GERNOTSHAGEN

Interviewpartner: Askan (Gesang) und Daimonicon (Gitarre)
Fragen von:
Anja (per e-mail)
Zeit: 09. März 2008


Anja > Seit etwas mehr als einem Jahr ist nun eure aktuelle Scheibe „Märe aus wäldernen Hallen“ auf dem Markt. Wie sind die Reaktionen der Fans darauf und wie ist es euch im vergangenen Jahr als Band ergangen?

Gernotshagen > Insgesamt können wir auf eine sehr positive Resonanz bezüglich des aktuellen Albums zurück blicken. Vor Allem die direkten Reaktionen der Fans im Gästebuch unserer Homepage (gernotshagen.de) oder auf Myspace (myspace.com/gernotshagenmusik) freuen uns sehr. Ebenso war uns die Presse in ihrem Urteil wohlwollend gestimmt.
Das vergangene Jahr startete im Frühjahr mit unserer ersten Europa-Tour gemeinsam mit Heidevolk aus den Niederlanden, was sehr viel Spaß machte. Nach kurzer Auszeit begannen wir mit der Arbeit an neuem Songmaterial für das nächste Album, was derzeit neben der Live-Präsenz unsere Hauptaufgabe als Band darstellt.

Anja > Zwischen „Wintermythen“, eurem grandiosen Debut, und dem aktuellen Silberling liegt eine ganze Menge kreativer und zeitlicher Abstand. Was führte zu dieser langjährigen „Pause“?

Gernotshagen > Zunächst einmal ist der Ausdruck „langjährige Pause“ völlig falsch. Nach der Veröffentlichung unseres ersten Albums arbeiteten wir hart an der Verwirklichung unseres eigenen Studios mit dazugehörigem Proberaum, wo wir nun jederzeit intensiv und professioneller an unserer Musik arbeiten können. Wir haben in dieser langen Zeit, die durchaus notwendig war, auch an neuen Stücken sowie organisatorischen Dingen gefeilt wie z.B. den Merchandising Bereich mit neuen Shirts usw., Tourplanung und Konzert-Management siehe „Hard as Iron“. Das alles ist natürlich nicht ohne die entsprechenden finanziellen Mittel möglich, als auch das dadurch erarbeitete Geld zu investieren, um unsere Pläne mit Gernotshagen zu verwirklichen. In der eigenen Tasche blieb nie was hängen aber dafür konnten wir z.B. unser Studio weiter ausbauen.

Anja > Wo liegen eure Inspirationsquellen?

Gernotshagen > Musikalisch gesehen in jeder erdenklichen Art von wirklich „guter“ Musik. Durch unseren, persönlich völlig unterschiedlichen Musikgeschmack sind wir eigentlich für alles offen. Wir experimentieren sehr gerne mit Stilrichtungen und halten uns auch an nichts direkt fest. Textlich wiederum bietet unsere Heimat und Naturliebe genug Inspiration für neue Stücke. Die Musik und die Texte in einen harmonischen und vor allem wirkenden Eindruck zu bringen liegt da an erster Stelle, als nur ein weiteres Lied auf Platte zu brennen. Die Kombination zu finden macht’s eben.

Anja > Welche Musik präferiert ihr privat und inwiefern hat der persönliche Musikgeschmack Einfluss auf euer eigenes musikalisches Schaffen?

Gernotshagen > Wie eben schon erwähnt bevorzugt jeder einzelne von uns sehr unterschiedliche Musikrichtungen. Einen gemeinsamen Nenner finden wir im Metal! Wir gehen mit offenen Augen und Ohren durch die Welt und lassen uns auch mal beeinflussen von Klassik, Filmmusik, Country, Folk etc. Wir orientieren uns weniger an den derzeit gängigen Pagan-Klischees und machen seit eh und je unser eigenes Ding. 

Anja > Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Label "Trollzorn" zustande?

Gernotshagen > Wir lernten Kai von Trollzorn auf dem Barther Metal Open Air 2006 kennen. Er war von unserer Musik begeistert und kaufte im Nachhinein unser komplettes Merchandise auf. Wir kamen dadurch in ein persönliches Gespräch und machten uns zusammen Gedanken über eine weitere Zusammenarbeit in welcher wir uns auch einigten. SMP/Trollzorn ist unser Vertrieb was aber auch nicht heißen soll, dass sie nur unsere CDs verkaufen. Wir hielten es für eine bessere Idee einen Label-Deal abzulehnen und nur auf diese Art und Weise zu handeln, da wir schon alles in Eigenregie finanziert hatten und auch noch selbst „Herr der Dinge“ sind.

Anja > Beim letztjährigen Ragnarök-Festival war bereits euer neues Lied „Thursenhain“ zu hören. Gibt es schon weiteres Material für die nächste CD-Produktion?

Gernotshagen > Genug Material gibt und gab es immer, allerdings gibt es auch Stücke, die wieder in der Versenkung verschwinden, weil sie z.B. nicht ins Gesamtkonzept passen. Nicht alles, was wir komponiert und mit Text versehen haben, hat auch schon jeder gehört. Thursenhain war so ein Lied, was aber wahrscheinlich auf dem nächsten Album zu hören sein wird. Wir müssen allerdings noch an den weiblichen Gesangsparts feilen und vielleicht kommt das Lied auch ganz und gar ohne diesen Teil aus. Wir werden sehen und halten uns da noch alles völlig offen. Es war von uns ein Lied, was gut in die Tour mit Heidevolk passte und ausserdem wollten wir den Leuten, die auf unserer Tour waren auch ein kleines Extra bieten und nicht nur unser Tourprogramm runterleiern, um die CD anzupreisen. Wir sind und bleiben halt eine Liveband.

Anja > Was ist generell als Nächstes von euch zu erwarten?

Gernotshagen > Wir werden auf jeden Fall versuchen, weiter mit der Musik zu experimentieren, gerade was die musikalische Fülle und den Gesang angeht. Die Problematik bleibt dann wie immer die Live Umsetzung auf der Bühne. Des Weiteren kann ich hier vielleicht auch schonmal verraten, dass ein paar Ideen für Konzeptalben vorliegen; z.B. eins, das sich mit den verschiedensten Kulturen und Bräuchen dieser Erde im musikalischen Sinne auseinander setzen wird. Textlich gesehen wird dann versucht, den Einklang zu schaffen, basierend auf der kulturellen Gleichheit des Naturglaubens und den weltweiten Grundsätzen von Stolz, Respekt, Kriegertum, Leben, Tod usw. Ein gewaltiges Vorhaben, was noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, gerade was die Recherchen angeht. Aber das machen wir wie immer mal nebenbei, haha!

Anja > Beim eben erwähnten Song bzw. dessen Live-Umsetzung war Ivonne (Ex-Odroerir) involviert. Wie kam es zu dieser gemeinschaftlichen Arbeit? Wird es weitere Kollaborationen mit anderen Gastmusikern auf CD und Live geben?

Gernotshagen > Das ergab sich halt in unserer experimentellen Phase. Wie auch schon auf dem ersten Album „Wintermythen“ sind wir von Frauengesang nicht abgeneigt und spielen halt gerne damit, wo es eben reinpasst. Ivonne bot sich da gut an, da sie ja schon bei Odroerir gute Arbeit geleistet hatte und bereits aus dem Genre kam. Weiteren Experimenten mit Gastmusikern sind wir natürlich nicht verschlossen, aber das wird sich dann bei der Aufnahme zur nächsten CD zeigen und entscheiden.

Anja > Was ist euer ganz persönliches Fazit der im Frühjahr 2007 absolvierten Tour mit Heidevolk? Ist bereits eine weitere Tour in Planung? Gibt es abseits davon Termine in 2008, die dem Fan nicht entgehen sollten?

Gernotshagen > Die Tour mit Heidevolk war für beide Bands in musikalischer und menschlicher Hinsicht ein Erlebnis und eine Bereicherung des Erfahrungsschatzes. Die Gelderländer sind mittlerweile zu guten Freunden geworden und wir würden jederzeit wieder mit ihnen den Tourbus entern, um noch einmal so viel Spaß zu haben. Ein kleiner Tipp für jeden, der die Tour noch in guter Erinnerung hat, man kann uns und Heidevolk dieses Jahr auf dem Hörnerfest (04.07.2008; Barmstedt) live erleben. Und wer weiß, vielleicht erschallt dann wieder ein gemeinsames „A-hu“. 
Ansonsten sind wir bisher für einige weitere Festivals bestätigt wie z.B. Hellraiser Festival II (20.03.2008; Leipzig), Waldschrat Open Air (28.06.2008; Nähe Koblenz), Rekwi Festival (18.10.2008; Hof). Außerdem wird es uns im November in die Staaten zum Heathen Crusade 3 nach St. Paul/MN verschlagen. Für Jahresbeginn 2009 ist eine weitere Tour geplant, auf der uns Helfahrt und Odroerir begleiten werden.
Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass derzeit für die Paganfest-Tour mit Ensiferum, Korpiklaani, Moonsorrow, Týr und Eluveitie Votings für lokale Supportbands laufen. Wir haben uns für den Gig am 18.04.2008 in Leipzig beworben und würden uns freuen, wenn unsere Fans fleißig für uns abstimmen.

Anja > Worin seht ihr die Ursachen des derzeitigen Pagan-Booms? Ist es „chic“ heidnisch zu sein?

Gernotshagen > Jaja, dieser Pagan-Boom. Ich denke mal, dass es die Leute zurück zu den Ursprüngen zieht in der heutzutage immer schneller werdenden Lebensweise und in der rücksichtslosen Ausbeutung von Natur und Mensch. Kapitalismus, Sozialismus, wer hat Schuld, wer recht, wer unrecht usw. Aber diese Frage soweit zu beantworten und auszuarbeiten würde den Rahmen des Interviews immens sprengen. Des weiteren vielleicht auch die Auflehnung gegen irgend etwas. So war es doch immer in der Musikszene seit je her. Interessant ist aber die Frage: Was würden wir denn machen, mal angenommen das Heidentum würde zum weltherrschenden Glauben erhoben? Würden wir z.B. den Kölner Dom mit seiner beeindruckenden Bauweise und Pracht einfach sprengen, weil Christen ihn gebaut haben? Oder Buddhistische Tempel mit ihrer Jahrtausende alten Kultur dem Erdboden gleich machen, nur weil sie nicht unseren Glauben teilen? Das sogenannte Heidentum unterteilt sich ja auch immens. Diejenigen, die den Ursprüngen treu bleiben und eben die Partymacher, die auf ihrem eigens hergestellten „heidnischen Dreck“ in Form von leergesoffenen Bierdosen umherlatschen. Heutzutage ist es leider chic heidnisch zu sein, aber das wird sich ändern. Die Trendphase wird sich vom Pagan verabschieden und den nächsten Zug ins Rollen bringen, wo die Leute aufspringen können. Für uns wird sich jedenfalls nichts ändern. Alles läuft nach wie vor – mal gut, mal weniger gut! Wir bleiben einfach dabei und machen das, was wir immer gemacht haben: Musik mit kulturellen und naturverbunden Wurzeln und  Leute mit Musik und Text zum Nachdenken anregen.

Anja > Warum finden sich gerade in Thüringen, eurer Heimat, so geballt Pagan-Metal-Bands?

Gernotshagen > Das macht definitiv unsere interessante Landesgeschichte zur Merowingerzeit. Die Berge und das Thüringer Wäldermeer sowie die Grabungsfunde und Mythen. Die Lebensweise mit ihren alten Brauchtümern hier und die Geschichte unserer Grosseltern tun dann ihr Übriges. Um unsere Heimatorte ranken sich viele alte Sagen, man ist umgeben von mythenhaften Orten und interessanten Naturformen. Es ist einfach nur die Schönheit unserer Heimat, die man patriotisch besingen will und die Inspirationsquellen gehen hier niemanden aus. Man „wohnt“ hier nicht, man „lebt“ hier. Alles in allem könnten wir uns hier kein schöneres Plätzchen vorstellen, um zu leben und auch zu sterben. Unseren Kollegen von den anderen Bands geht es da bestimmt nicht anders.

Anja > Wie steht ihr zu der heißen Diskussion über eine Infiltration der Pagan/Metal-Szene durch rechtes Gedankengut?

Gernotshagen > Die Infiltration findet auch in anderen Szenen und Bereichen statt, nicht nur in der Pagan Szene. Hier ist wahrscheinlich der Punkt die germanischen Mythologie, die die Angriffsfläche für soetwas bietet, da in der jüngeren Vergangenheit Missbrauch und Falschdarlegung der Mythologie betrieben wurde. Das ist aber kein Grund für eine Hexenjagd, wie sie zur Zeit betrieben wird, auf sämtliche Paganmetaller zu veranstalten. Wir beschäftigen uns mit unerer frühmittelalterlichen Kultur sehr intensiv. Sei es geschichtlich oder im Reenactment. Jeder, der sich damit auskennt, weiß um die Wirren zur Völkerwanderungszeit, den Gräberfunden der Merowingerzeit und vielen anderen interessanten Dingen, die den kulturellen Austausch deutlich sichtbar machen.
Wer sich intensiv mit der eigenen Kultur beschäftigt, kommt nicht an anderen Kulturen vorbei, ohne die Gemeinsamkeiten zu erkennen. Sei es nun im Naturglaube, in den damaligen Ausstattungen oder einfach nur in der Lebensweise unserer Vorväter.
Es ist äußerst interessant Nachforschungen über unsere Frühgeschichte anzustellen oder Gräberrekonstruktionen zu erarbeiten, auch die uralten spirituellen Brauchtümer unserer Gegend, die nach Recherchen auf aller Welt den gleichen Gesetzen unterliegen und den gleichen Ursprung haben. Die Natur und ihre Gaben zu achten und zu ehren. Des weiteren wäre noch zu erwähnen: die richtige und wahrheitsgemäße Darstellung unserer Frühgeschichte und deren Kultur liegt uns sehr am Herzen, da hier, gerade in Deutschland, mit unserer Frühgeschichte sehr viel Mißbrauch betrieben wird und falsche Darstellungen von Leuten, die sich nur oberflächlich oder kommerziell damit beschäftigen,  an der Tagesordnung sind.

Anja > Auch euch wird häufiger aufgrund der Verwendung von Symbolen, die dem Laien eindeutig erscheinen, eine Rechts-Tendenz vorgeworfen. Versucht ihr dem gezielt mit Aufklärung entgegen zu wirken? 

Gernotshagen > Das uns eine rechte Tendenz  vorgeworfen wird, ist uns neu. Wir standen mal in einer sehr kurzen Diskussion in Internetforen wegen eines Rundschilds mit einem frühmittelalterlichen Vogelkopfmuster, was wir als Bühnendekoration hatten. Wer diese Zeichen mit einem Hakenkreuz vergleicht, verwechselt auch das Gekritzel eines Kleinkindes mit einem Van Gogh. Zur Information für alle „Hier-Brüller“: Dieses Symbol ist fundiert belegt und farbig zu sehen in dem Buch „Allamanische Adelsgräber von Niederstotzingen“ (Heft 12/1, S.5). Es ist auf dem Pferdezaumzeug zu sehen, was jeweils rechts und links neben dem Kopf des Pferdes oberhalb der Augen als verzierter Riemenverteiler dient. Nur weil einer im Suff der Meinung ist, wir könnten ja auch mal Nazis sein, um diese Diskussion noch mehr zu schüren, wird es gleich als wichtigste Frage in jedem Interview etabliert. Uns würde mal interessieren, wie viele Interviews wir noch machen müssen, um uns endlich vor solchen dämlichen Fragen zu bewahren. Vielleicht sollten sich gerade diese Leute mal mit unserer Mythologie beschäftigen oder einfach unsere Interviews mit gerade diesen Fragen durchlesen und sehen, was wir darauf geantwortet haben. 
Wir werden in Zukunft auf unserer neuen Homepage mehr Informationen dieser Art bereit stellen, um dem interessierten Hörer unserer Musik Aufklärung zu bieten.

Anja > Zum Abschluss könnt ihr den Lesern sagen, was ihr schon immer einmal loswerden wolltet.

Gernotshagen > Vielleicht wäre zum Abschluss noch zu sagen, dass alle Kulturen dieser Erde ihre Wurzeln und ihren Ursprung, ihre Mythologie und ihre Werte wie Stolz, Anstand und Respekt (wie sie im Havamal beschrieben werden) auf der selben Ebene gründen.
Alle, die sich naturverbunden fühlen, sich ihrer Wurzeln bewusst sind, ihren Vorvätern gedenken und die alten Werte hoch halten, sollten nie vergessen, dass weltweit Menschen wie wir am selben Strang ziehen, um das selbe zu erreichen: Die Erhaltung und Pflege der alten kulturellen und spirituellen Schätze der weisen Vorfahren.

Anja > Danke, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt für die Beantwortung der Fragen. Viel Erfolg weiterhin in Eurem musikalischen Schaffen.

Daimonicon und Askan live:

      

 

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