Draumar – "Gebirge"

Karge Welten Kunstverlag/ VÖ: 4. Mai 2012

"Orchestral Ambient Black Metal" aus Bayern… so umwirbt man den Stil der Band „Draumar“. „Gebirge“ heißt die CD, und nach kurzem Studium von Artwork und Texten ist klar, dass es sich thematisch um den Harz handelt. Warum will eine Band (genauer gesagt handelt es sich bei „Draumar“ um einen Einzelkämpfer an allen Instrumenten, ...bis auf etwas Gastmusiker-Zusatzhilfe bei den Aufnahmen) aus Bayern eine EP über den Harz machen, wo die Alpen ja quasi vor der Tür liegen? Nun, wer den Harz schon einmal bewandert hat, weiß, welch wunderbare Landschaften, versteckte Winkel, herrlich weite Wälder und einfach schöne Natur es da gibt. Ewig könnte man wandern, von einer Lichtung zur anderen, von einer Burgruine zur nächsten, und im Gegensatz zu den Alpen begegnen einem im Harz nicht ständig Horden anderer (Berg-)wanderer (außer vielleicht auf einigen extrem beworbenen Touristenwegen). Dass ein Bayrischer Künstler also eine EP zum Thema Harz veröffentlicht, darf wohl als großes Kompliment aufgefasst werden.

Schon bevor man die 20-minütige, aus 4 Sequenzen bestehende EP überhaupt anhört, kann man sich vom schönen Artwork verzaubern lassen. Auf alt gemachte bzw. im Gemäldestil verfremdete Fotografien der oben beschriebenen Landschaften zieren alle Bookletseiten und in nostalgischer Schriftart sind die deutschsprachigen Texte abgedruckt, welchen die Gedichte „Der Harz“ und „Bergmannslied“ von Novalis zugrunde liegen. Selbst ohne die Musik hegt man beim Lesen der Lyrics den starken Wunsch nach dem nächsten Sommer und vielen langen Wanderungen in der Natur. Doch nicht nur die Gegend wird umschrieben, nein, natürlich verbirgt sich auch ein wohlwollender Gedanke an all jene dahinter, die vor dem Komponisten auf ebendiesen Waldwegen wanderten, und immer auch ein Gedanke von Dank an den Wald als Rohstoffgeber für vieles, was uns das Leben leichter macht.

Zur Vertonung:
Das erste Stück „Auftakt“ ist ein reines Instrumentalstück. Nein, nicht ganz. Im Hintergrund deutet sich hauchzart chorale Untermalung mit Männerstimmen an, dazu Vogelgezwitscher und Keyboardtöne, die etwas heroisch und derb sind, so dass sie entfernt thematisch an Blashörner erinnern. Doch obwohl der Rest des Stücks eingängig und melodisch ist, ist er tatsächlich nichts als die Ruhe vor dem Sturm. Denn was danach mit dem Lied „Gebirge I“ hereinbricht, kann man kaum in Worte fassen, so gewaltig ist es. Nachdem eine choral-instrumentale Klangwand aufgebaut wurde, kommt nun auch Draumars Stimme ins Spiel, zuerst nur flüsternd und Neugier und Spannung aufbauend, aber kurz danach erfolgt ein verzerrter Schrei, der noch Summoning das Fürchten leeren könnte, und alsdann werden uns die Lyrics langsam und tragend und mit solch brachialer Wucht um die Ohren gehauen, dass man spätestens ab dieser Sequenz staunend und voller Respekt lauscht. Was für ein leidenschaftliches, erhabenes Stück! Klar, ganz viel Hall hat hier einen nicht unerheblichen Effekt auf den Klang der schneidenden Kreisch-Growls, doch wozu gibt’s die Technik, wenn man dadurch nicht auch das Maximum aus etwas herausholen kann!? Durch den in die Ferne gerückten Hall-Effekt hat das ganze eine mystische Komponente, die einfach grandios wirkt.

Am Rest des Klangs hätte man hier und da nachbessern können, allerdings wird manch Liebhaber des Ursprünglichen vielleicht auch gerade diese kernige Linie in der Musik passend zu Thema finden.

Im dritten Stück „Gebirge II“ setzt dich der Grundgedanke des Vorgängertracks fort, wenngleich hier ein wenig mehr aus sich herausgegangen wird. Durch den Einsatz von Flöten im Vordergrund wird das ganze gediegener und romantischer. Die Lyrics werden nun bruchstückhaft gesprochen, bevor irgendwann wieder diese volle Wucht aus „Gebirge I“ einsetzt und das machtvolle Gekreische fortgesetzt wird, begleitet von satter Instrumentierung aus Drums, E-Gitarren, Keyboards und Soundsampeln. Ganz großes Kino! 

Zu schade, dass es sich nur um eine 20-minütige EP handelt. Andererseits ist diese aber in sich schon so beladen und mitreißend, dass man eine 1-Stunden-Version davon gar nicht verkraften würde, weil die Gehörnerven vor lauter Genuss Schwerstarbeit leisten müssten. Da ist das vierte Stück „Gipfelstürmer“ mit seinem gleichbleibenden, langsamen Tempo und den romantischen Keyboard-Grundharmonien und den im Hintergrund leise durchklingenden Frauenchor-Sampeln beinahe eine Erholung von dem Impakt der beiden Mittelstücke.

Alles in allem möchte ich persönlich meine „Gebirge“-EP nicht mehr hergeben. Punkteabzug gibt’s hier nur für die klanglichen Makel. Würde man nur Emotionen und Hingabe bewerten, gäbe es hier selbstredend 10 von 10 Punkten. Selten hat man Künstler, die so gute Stücke schreiben können, welche so eine unglaubliche Wirkung an ihren Höhepunkt-Momenten haben und im Nachklang so sehr die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit und natürlich nach nochmaligem Durchhören der CD hinterlassen. Mehr davon bitte!

Anspieltipp: "Gebirge I"                                                                        Punkte: 9,5 von 10

Review von Twilightheart

 

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