rise” und “When heaven
burns” wurden gespielt und es bildete sich ein riesen Moshpit vor der Bühne.
Einer der angestellten Security mischte sich öfter mal unter die Menge,
um größere Eskalationen rechtzeitig zu erkennen, da schon einige
Personen durch’s Rempeln zu Boden gegangen waren (wenn auch quasi
„freiwillig“).
Es folgten noch „Homage for Satan“, „Lunatic of God’s creation“,
das von den Fans sehnsüchtig erwartete „Kill the Christian“ und „Sacrificial
suicide“, womit ein brachialer und gelungener Gig in typischer
Deicide-Manier sein Ende in heftigem Applaus und vielen Zugabe-Rufen
fand.
Nach
dem Gig durften wir noch die Bekanntschaft mit dem sehr gut gelaunten Legion
erneuern, der sich gerade als spaßiger Ulkbolzen betätigte. Das schreit
ja förmlich danach, demnächst mal wegen eines Interviews bei ihm
anzufragen....
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