Dark Fortress – „Séance"

Century Media - VÖ: 30. Januar 2006

Hier ist mir ein Meisterwerk des melodischen extravaganten Black Metal in`s Haus geflattert! „Die übertreibt doch“ werdet ihr sagen. Deshalb will ich euch sagen, wie ich dazu komme, so eine Behauptung aufzustellen. Lasst mich dafür in`s Detail gehen! 
Schon allein der Anfang des Albums ist ganz anders, als ihr es erwarten würdet. Sehr melodisch, aber auch sehr bestimmt! Und der Anfang lässt schon mal erahnen, dass der Hörer nun auf eine Reise durch noch unbekannte Sphären des Metal geschickt wird. Also keine Angst, dass ihr euch mit dieser Scheibe etwas in´s Haus holt, was ihr schon x-fach habt. Hier kommt eine Scheibe, die vor neuen Ideen, Überraschungseffekten und avantgardistischen Elementen nur so übersprudelt. Und natürlich geht es auch nicht um satanischen BM, sondern um die dunklen Seiten in jedem selbst, unabhängig von jeder Religion.
Doch fangen wir mal beim Booklet an! Das Cover hat niemand Geringerer kreiert als Travis Smith, und es sieht auch sehr vielversprechend aus, auch wenn man leider im 1. Moment das Gefühl hat, dass man das Front-Bild schon mal gesehen hat... zumindest wenn man das Cover von Dornenreich`s Album „Her von welken Nächten“ kennt. Doch durch die Hand auf dem „Séance“-Cover, die durch das Dunkel greift, gibt es wenigstens noch den Aspekt der Angst bei Dark Fortress, nicht nur den des Alleingelassen-Seins wie auf dem Dornenreich-Cover. Insofern gibt es doch einen wesentlichen Unterschied, und ich persönlich habe auch das Gefühl, die Schattengestalt auf dem Séance- Cover soll ein Kind darstellen (im Gegensatz zu Dornenreich, wo es ein Erwachsener ist).
Wenn man das Booklet weiter durchforstet, begegnet man zahlreichen bizarren Gestalten (nein, damit meine ich nicht die 6 Herren von Dark Fortress, die auf den Promo- Fotos im Booklet keinerlei undurchsichtig-dunkle Mimik auslassen), sondern die Kreationen von Travis Smith, die (wie für seine Werke üblich) alles Groteske dieser Welt (und jedermanns individueller Gedankenwelt) widerspiegeln.

Auch bei den Lyrics haben die Jungs ganze Arbeit geleistet. Ihr müsst mir vielleicht zustimmen, wenn ich sage, dass aus Texten wie „Thorns cover my grave, they hurt within me, I wonder how death shall ever set me free, when there`s even in this darkness no place for us to be” (unvollständiger Auszug!) die Verzweiflung eines geschundenen Herzens spricht.
Ansonsten beschäftigen sich die Lyrics des Albums durchgehend mit dem Tod, dem Gedanken um den Tod, seine Dominanz (wobei der Poet scheinbar mit sich selbst ringt, ob der Tod tatsächlich die Lösung für alles oder die Erlösung für ihn selbst ist oder nicht), sowie mit dem Verderben und der Verderbtheit der Menschheit insgesamt. Auch wenn einige Zeilen wie zum Beispiel „I´m the one fallen from grace“ den Fans von Marcus Norman oder seiner Band „Havayoth“ bekannt vorkommen dürften, weil sie gleich sind. Wie auch immer... schon beim reinen Lesen der Lyrics gefriert einem das Blut in den Adern, soviel Tod, Verzweiflung, innerer Kampf und innere Aufgabe, soviel tief-dunkle Emotionen schlagen einem entgegen.

Und zusammen mit der bizarr-theatralischen Musik ist dieses Album natürlich ein absoluter Hochgenuss für Metal- Fans mit schwarzen, verzweifelten Seelen.
Jeder einzelne Song ist eine Welt für sich, die es in misanthropischer Hingabe zu entdecken gibt. Tief im Abgrund dahinschleichend ziehen sich die progressiv auskomponierten Songkreationen dahin und locken den Hörer in eine Schlucht aus eiskalter & aus schwärzester Nacht stammenden Seelenqual, immer wieder durchbrochen von hammerharten, gnadenlosen Brachialparts, die live so richtig reinhauen werden, könnte ich mir vorstellen.
Eines der absoluten Highlights des Albums ist aber sicherlich der 8. Track namens „Incide“ (dessen Grundthema zwar schon immer mal angedeutet wurde in den vorherigen Tracks, aber nie ganz ausgereizt wurde), der sich mit voller Wucht in euer Gehirn brennen wird... einmal gehört, werdet ihr ihn nie wieder vergessen (und darauf gebe ich eine 14- Tage- Geld- zurück- Garantie!). Ich denke mal, dass vielleicht jeder Hörer den Song etwas anders auffassen wird, je nachdem wozu sich die Vorstellungskraft eines jeden inspirieren läßt. Ich persönlich sehe bei dem Song in Gedanken vor mir einen sterbenden Menschen, was nicht zuletzt einer stimmlichen Meisterleistung des Vokalisten zu verdanken ist, der vor sich hin röchelt und dahinsiecht, als wäre er schon tausend reale Erstickungstode gestorben. Es klingt wirklich angsteinflößend, und bei mir persönlich löst es den Effekt aus, dass ich froh bin, dass es bei mir (hoffentlich) noch lange nicht soweit ist, dass mir der unausweichliche Tod (der ja gerechterweise jeden holt) mit all seiner endkonsequenten Grausamkeit bevorsteht. Doch andererseits dürfte es gleichzeitig jedem Hörer klarmachen, wie vergänglich unser aller Leben ist, wie schwach und ausgeliefert wir am Ende alle sein werden, und dass uns jeder Stein, den wir mit Füßen treten, um Milliarden Jahre überdauern wird. Es liegt also an jedem selbst, was dieses Album ihm mitgibt... ob er mit dem Poeten in Lethargie versinken will, oder ob er es als Augenöffner für unsere Vergänglichkeit sieht, um vielleicht doch mehr aus seinem Leben zu machen, solange die Dornen noch nicht sein Grab schmücken.

Ansonsten möchte ich nicht zuviel von den vielen Besonderheiten des Albums verraten (nur soviel: es warten einige unerwartete Überraschungen, die euch in Staunen versetzen werden, ob nun mit positivem oder mit negativem Beigeschmack), denn es soll jeder das Album für sich selbst entdecken.
Aber dies will ich noch loswerden: dieses Album ist schon jetzt das Highlight 2006 für mich, denn es ist so anders als alles, was ich bisher gehört habe; und die eigenständigen, brachial- melodischen Kompositionen unter Einsatz aller Instrumente, die nötig sind (hier wird auch das Keyboard zum Black Metal Element... denn auch dieses Instrument kann alle dunklen Gefühle & Vorstellungen erzeugen, wenn man es richtig einsetzt) machen dieses Album zu einem Meilenstein in der Geschichte des melodischen Black Metals.

10 von 10 Punkten

Anspieltip: Catawomb                                                          Review von Twilightheart

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