Hier ist mir ein Meisterwerk des
melodischen extravaganten Black Metal in`s Haus geflattert! „Die übertreibt
doch“ werdet ihr sagen. Deshalb will ich euch sagen, wie ich dazu
komme, so eine Behauptung aufzustellen. Lasst mich dafür in`s Detail
gehen!
Schon allein der Anfang des Albums ist ganz anders, als ihr es erwarten
würdet. Sehr melodisch, aber auch sehr bestimmt! Und der Anfang lässt
schon mal erahnen, dass der Hörer nun auf eine Reise durch noch
unbekannte Sphären des Metal geschickt wird. Also keine Angst, dass ihr
euch mit dieser Scheibe etwas in´s Haus holt, was ihr schon x-fach
habt. Hier kommt eine Scheibe, die vor neuen Ideen, Überraschungseffekten
und avantgardistischen Elementen nur so übersprudelt. Und natürlich
geht es auch nicht um satanischen BM, sondern um die dunklen Seiten in
jedem selbst, unabhängig von jeder Religion.
Doch fangen wir mal beim Booklet an! Das Cover hat niemand Geringerer
kreiert als Travis Smith, und es sieht auch sehr vielversprechend aus,
auch wenn man leider im 1. Moment das Gefühl hat, dass man das
Front-Bild schon mal gesehen hat... zumindest wenn man das Cover von
Dornenreich`s Album „Her von welken Nächten“ kennt. Doch durch die
Hand auf dem „Séance“-Cover, die durch das Dunkel greift, gibt es
wenigstens noch den Aspekt der Angst bei Dark Fortress, nicht nur den
des Alleingelassen-Seins wie auf dem Dornenreich-Cover. Insofern gibt es
doch einen wesentlichen Unterschied, und ich persönlich habe auch das
Gefühl, die Schattengestalt auf dem Séance- Cover soll ein Kind
darstellen (im Gegensatz zu Dornenreich, wo es ein Erwachsener ist).
Wenn man das Booklet weiter durchforstet, begegnet man zahlreichen
bizarren Gestalten (nein, damit meine ich nicht die 6 Herren von Dark
Fortress, die auf den Promo- Fotos im Booklet keinerlei
undurchsichtig-dunkle Mimik auslassen), sondern die Kreationen von
Travis Smith, die (wie für seine Werke üblich) alles Groteske dieser
Welt (und jedermanns individueller Gedankenwelt) widerspiegeln.
Auch bei den Lyrics haben die
Jungs ganze Arbeit geleistet. Ihr müsst mir vielleicht zustimmen, wenn
ich sage, dass aus Texten wie „Thorns cover my grave, they hurt within
me, I wonder how death shall ever set me free, when there`s even in this
darkness no place for us to be” (unvollständiger Auszug!) die
Verzweiflung eines geschundenen Herzens spricht.
Ansonsten beschäftigen sich die Lyrics des Albums durchgehend mit dem
Tod, dem Gedanken um den Tod, seine Dominanz (wobei der Poet scheinbar
mit sich selbst ringt, ob der Tod tatsächlich die Lösung für alles
oder die Erlösung für ihn selbst ist oder nicht), sowie mit dem
Verderben und der Verderbtheit der Menschheit insgesamt. Auch wenn
einige Zeilen wie zum Beispiel „I´m the one fallen from grace“ den
Fans von Marcus Norman oder seiner Band „Havayoth“ bekannt vorkommen
dürften, weil sie gleich sind. Wie auch immer... schon beim reinen
Lesen der Lyrics gefriert einem das Blut in den Adern, soviel Tod,
Verzweiflung, innerer Kampf und innere Aufgabe, soviel tief-dunkle
Emotionen schlagen einem entgegen.
Und zusammen mit der
bizarr-theatralischen Musik ist dieses Album natürlich ein absoluter
Hochgenuss für Metal- Fans mit schwarzen, verzweifelten Seelen.
Jeder einzelne Song ist eine Welt für sich, die es in misanthropischer
Hingabe zu entdecken gibt. Tief im Abgrund dahinschleichend ziehen sich
die progressiv auskomponierten Songkreationen dahin und locken den Hörer
in eine Schlucht aus eiskalter & aus schwärzester Nacht stammenden
Seelenqual, immer wieder durchbrochen von hammerharten, gnadenlosen
Brachialparts, die live so richtig reinhauen werden, könnte ich mir
vorstellen.
Eines der absoluten Highlights des Albums ist aber sicherlich der 8.
Track namens „Incide“ (dessen Grundthema zwar schon immer mal
angedeutet wurde in den vorherigen Tracks, aber nie ganz ausgereizt
wurde), der sich mit voller Wucht in euer Gehirn brennen wird... einmal
gehört, werdet ihr ihn nie wieder vergessen (und darauf gebe ich eine
14- Tage- Geld- zurück- Garantie!). Ich denke mal, dass vielleicht
jeder Hörer den Song etwas anders auffassen wird, je nachdem wozu sich
die Vorstellungskraft eines jeden inspirieren läßt. Ich persönlich
sehe bei dem Song in Gedanken vor mir einen sterbenden Menschen, was
nicht zuletzt einer stimmlichen Meisterleistung des Vokalisten zu
verdanken ist, der vor sich hin röchelt und dahinsiecht, als wäre er
schon tausend reale Erstickungstode gestorben. Es klingt wirklich
angsteinflößend, und bei mir persönlich löst es den Effekt aus, dass
ich froh bin, dass es bei mir (hoffentlich) noch lange nicht soweit ist,
dass mir der unausweichliche Tod (der ja gerechterweise jeden holt) mit
all seiner endkonsequenten Grausamkeit bevorsteht. Doch andererseits dürfte
es gleichzeitig jedem Hörer klarmachen, wie vergänglich unser aller
Leben ist, wie schwach und ausgeliefert wir am Ende alle sein werden,
und dass uns jeder Stein, den wir mit Füßen treten, um Milliarden
Jahre überdauern wird. Es liegt also an jedem selbst, was dieses Album
ihm mitgibt... ob er mit dem Poeten in Lethargie versinken will, oder ob
er es als Augenöffner für unsere Vergänglichkeit sieht, um vielleicht
doch mehr aus seinem Leben zu machen, solange die Dornen noch nicht sein
Grab schmücken.
Ansonsten möchte ich nicht
zuviel von den vielen Besonderheiten des Albums verraten (nur soviel: es
warten einige unerwartete Überraschungen, die euch in Staunen versetzen
werden, ob nun mit positivem oder mit negativem Beigeschmack), denn es
soll jeder das Album für sich selbst entdecken.
Aber dies will ich noch loswerden: dieses Album ist schon jetzt das
Highlight 2006 für mich, denn es ist so anders als alles, was ich
bisher gehört habe; und die eigenständigen, brachial- melodischen
Kompositionen unter Einsatz aller Instrumente, die nötig sind (hier
wird auch das Keyboard zum Black Metal Element... denn auch dieses
Instrument kann alle dunklen Gefühle & Vorstellungen erzeugen, wenn
man es richtig einsetzt) machen dieses Album zu einem Meilenstein in der
Geschichte des melodischen Black Metals.
10 von 10 Punkten
Anspieltip:
Catawomb
Review von Twilightheart
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