Gorgoroth – "Quantos possunt ad Satanitatem Trahunt"

Regain Records/ VÖ: 21. Oktober 2009

Die offizielle Online-Promo von Gorgoroth’s "Quantos Possunt Ad Satanitatem Trahunt" (um die ganze Fragerei der Nicht-Lateiner mal zu beenden, das bedeutet: „So viele wie möglich werden zum Satanismus bekehrt“ und ist die Umkehrung eines christlichen Textes aus alter Zeit), die hier nun „zerpflückt“ werden wird, musste ich mir erst’mal zur Audio-CD umformatieren, damit ich sie im CD-Player hören kann (auf meinem PC hören sich die Tracks beschissen an, so blechern irgendwie, weil man die Bässe nicht so schön tief hört, was aber bei diesem Album essentiell ist für den Genuss > also unbedingt die GUTEN Boxen anschließen und den Bass aufdrehen!). 
Wie sich der eine oder andere Leser dieses Mags vielleicht denken kann, war ich, nachdem ich bereits eine Rohversion des Albums im Juni im Studio gehört hatte, SEHR gespannt, was im Endeffekt daraus geworden ist... und wie die offenen Passagen gefüllt wurden, die während der Aufnahmen noch diskussionswürdig waren. Was mir beim ersten anhören zuerst auffiel, war, dass Pest’s Stimme in der Art minimal „geschönt“ wurde, dass sie sauberer klingt. In der Roh-Version klang es mehr rau und garstig, was mir ehrlichgesagt besser gefallen hatte. Außerdem wurden einige Stücke noch'mal gekürzt. 
Auch ist mir bewusst, dass gar viele das Album in der Luft zerreißen werden. Einfach weil Gaahl nicht mehr singt. Man muss sich eben auf einen anderen Stil als bei den letzten paar Alben der Band einstellen und auf eine völlig neue (oder besser: die alte) Sing- bzw. Growlstimme. Für die älteren unter den Metallern, die Gorgoroth früher noch mit Pest am Mikro kannten, wird "Quantos Possunt Ad Satanitatem Trahunt" allerdings ein Fest werden.
Doch ich fange jetzt einfach mal von ganz vorne an und halte fest, was ich auf der Promo höre (und lasse Vergleiche zur Studio-Version ab sofort weg).

“Aneuthanasia” ist der nur etwas über 2 Minuten lange Opener des Albums und beginnt mit einem etwas übertriebenen „Ugh“ von Pest (wobei, nach so langer Abstinenz darf man auch schon’mal übertreiben und in die Vollen gehen) und ist das unruhigste und für meinen Geschmack knüppelndste Stück des Albums. Aber in seiner Funktion, den Hörer auf ein Album einzustimmen, welches nicht unbedingt zur Beruhigung der Nerven zu empfehlen ist, reicht es allemal. Soll ja wohl den fulminanten Einstand der neuen Band markieren, dafür darf es dann auch schon’mal garstig sein.

Mit dem zweiten Song „Prayer“ wird es annehmbarer. Ohne große Umschweife  breitet sich tragender, gemäßigter Black Metal aus, der den Gesang in den Vordergrund stellt (wenn man einigermaßen gut Englisch kann, versteht man die Lyrics sogar). Wunderbar ist Pest’s Growling herausgearbeitet und man hört die ersten Ausbruchsversuche der (hier noch stark zurückgehaltenen) Energie in Pest’s Stimme. 

Beim dritten Song kommt der Hörer dann endlich da an, wo’s am schönsten ist: beim längsten, schleppendsten und dafür gewaltigsten Song des Albums: „Rebirth“. Es geht um die Auferstehung Gorgoroth’s, wie aus den Lyrics unschwer herauszuhören ist. Der Song ist reine satanistische Essenz, in voller Stärke und vollem Glanz. Das langsame Tempo und die etwas tiefer gewählte Tonart geben dem Hörer dieses Gefühl, in der Mitte eines schwarzen Sogs zu sein, aus dem man sich nicht mehr selbst befreien kann. Man wird hineingezogen und ist fasziniert von der Macht dieser Kraft, die einen über 6 Minuten lang trägt. Das Drumming und Riffing wird nicht besonders ausfallend (da is nix mit Angeber-Soli im Mittelteil oder dergleichen Ablenkung), sondern passt sich durchweg dem gepressten Growling Pest’s an, das wieder führend ist. Die wie ein schwarzer Nebel kriechende Wand aus wuchtigen Gitarrenriffs ist trotzdem nicht zu überhören und bildet eine wunderbare Einheit mit dem bereits erwähnten Growling und dem Drumming, welches sich hier vermehrt der tiefen Töne der Bassdrum bedient. 

„Building a man“ wartet am Anfang mit einigen experimentellen Ideen auf und hat eine Grundmelodie, die mir persönlich nicht unbedingt gefällt. Doch schon bald gesellen sich hier Elemente zum Song, die das Ganze trotzdem interessant machen. Erstens mal wird Pest’s Growling giftiger und schlägt manchmal beinahe oben aus. Zweitens wühlt sich ein irres Drumming durch den Hintergrund des Songs. Es gibt etliche typische Black-Metal-Passagen, in denen man mit einer geballten Ladung an lärmenden, sich überlagernden Riffs und Tönen aller Instrumente zugedröhnt wird. Da das Stück nicht allzu lang ist, ist es trotzdem okay. 

Bei „New Breed“ strömt der Hass dann ungehemmt und voller Inbrunst. Drumming wie Gewehrschüsse, dominantes Riffing von Bass und Gitarre, leichte Disharmonien hier und da, Tempiwechsel von Midtempo zu schnell oder schleppend, und ganz ganz aggressives Growling (beinahe Kreischen) von Pest. Live wird dieser Song sicher schwer zu spielen, d.h. klangtechnisch problematisch sein, denn wenn man das nicht punktgenau so spielt, klingt es wahrscheinlich zu wirr oder unangenehm. 

Beim Beginn von „Cleansing Fire“ könnte man beinahe erschrecken, denn es klingt fast ein wenig thrashig bzw. rockig. Aber das sind glücklicherweise nur die ersten Sekunden. Danach schließt es sich stilmäßig an den Vorgängersong an, vielleicht etwas weniger hasserfüllt und dafür solider und in sich selbstsicherer. Später gesellt sich eine massive Gitarrenwand hinzu, die recht schneidend klingt und sich dadurch in’s Gehör brennt. 

„Human sacrifice“ ist auch nicht unbedingt mein Favorit, was die Melodien betrifft. Aber dafür ist dies ein Song, der so viele „versteckte“ Feinheiten enthält, besonders an Gitarren-Gimmicks, dass man wahrscheinlich erst nach 20-maligem Hören auf den Geschmack kommt, weil man immer wieder was Neues, Besonderes entdeckt. Könnte mir gut vorstellen, dass es mir bei diesem Song am Ende so geht wie bei „Maha Kali“ von Dissection. Den fand ich am Anfang auch ganz schrecklich, aber nachdem er erst einmal zu mir „durchgedrungen“ war, konnte ich nicht genug davon bekommen. „Human sacrifice“ ist also ein weiterer Kandidat dieser Art. 

“Satan-Prometheus” hingegen ist einer der Songs, die sofort einschlagen. Lyrisch könnte es eine Homage an den Rebellen Prometheus sein, der sich gegen seinen Gott aufgelehnt hat, um den Menschen das Feuer zu bringen, und somit ein wahrer Diener Satan’s war (wobei dies natürlich reine Spekulation ist... genauso gut kann es um jemanden gehen, der in der heutigen Zeit Parallelen von Prometheus' zu seiner eigenen Gesinnung zieht). In diesem Song wartet Pest neben seinem Growling auch mit klarem, tiefem Gesang (mehrmals übereinandergelegt) im Refrain auf, welcher einfach nur fantastisch klingt. Davon hätte es ruhig mehr geben können auf dem Album. Diese Refrain-Parts sind natürlicherweise etwas langsamer, aber im Großen und Ganzen ist der Song treibend, eingängig und erhaben. Gegen Ende des Songs gibt es einen unerwarteten Stilbruch, der dem Song noch’mal zusätzlich Esprit verleiht. Mit 5:37 Minuten ist es der zweitlängste Track des Albums und bildet vor’m Outro den eigentlichen gewaltigen Abschluss des Albums. Jetzt muss ich doch wieder auf’s Studio zu sprechen kommen: der Song endet so abrupt (wie "zu früh abgeschnitten"), sodass ich damals dachte, das Ende wird bestimmt noch’mal überarbeitet. Aber gut, nun weiß ich, dass es wohl volle Absicht war. Aber das ist eben Infernus: einfach mal einen kleinen Aufreger einbauen!

Der letzte kurze Track, mit dem das Album dann sein Ende findet, ist eine Aneinanderreihung von satanischen Texten, eingebettet in einige musikalische Akkorde und unterlegt mit mehreren angedeuteten Stimmen im Hintergrund, die sich bei dem gesprochenem Text zum Teil im Flüsterton einreihen. Gerade dieser Track hätte meiner Meinung nach viel länger sein können, denn er versprüht noch einmal eine majestätische satanische Aura und hinterlässt in seiner Gesamtheit wirklich Eindruck.

Dass die Qualität der Aufnahmen des Albums (technisch/klanglich) einwandfrei und ohne jegliche Mängel oder Schwächen ist, versteht sich von selbst. Da gibt es bei den neuen Gorgoroth überhaupt keine Kompromisse (hätte ich auch nicht anders erwartet). Bleibt also nur die Frage, ob es dem Hörer musikalisch/stilistisch gefällt. Meine Empfehlung geht dahin, dass Fans von Dissection das Album sowieso brauchen (auch wenn es vom Songwriting her natürlich ganz anders ist), und das nicht nur wegen des Drummings von Tomas Asklund, sondern um mal wieder ein Album einer Band in den Händen zu halten, die es wirklich ernst meint mit der satanistischen Lebenseinstellung und die dann auch noch die Gabe besitzt, diese in Musik umzuwandeln. Seit Jahren eingefleischte BMler werden um QPAST sowieso nicht drum’rum kommen.

Zur Erklärung der Punktevergabe: den halben Punkt Abzug gibt’s dafür, dass mir einige Melodielinien nicht gefallen (wobei mein Geschmack ja nicht das Maß aller Dinge ist und gerade eben diese etwas unverdaulicheren Melodien einem anderen dann vielleicht gerade gefallen... zumal es vielleicht ein Pluspunkt ist, wenn eine BM-Band mal etwas riskiert und eine ganz eigene Stimmung durch die Melodien erzeugt). Aber alles, was an diesem Album die Produktion, Qualität, die spielerischen Leistungen, die Umsetzung der Ideen, die Eigenständigkeit und dergleichen betrifft, ist top und hätte die volle Punktzahl verdient. 
Um es kurz zu machen: das Album strotzt vor Kraft und Selbstbewusstsein, und durch die satanische Aura, die es trägt, wird es für jeden echten Black-Metal-Fan von Interesse sein.

Anspieltipp: "Rebirth"                                                                        Punkte: 9,5 von 10

Review von Twilightheart

Gorgoroth live:

<<<zurück zu den "Reviews"

 

besucherzählerXStat.de