Interview mit Andreas Nilsson (Gitarrist) / April 2004

Hallo Andreas! Danke, daß du dir für so ein kleines Internetmagazin wie unseres Zeit nimmst.

Wirklich kein Problem.

Ich weiß, dass du gerade von einem Konzert in Sundsvall/Schweden zurückkommst. Wie ist es gewesen? Ich meine, wie war es aus der Sicht der Band? Hat das Publikum so reagiert, wie ihr das erwartet hattet? (Wie ich hörte war es während der Proben sehr kalt dort, fast zu kalt um zu spielen…Ich hoffe, dass ihr das Problem während des Auftritts nicht mehr hattet.)

Ich denke, die Show war okay. Es war zwar erfahrungsmäßig keine unserer besten Vorstellungen, die Leute schienen unsere Sachen zu kennen, also sind wir im Großen und Ganzen zufrieden. Glücklicherweise nähert sich der Frühling, so dass die Temperaturen in unserem Proberaum nicht mehr in den Minusbereichen liegen. Das war etwas, womit wir ein paar Monate zu leben hatten und was einem kaputt gegangenen Heizkörper zu verdanken ist.

Nebenbei, wie sieht eure Live-Setlist im Moment aus? Denkst du, dass sie sich bis zu euren Auftritten bei den Sommerfestivals ändern wird? Wie funktioniert das aktuell – wie entscheidet die Band, welche Songs ihr spielen wollt? Oder fragt ihr manchmal die Fans in eurem Forum, welche Lieder sie bevorzugen würden oder etwas in der Art?

Unsere Songauswahl ändert sich von einem Auftritt zum nächsten, weil wir selbst Abwechslung haben wollen. Wir entscheiden etwa eine Woche vorher im Proberaum welche Songs wir spielen wollen und proben sie dann einige Male durch, damit wir sie gut können. Wir haben niemals Umfragen im Forum oder etwas in der Art gemacht, aber vielleicht ist das eine brauchbare Idee für die Zukunft.

Ich frage mich gerade selbst, wer eure Konzerte im Moment organisiert. Macht das noch eure alte Plattenfirma? Ich hörte, ihr denkt darüber nach zu einer neuen Firma zu wechseln. Ist darüber schon eine Entscheidung gefallen? Was passiert, wenn ihr eure Plattenfirma in den nächsten Wochen oder Monaten wechselt? Besteht dann die Gefahr, dass die schon bestätigten Naglfar-Auftritte abgesagt werden?

Um alle Auftritte außerhalb Schwedens kümmert sich unser Management Continental Concerts. Unser altes Label ist schon seit Jahren nicht mehr in die Bandaktivitäten eingebunden. Deshalb ist es egal, ob (oder wann) wir bei einer neuen Firma unterschreiben. Alle bestätigten Auftritte besitzen noch ihre Gültigkeit. Im Moment ist noch kein Vertrag unterschrieben, weil die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, aber wir hoffen, dass das bald abgehandelt ist.

Arbeitet ihr gerade an einem neuen Album? Wenn ja, was können die Fans erwarten? Wird es im gleichen Stil wie „Sheol“ sein, oder plant ihr etwas ganz Neues? Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie das Album sein könnte. Oder wie es jemals besser als „Sheol“ oder „Vittra“ sein könnte, weil beiden Alben wirklich großartig waren…

Ja, wir arbeiten an neuem Material, das auf dem kommenden Album erscheinen wird. Die Musik wird in der typischen Naglfar-Stimmung sein, nur brutaler und teuflischer.

Wie ich herausfand (indem ich dich fragte, haha), hast immer DU die Texte der Songs geschrieben, die ich persönlich am liebsten mag! Besonders natürlich „As twilight gave birth to the night“, die erste Strophe gehört zu meinen absoluten immerwährenden Lieblingstexten. Passiert das Textschreiben ganz natürlich (etwa, dass dir die Ideen plötzlich einfallen, wenn du es nicht erwartest), oder setzt du dich für Stunden hin und denkst darüber nach, was du schreiben könntest? Und die grimmigen Texte wie in „I am vengeance“, woher nimmst du die Inspirationen, um so etwas zuschreiben? Denn solche Texte hören sich an, als ob jemand sehr viel Zorn in seinem Herzen hat.

Es ist cool, dass du die Texte magst. Bei mir variiert die Entstehung von Texten sehr. Manchmal habe ich einfach eine Zeile im Kopf, und von dem Punkt an entwickele ich sie zu einem fertigen Text. Ein anderes Mal setze ich mich hin und denke über Sachen nach, über die man etwas schreiben könnte. Und wieder ein anderes Mal lasse ich mich von etwas Gelesenem oder einem Film inspirieren. Der Grund für zum Beispiel „I am vengeance“ war der, dass ich, als ich ihn schrieb, durch sehr raue Zeiten ging und auf beinah alles um mich herum sehr wütend war. Von daher denke ich, dass es auch hilft, in einer schlechten Stimmung zu sein.

Du hast auf dem Song „Vittra“ die männlichen Sprechparts übernommen. Wie ist das mit deinem Gesangstalent? Hast du darüber nachgedacht, es weiter zu vertiefen (in einem weiteren Solo-Projekt…haha…verdammt), oder wird die Gitarre dein Lieblingsinstrument bleiben?

Haha, mein Gesangstalent ist sehr limitiert, um es mit wenigen Worten zu sagen. Und obwohl ich die Menschen generell mit aller Gewalt verachte, sträubt sich mein Herz, die Massen so schlimm zu bestrafen. Deswegen wird mein Gesang ungehört bleiben.

Wie oft kommt die Band derzeitig zusammen, um zu proben und zusammen neue Songs zu schreiben?

Wir versuchen, dreimal in der Woche zu proben. Aber wir treffen uns auch bei Marcus, um zu schreiben und neues Material aufzunehmen. Das ist im Moment fast wie ein Ganztagsjob.

Wenn du ohne Vorgabe der Plattenfirma wählen könntest, welche Songs würdest du in der Zukunft gerne mal covern? (Nur zum Spaß. Ich erwarte so etwas nicht auf dem nächsten Naglfar-Album.)

Ich war niemals groß für das Covern. Ich bevorzuge es, die Originale anzuhören. Aber ich bin mir sicher, dass in der Zukunft noch einige Cover gespielt werden, wenn es unsere Zeit zulässt. Obwohl ich nicht sicher bin, dass sie auch veröffentlicht werden.

Wie siehst du die Zukunft von Naglfar? Fürchtest du nicht manchmal, dass all die anderen Sideprojects der anderen Mitglieder (Marcus, Jens) die Zukunft von Naglfar gefährden könnten? Ich meine, ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwierig ist, einige Bands und Nebenprojekte zu vereinbaren. Und wahrscheinlich haben die meisten von euch noch normale Jobs nebenbei oder studieren oder wie auch immer. Oder seid ihr alle der gleichen Meinung, dass Naglfar die absolute Priorität genießt?

Naglfar genießt unsere Hauptaufmerksamkeit. Viele von uns sind noch in anderen Bands oder haben Nebenprojekte, aber das ist schon seit Jahren so, so dass wir keine Schwierigkeiten darin sehen, sie weiter zu betreiben. Wenn die Situation eintreten würde, dass sich ein Mitglied nicht mehr zu 100% auf Naglfar konzentrieren könnte, müssten wir eine Lösung dafür finden. Naglfar wird in der einen oder anderen Form noch viele Jahre bestehen bleiben.

Ich frage, weil in der Vergangenheit schon Besetzungswechsel waren; aber so wie das Line Up im Moment ist, mag ich es persönlich sehr! Es wäre sehr schade, es zerbrechen zu sehen.

Ich stimme zu. Die derzeitige Besetzung ist die bisher stärkste.

Nebenbei habe ich gesehen, dass ihr, also du und auch Jens, Marcus etc, in der Vergangenheit alle Mitglieder in anderen Bands wart (außer Mattias Grahn. Über ihn weiß ich nichts, tut mir leid). Zum Beispiel in „Ancient wisdom“…und es war fast das gleich Line Up, wie es heute bei Naglfar ist (3 von 5 Mitgliedern). Wie passierte das? Ich meine, es ist lustig zu sehen, dass fast die gleichen Musiker wieder zusammen Musik machen, nur mit einem anderen Bandnamen (und da gab es MEHR als eine Band, wenn ich nicht falsch liege)! Warum habt ihr nicht mit diesen Line Ups weiter gemacht und euren Stil DARAUS entwickelt anstatt nur eine NEUE zu gründen oder konstant in neue Bands einzusteigen und dann wieder auszusteigen? War das so, weil ihr mit dem Banner Naglfars am meisten Erfolg hattet?

Bei Ancient Wisdom hat Marcus fast die ganze Musik alleine gemacht. Jens war mehr ein Sessionmitglied und hat live nur Keyboards gespielt. Als Gitarrist fühlte ich, dass ich mehr mitwirken wollte als ich bei Ancient Wisdom konnte. Und als mich Jens und Kris fragten, ob ich bei Naglfar einsteigen wollte, sah ich das als eine bessere Gelegenheit für mich. Damals hatten Naglfar noch nicht einmal ein Demo veröffentlicht, also war der Punkt „größerer Erfolg“ kein Thema. Ich denke, wir wollten einfach schnellere Musik machen. 

Welche Eigenschaften, denkst du, lassen Naglfar aus dem Rest der Death und Black Metal Szene hervorstechen? Was an eurer Band ist einmalig, dass man sie bemerkt und sich daran erinnert?

Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. Vielleicht, dass wir uns nicht mit den Trends der Szene geändert haben, aber dafür  in der Art und Weise brutale Musik zu machen, wie wir es für richtig hielten? Die Frage ist wirklich schwer zu beantworten.

Gibt es Bands, die Naglfar musikalisch beeinflusst haben? Oder sind da Bands, die deinen Respekt besitzen wie ein Vorbild oder so?

Ich respektiere viele Musiker und Bands da draußen. Aber ich habe kein Vorbild in der Szene. Ich bin mir sicher, dass wir uns von den Bands inspirieren lassen, die wir zu Hause hören, aber es ist nicht so, dass wir versuchen wie jemand anders zu klingen.

Was weckte dein Interesse an Metal, und wie bist du in einer derartigen Death Metal Band gelandet? Erinnerst du dich an dein erstes Instrument und wo du es her hattest?

Es war der ältere Bruder eines Freundes, der mich zum Metal gebracht hat. Als wir drüben in ihrem Haus waren, saß ich nachts in seinem Zimmer und war von den Alben, die er mir vorspielte, total magnetisiert. Ich war vielleicht sechs Jahre alt und konnte nicht glauben, was ich hörte. Seitdem hänge ich am Metal fest, und ich bezweifle, dass es jemals ein Musikgenre geben wird, dass auf mich so einen Einfluss ausüben wird wie Metal es getan hat. Mein erstes Instrument war ein gammeliger alter Bass, den ich benutzte, als ich 1989 in einer Gore Band spielte. Ich kann mich nicht erinnern, wo ich ihn her hatte, aber er war gelb und verdammt hässlich.

Über das Touren. Ist das nicht manchmal ein sehr schweres Leben? Ich kenne Künstler, die das Touren absolut nicht mögen (nicht wegen der Fans, die sind normalerweise klasse, aber aufgrund der Bedingungen während der Tour wie Schlafmangel, Hygienemangel etc.)! Wie ist das für dich? Kannst du das alles noch genießen (weil du weißt, dass es am Ende für die Musik ist) oder würdest du eher nicht touren, wenn du die Wahl hättest?

Auf Tour gehen bedeutet live zu spielen. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich das an erster Stelle mache. Also genieße ich das Touren wirklich. Nun, wir haben mit Naglfar noch nicht exzessiv getourt. Vielleicht wäre meine Meinung anders, wenn ich mehr Erfahrung darin hätte, aber ich bezweifle es.

Wieder über eure Zukunft: In eurem Forum lese ich oft Nachrichten von Fans die nach US-Touren oder Auftritten in Brasilien und so fragen. Wie ist der Stand im Moment? Habt ihr Informationen, wie sich eure Platten außerhalb von Europa verkaufen? Ich hörte, ihr habt schon einmal auf dem Milwaukee Metal Festival gespielt (ich hoffe, ich verwechsele das nicht mit einem anderen US-Festival) – wie waren die Reaktionen vom Publikum dort? Kannten sie Naglfar? Oder wart ihr eine Art „Newcomer“? Wie ist das Publikum in den Staaten? Ich weiß nur, dass die brasilianischen Fans, jede Band wie Götter feiern, aber ich bin mir nicht sicher über die Amerikaner. Ist es schwer, sie in eine gute Stimmung zu versetzen? … Würdet ihr es genießen, überall in der Welt bekannt zu sein, wenn der Erfolg zunimmt? Könntet ihr euch ein Leben wie das von Metallica vorstellen, zwei Jahre ununterbrochen auf Tour zu sein oder etwas derartiges? Dann NUR für die Musik zu leben? Oder wäre das der Punkt für dich, an dem du aufhörst und dich einen Scheiß um all das Geld scherst?

Wir hörten, dass sich die Platte ziemlich gut verkauft. Als wir auf dem MMF (Milwaukee Metal Festival – Anm.d.Übers.) spielten, waren die Reaktionen sehr gut. Die Leute gingen total mit der Musik mit und gaben eine überraschend gute Rückmeldung, so dass ich sicher nichts dagegen hätte, wieder in die Staaten zu gehen. Nun, dass Szenario, das du beschrieben hast, ist sehr unwirklich, da Black/Death Metal ein sehr enges Genre ist. Wie auch immer, wenn wir von der Musik leben könnten, und es möglich wäre, für zwei Jahre auf Tour zu sein, würde ich nicht eine Sekunde zögern. Da kannst du mit mir rechnen!

Okay. Letzte Frage: Wie kommt es, dass ihr euch so doll um eure Fans kümmert, dafür soviel von eurer Freizeit opfert? Ich weiß, ihr haltet das Naglfar-Forum am Laufen, beantwortet so viele Fragen wie möglich, und ich hörte, dass ihr euch sogar mit Fans im „ofiiziellen Naglfar Chat“ (hört sich das nicht verdammt gut an?) unterhaltet. Ich meine, andere Bands lassen so etwas machen, reden niemals ein Wort mir irgendwelchen Fans und sind genauso erfolgreich! Sie haben auch Foren, aber niemals schreibt ein Bandmitglied persönlich etwas hinein. Was verbindet euch so stark mit der Fanbasis (ich bin sicher, ihr hättet genauso hohe Verkaufszahlen auch ohne Fankontakt).

Ich sehe keinen Grund, es nicht zu tun. Wenn ich die Zeit habe, und die Leute etwas über meine Band wissen wollen, dann beantworte ich natürlich die Fragen. Wir sind keine Rockstars.

Okay dann. Nochmals vielen Dank, dass du dieses Interview mitgemacht hast! Und ich hoffe, dass Naglfar noch seeehr lange Teil der Metalszene sein werden!

Ich danke dir für das Interview.



Interview Fragen von Twilightheart/ Übersetzung aus dem Englischen von Wiebke