Drei Jahre mussten verstreichen, bis
die Finnen wieder mit einem neuen Album aufwarten. In der Zeit hat sich
einiges getan, da Pasi Koskinen die Band verließ und man ohne Sänger
dastand. Zwischenzeitlich stand sogar der Gedanke im Raum, ein reines
Instrumentalbum aufzunehmen. Das hat man aber (zum Glück) dann doch
nicht in Angriff genommen, denn sonst wäre man nie in den Genuss Tomi
Joutsens variabler Stimme gekommen. Aber von Anfang an.
Zugegeben: Der Beginn des Openers „Two
Moons“ ist ziemlich nervig. Aber zum Glück relativiert sich das
sofort mit Einsetzen der Gitarren. Denn ab da entwickelt sich ein
treibender Rhythmus, zu dem die aggressiven Vocals prima passen. Der
Refrain ist etwas ruhiger, und Tomi kommt richtig ins Singen, wo sich
zeigt, dass er eine sehr angenehme, Raum fordernde Singstimme besitzt.
Außerdem gibt es noch ein Gitarrensolo, was auf früheren Veröffentlichungen
auch eher selten vorkam.
Das folgende „House Of Sleep“ beginnt mit einem Gitarrenriff, das
sofort ins Ohr geht. Vor der Strophe treten die Gitarren aber etwas in
den Hintergrund und wandeln sich in einen eher „schrubbenden“
Rhythmus, so dass Tomis schmeichelnder Gesang besonders gut zur Geltung
kommt. Im Refrain wird die Dramatik durch einen heftigeren Gesang
gesteigert, und man hört den Bass schön wummern. Kurz vor Ende des
Songs gibt es noch einen Instrumentalpart, in dem Piano- und Moog-Klänge
vorherrschen, ehe mit einem schönen Gitarrenslide noch einmal in den
Refrain übergeleitet wird.
„Leaves Scar“ beginnt ziemlich chillig mit Akustikgitarre und
Synthesizer im Vordergrund, aber das ändert sich mit Einsetzen der
E-Gitarren ganz schnell. Dieses
Riff knallt und animiert zum Haareschütteln! Dazu werden die Strophen
gegrunzt, tief und voller Energie. Der Refrain wird rockig clean
gesungen, und es gibt eine – wiederum ziemlich ruhige – Bridge, in
der auch sanfte Töne angeschlagen werden.
Der vierte Song „Born From Fire“ wird von einem Motiv dominiert, das
ebenfalls über absolute Ohrwurmqualität verfügt. Es harmoniert
absolut mit dem Gesang, der hier von zart bis hart wieder mit neuen
Facetten aufwartet. Besonders schön klingt der Mittelteil, indem das
Leitmotiv zuerst vom Piano gespielt wird, dann mit den Gitarren
zusammen, ehe es in ein Gitarrensolo übergeht.
„Under A Soil And Black Stone“ beginnt entspannt mit Piano und
Wah-Wah-Gitarren, während sich der Gesang diesmal eher leidend anhört
passend zum Inhalt. Im Refrain kommt eine Hammond-Orgel zum Einsatz, und
Tomi dreht gesanglich auf. Dem stehen die anderen Musiker in nichts
nach, legen im Endteil an Geschwindigkeit zu, angetrieben von einem
einfachen, aber wirkungsvollen Drumming.
Das Intro zu „Perkele (The God Of Fire)“ klingt ziemlich folkig.
Grunztöne und klarer Gesang geben sich wieder die Hand. Durch die Orgel
und die Rhythmen erhält
dieser Song einen 70ies Retro-Touch, was einiges an Abwechslung in die
Strukturen bringt. Am Ende wird direkt zu „The Smoke“ übergeleitet,
einem Lied zu dem man wunderbar tanzen kann. Auch hier wechseln sich
klarer Gesang und Growling wieder ab. Außerdem hallt einem die
Liedmelodie, von der man sich wirklich verzaubern lassen kann, noch viel
später im Ohr nach.
„Same Flesh“ ist meiner Meinung nach der schwächste Song, obwohl er
an sich auch nicht schlecht ist. Jedoch springt hier der Funke nicht so
über. Die Vocals klingen mir hier einen Tick zu leidend und Refrain zu
sperrig. Außerdem nervt die Orgel dort ein bisschen. Dafür ist das
Anfangsriff von „Brother Moon“
sofort mitreißend, wie auch der ganze Song, da hier alle
Instrumente (Stimme eingeschlossen) perfekt harmonieren und sich
schnellere und langsame Parts abwechseln.
Mit „Empty Opening“ geht es auf das Ende zu, ist es doch der letzte
reguläre Song. Die kreierte Stimmung erinnert ein wenig an die „Am
Universum“-Zeiten. Und noch mal gibt es ein Gitarrensolo zu hören,
dessen Reiz in der Einfachheit liegt.
Danach ist Schluss, wenn man nicht im Besitz des limitierten
Digi-Paks ist. Wer sich aber so glücklich schätzt, der kann sich noch
über den Bonustrack „Stone Woman“ freuen. Warum dieser zu einer
Zugabe degradiert wurde, ist schwer verständlich, da er den anderen
qualitativ in nichts nachsteht. Hier sticht wieder mal der Refrain hervor, in dem der Text
perfekt in Klänge umgesetzt wird, so dass wahr Gedankenbilder
entstehen.
Amorphis ist es gelungen, ein Album zu
machen, auf dem es von Ohrwürmern nur so wimmelt. Einen großen Anteil
daran hat – wie schon oben erwähnt – das „jüngste“ Mitglied
Tomi Joutsen mit seinem abwechslungsreichen Organ, der sich so wunderbar
integriert hat, dass man glaubt, er wäre schon immer dabei gewesen.
Textlich greift man auf Altbewährtes – die Kalevala – zurück.
Allerdings widmet man sich diesmal nur einem Abschnitt nämlich der
tragischen Geschichte Kullerwos. Ausnahmen bilden da nur die Lyrics von
„Brother Moon“ und „Under A Soil And Black Stone“, die aber
perfekt in den Kontext passen.
Anspieltips: Leaves Scar + The Smoke
9
von 10 Punkten
Review
von Wiebke
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