Unter
absolut gar keinen Umständen konnte ich mir vorstellen, dass Kampfar mit ihrem neuen Album die Vorgänger-Alben toppen können. Dass ein
Song eingängiger sein könnte als „Ravenheart“ war wirklich unvorstellbar für
mich. Es gab in meinem Denken nur zwei Möglichkeiten: entweder sie gehen ganz
neue Wege und man braucht eine Weile, um sich an den veränderten Stil zu gewöhnen.
Oder sie kopieren die alten Songs und werden dabei zu einem Abklatsch ihrer
selbst.
Doch beim Einlegen der Promo von „Heimgang“ wurde ich sofort eines Besseren
belehrt. Kampfar haben es geschafft, ihrem Stil genau treu zu bleiben (gleich
beim ersten Takt erkennt man, dass es sich nur um Kampfar handeln kann) und
innerhalb ihres ureigenen Stils noch bessere Songs zu schreiben als auf dem
letzten Album.
Gleich
das Intro mit dem Titel „Vantro“ als rein instrumentales Stück ist so
ansteckend und mitreißend, dass man sofort das Kampfar-Shirt anziehen und zu
einem Kampfar-Gig gehen möchte.
Treibend, leicht aggressiv und in jedem Fall eingängig geht es mit
„Inferno“ weiter. Rauer aber sehr kämpferischer Gesang von Frontmann Dolk
sorgt für Gänsehautfeeling, während treibende Gitarrenriffs für mitreißende
Stimmung sorgen. Wie schon auf dem Vorgängeralbum sorgt Schlagzeuger II13 auch
auf „Heimgang“ mit seinem natürlichen, nicht am Drumcomputer geradegerückten
Drumming für einen zusätzlichen Kick. Die Songs haben alle den leicht
frostigen aber kraftvollen Kampfar-Stil, der auch folkloristische Elemente
verarbeitet. Müsste man die Musik bildlich darstellen, so würde man wohl bei
klischeehaften aber treffenden Motiven wie schneebedeckten Hügeln in den
wunderschönen Landen Norwegens landen, und bei Kriegern, die voller Überzeugung,
ihre Heimat vor allem und jedem zu schützen, der Schlacht entgegenziehen. Die
Songtitel ließen mich dem Klang nach vermuten, dass es lyrisch auch tatsächlich um
die heimischen Wälder, norwegische Geschichte, die Auseinandersetzung mit
Gedanken zu Leben und Tod oder ähnliches geht. Die
gedruckten Lyrics lagen der Promo nicht bei, aber zu einigen Songs konnte ich
von der Band später exklusiv für euch ein paar mehr Infos bekommen:
Im Song "Antvort" zum Beispiel geht es um einen Priester aus dem Dorf,
aus welchem Dolk stammt. Obwohl er offiziell ein Mann Gottes war, nutze er nicht
nur weiße, sondern auch schwarze Magie und die Leute im Dorf wussten es. "Skogens
Dyp", was ja wörtlich übersetzt "Des Waldes Tiefe" heisst,
umschreibt das immer tiefere Eindringen in einen Wald, bis es kein Zurück mehr
gibt, und bis man irgendwann Dinge wahrnimmt, die man normalerweise mit Augen
nicht sehen kann.
In "Dødens Vee" wiederholt sich immer wieder dieser Text:
"Våre ben er skøre
Vårt liv er omme
Vi sjeleløst venter
På dommedags komme."
Diese
Worte sagte man in alter Zeit, wenn man über Landschaften mit Gräbern lief, um
die Toten in den Gräbern zu halten. Damals glaubte man, wenn man diese Worte
nicht sagen würde, würden die Toten aus den Gräbern steigen.
Soweit mal ein vager Einblick, man muss sich ansonsten natürlich intensiver mit
den Lyrics beschäftigen, damit sich einem der Sinn vollständig erschließt.
Trotz des wachsenden Bekanntheitsgrads von Kampfar sind alle Songs strikt auf
Norwegisch, weshalb der Kauf des Albums für Liebhaber dieser Sprache dann erst
recht ein Muss darstellt, denn Kampfar ist eine der wenigen Bands, die trotz
internationalem Erscheinen ein rein norwegisches natur-und heimatverbundenes
Flair liefern, ohne dabei in Kitsch abzudriften.
„Mareham“
ist der wohl virtuoseste, folkigste Song des Albums, und erstmals ist der Gesang
hier volksliedtypisch, nur eben in der gegrowlten Version. Zu schade, dass
dieser Song bei den letzten Kampfar-Live-Auftritten noch nicht im Programm war.
Aber das Drumming hier ist so extravagant, dass es wahrscheinlich noch eine
Weile dauern könnte, bis es live-tauglich gespielt werden kann, zumal auch die
Gitarrenriffs einiges an Fingerfertigkeit verlangen dürften. Aber wenn es eines
Tages soweit ist, wird live bei diesem Song so was von die Post
abgehen....
„Vettekult“
stellt noch einmal einen Höhepunkt des Albums dar. Mit sehr melancholischen
Passagen setzt es sich im Gefühl fest und bietet noch ein paar ungewöhnliche
Extras. Zum einen ist Dolks Gesang teilweise kanon-artig übereinandergelegt,
andererseits schnippt seine Stimme bei einzelnen Tönen ungewohnterweise nach
unten, aber vor allem erzeugen die Gitarren an kurzen Stellen den Eindruck, als
imitierten sie das Plätschern eines Gebirgsbaches, man muss nur genau hinhören.
Den
fast ein wenig traurigen Ausklang des Albums bildet der etwas langsamere Track
„Vandring“, bei welchem ich nicht sagen kann, ob meine Promo einen Defekt
hat oder ob Dolks Stimme hier absichtlich so klingt, als käme sie leicht
rauschend von einer alten Vinyl-Schallplatte.
Auf jeden Fall kann man kaum anders, wenn man Fan des Genres ist: man muss
einfach noch’mal auf „Play“ drücken und sich die Scheibe ein zweites Mal
geben.
Mit gleich 10 Tracks hat das Album also einiges zu bieten, um genau zu sein: 10
fantastische Kampfar-Songs, ausgereift, fesselnd, adrenalinfördernd und meiner
Meinung nach das beste folklorelastige Pagan-Album des Jahres.
Anspieltipp:
"Mareham"
Punkte: 10 von 10
Review
von Twilightheart
Dolk/Kampfar
live on stage:
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