Gorgoroth – „Under the sign of hell 2011“
Regain Records - VÖ: 5. Dezember 2011
Die Veröffentlichung des komplett
neu aufgenommenen Gorgoroth-Albums “Under the sign of hell” scheint
insgesamt unter keinem guten Stern zu stehen. Das Label hat die Produktion immer
wieder verschoben. Eigentlich sollte das gute Stück ja schon Anfang des Jahres
2011 herauskommen und war da auch schon fertig. Nun heißt es, der Veröffentlichungstermin
ist der 5. Dezember (endlich!), dabei gibt es im Regain-Shop die Scheibe schon
in einer Vorab-Auflage (insgesamt wurden wohl 300 Stück gepresst) zu kaufen
(wird auch sofort verschickt, von zahlreichen Fans des Gorgoroth-Forums höchstselbst
getestet: Die alte UTSOH, wie wir sie mal abkürzen wollen, ist doch tatsächlich eine halbe Minute länger als die Neuaufnahme. Ich hätte jetzt einfach mal blind getippt, dass der lange „Abspann“ des Albums weggelassen wurde. Aber nach mir geht’s nicht. Der Grund der Zeitdifferenz liegt woanders: das 1:34 lange „Postludium“ auf der alten UTSOH gibt es auf der neuen nicht mehr, dafür ist „The devil is calling“ auf der neuen UTSOH eine Minute länger als das Original. Hm. Na ja, den eingefleischten Fan wird es freuen, dass (wenn man nach dem offensichtlichen geht) doch nicht ZU viel neu und anders ist. Aber vor diesem Urteil sollte man wohl besser erst mal reinhören. Um das Album zu rezensieren, MUSS natürlich der Vergleich zum Original herhalten, anders geht es ja gar nicht. Nun, zumindest ist der „ratternde“ Anfang von „Revelation of doom“ geblieben. Zwar hört man, dass die Qualität glattgebügelt wurde, aber trotzdem eröffnet der Song mit einem Heidenkrach, es scheppert und rumpelt gehörig. Nur nicht ganz so ohrenbetäubend wie auf dem Original, bei dem man immer automatisch die Ohropax rausholen wollte. Jetzt ist da viel mehr Bass in der Neuaufnahme, weniger Cymbals. Dadurch kommt es natürlich weniger rau und Garagen-Stil-like rüber. Aber das war ja zu erwarten, nachdem Tomas Asklund das Ding abgemixt hat. Leider ist Pests Stimme einfach nicht mehr die selbe. Auf dem Original hat er gefaucht wie ein tollwütiges Tier, und es kam im Mittelteil des Songs so voller Hass und Misanthropie rüber, dass einem ganz anders wurde. Auf der Neuaufnahme fehlt das atemlose Geröchel, es ist mehr ein durchdachtes Gurgeln, und die Stimme scheint auch gealtert zu sein. Aber eine gewisse Portion Wut ist schon noch erhalten geblieben, und man kann sich lebhaft vorstellen, wie geil der Song live kommen wird (soweit ich erfahren habe, wird Pest ja mit jedem kleinen Club-Gig immer besser und ist inzwischen ein Berserker auf der Bühne). „Krig“ schließt sich an und man möchte am Original eigentlich nur das Gitarrenriffing besser herausgehoben hören (und natürlich die kleinen Ungereimtheiten in der Synchronität aller Instrumente behoben wissen). Aber den fauchenden Charakter des Songs möchte man eigentlich nicht in der aalglatten Variante hören (inklusive des stellenweise hohen Ächzens im Hintergrund der Growlingkulisse). Nun ja, die Neuaufnahme dürfte dem einen oder anderen Fan sauer aufstoßen. Denn das Beißende im Song wurde stark zurückgenommen. Die Hintergrundgeräusche sind jetzt röchelndes Grummeln, die Gitarrenwände sind keine mehr, sondern nur noch sauber gespielte Linien. Dafür gibt es jetzt statt Schlagzeug-Sauhaufen ein klares Drumming. Man hört die einzelnen Beats und Klänge und die tiefe Bassdrum besonders gut. Der Song hat ein etwas anderes Arrangement, man versteht jetzt sogar einzelne Worte der Lyrics, wo man früher nur Growllaute vernahm, die alles hätten bedeuten können (nur das Wort „Satan“ hat man im Original auch schon gut verstanden). In der Neuaufnahme reiht sich alles schlüssiger aneinander, aber der bösartige, bissige Charakter ist dahin. „Funeral
Procession“ wirkt ja im Original etwas abartig. Die „Frauengesang“-Samples
wollen nicht richtig reinpassen, dafür ist die Grundmelodie ansteckend, die
Gitarren (x-fach verstärkt) lullen einen ein und ziehen einen mit. Pests Gesang
ist ruppig und schiebend. Mit
„Höllenwinden“ beginnt „Profetens åpenbaring“
im Original und dann scheppert und dröhnt es gewaltig, bis Pest mit seinem fast
opernhaften Gesang „Satan sender profetens syner“ dahinschmettert, später
die Stimmen noch mal leicht variiert eingesungen und drübergelegt, so dass es
zweistimmig klingt. Die ausladenden Gitarrenlinien haben so was Ratterndes und
auch ein wenig Nervtötendes, aber alles zusammen ergibt eine Wucht, die
ihresgleichen sucht. Dazwischen ein wenig Gekeife und ein schon im Original
passender Schlagzeugsound, echt und virtuos. Was will man da verbessern? Man könnte
ein wenig das ohrenbetäubende Krach-Element zurückfahren, aber sonst ist der
Song doch echt der Hammer, vor allem das Ende mit dem heiseren Lachen, dem
Gekeife und der noch mal hochgefahrenen Gitarrenwand, wenn man schon dachte, der
Song ist zuende. Und dann noch diese „Spielerei“ am Ende des Tracks, als hätte
man die Aufnahme einfach laufen lassen und noch aus Versehen mit draufgehabt,
was die Musiker gerade noch ihren Instrumenten herumgefummelt haben. Dass das „Postludium“ fehlt, hatten wir ja schon erwähnt (da hat das Album übrigens einen Fehler... auf der eigentlichen CD-Scheibe ist es nämlich noch aufgedruckt... da hat wohl jemand nicht aufgepasst und einfach das alte Design rüberkopiert.... uuuuh, wenn das mal nicht dazu führt, dass die gepressten 300 Stück eine Rarität werden, weil der Fehler auf der nächsten Pressung ja wohl eventuell behoben werden wird...?). Schade eigentlich, dass das Stück auf der neuen UTSOH nicht mehr drauf ist, denn es hat mit seinem verzerrten Rückwärtsgesang und dem „Wolfsknurren“ dem Album etwas wirklich Diabolisches gegeben. Weiter geht es also mit „Ødeleggelse og undergang“, welches ja in wirklich jeder Live-Show seinen Platz hat. Dieser Song wird offensichtlich heiß und innig geliebt von der Band. Verständlich ist es ja, der Track ist berauschend. Eine griffige Grundmelodie, tieftönende, markige Gitarrenlinien und dazu etwas kesseliges Schlagzeuggerassel a la UTSOH 1997 plus Pest in allen möglichen Varianten keifend und knurrend, während sich eine zusätzliche, wuchtige Gitarrenwand langsam aber sicher auftürmt. Auf dem Original sind die Gitarrenlinien hier und da unsauber gespielt, das Drumming hat kaum merkliche Aussetzer und der Kesselklang ist übermächtig. Verbesserungsbedarf ist also da, wobei man schon wieder Angst hat, dass es alles nicht so klingt, wenn der Kessel nicht ordentlich geheizt wird, dass das Underground-Feeling weg ist, wenn die Neuaufnahme durch ist (aber... ja... das war ja der Grund für die Neuaufnahme: Qualität statt Krawall... so weh das den Fans der ersten Stunde auch tut). Aber ganz so schlimm ist es nicht. Ich habe bei der Neuaufnahme stellenweise das Gefühl, das Original zu hören. Nur Pests veränderte Stimme suggeriert mir, dass es nicht so ist. Der Rasselmantel wurde ein wenig weggenommen, nun hört man ordentlichen, sauberen Beckenklang, nicht mehr einfach nur einfach einen Geröllschwall. Wobei in den Refrain-Teilen schon darauf geachtet wurde, nicht zuviel wegzunehmen, weil dieser Song einfach reinknallen muss. Und so geht es nun immer weiter. Ich möchte gar nicht auf alle weiteren Songs eingehen. Im Prinzip läuft es immer auf das Gleiche hinaus: kann sich der alte Stil gegen die neue Machart durchsetzen? Ich denke, man darf als Fan nicht den Fehler begehen, tatsächliche eine Verbesserung zu erwarten. Soll heißen, eine Verbesserung der Wirkung. Das „true“ satanische Underground-Gefühl mit ganz viel Raserei und höllischem Lärm gibt es nur auf dem Original. Man muss sich dessen bewusst sein, dass die Neuaufnahme dieses Gefühl nicht verstärken kann, weil UTSOH 2011 nun mal eine andere Art der Aufnahme ist. Mit Pests gereifter Stimme, mit getuntem Schlagzeugklang, mit sauber gespielten Gitarren, und ohne das ohrenbetäubende, instrumentale Schlachtengetümmel von UTSOH 1997. Die Neuveröffentlichung ist wie ein eigenständiges Album (ich will jetzt nicht Metallica als Vergleich heranziehen, die ihre Songs mit Orchester neu aufgenommen haben, aber so ganz von der Hand zu weisen ist es vielleicht nicht... durch eine ganz andere Machart ist das Ergebnis völlig anders, die Grundstimmung beim Hören ist ganz anders, man erkennt zwar die Melodien, sollte aber nicht von Verbesserung, Verschlechterung o.a. sprechen, sondern nur von Andersartigkeit, davon, mal alles aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten). Der eingefleischte Gorgoroth-Fan braucht also in JEDEM Fall weiterhin UTSOH original von 1997. UTSOH 2011 ist lediglich eine Zugabe, eine Bereicherung für diejenigen, die die Originale schon hunderte Male gehört haben und offen dafür sind, sie jetzt mal anders zu hören. Man könnte spotten, dass UTSOH 1997 Punkteabzug für spröden Garagensound und andere kleiner Patzer hinnehmen muss, und UTSOH 2011 Punkteabzug für das fehlende Underground-Flair bekommen sollte. Interessant wäre es natürlich, die Meinung von jemandem zu hören, der das Original gar nicht kennt. Vielleicht findet so jemand das neue Album ja total klasse, weil auch qualitativ so hochwertig. Wer weiß. Aber unter den Fans findet sich ein solcher Jemand nicht, insofern werden sie wohl alle die Alben vergleichen und zum Teil enttäuscht sein, zum Teil vielleicht auch froh, die Lieblingsstücke von Band und Fans mal in Variationen bzw. in aalglatter Qualität zu hören. An dem Album werden sich also die Geister scheiden. Aber das ist ja auch gut so, mit nichts anderem hat die Band gerechnet. Es führt kein Weg daran vorbei: reinhören und selbst urteilen! Anspieltip „Ødeleggelse og undergang“ 8,5 von 10 Punkten Review von Twilightheart
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