Koldbrann – "Vertigo"

Season of Mist/ VÖ: 25.Januar 2013

Fünf Jahre seit der letzten EP und sieben Jahre seit der letzten Langgrille sind ins Land gezogen und haben einen fast schon an der Existenz der norwegischen Kältewelt namens Koldbrann zweifeln lassen. Nun meldet sich der Fünfer mit „Vertigo“ zurück, welches schon durch sein Artwork zu bezaubern weiß. Hier machen klargezeichnete Linien klar, was den Hörer erwartet, man ist über das 08/15-Black Metal-Geschrammel definitiv hinweg, und was auf „Moribund“ zu erahnen war und auf „Opium“ bereits fast Pflicht gewesen ist, setzt sich auf „Vertigo“ klar in Szene. Filigran ausgearbeitetes Herantasten an die Essenz, und kein planloses Rumpeln mehr.

Bereits das durch und durch kalte, schleppend Urgehal-lastige Prachtstück „IntroVertigo“ und das darauf folgende rasante „Totalt Sjelelig Bankerott“ wissen damit zu prahlen. Dieselbe Intelligenz welche man bei neueren Mayhem-Alben erkennen kann, zieht sich durch manch einen Riff und die gedrosselte Melodie-Führung weiß eine gehässige Eiseskälte zu erzeugen. 

Enorm abwechslungsreich sind die Songs geraten. Anderthalb Minuten erscheinen oft wie ein ganzer Song, und doch bleibt das alte Koldbrann-Phänomen bestehen, dass es einige Zeit braucht bis sich die abweisend komplizierte Struktur einem ins Hirn eingebrannt hat.

Das nach dem Heimatort von Koldbrann benannte „Drammen“ ist hingegen ein anfangs straight langsam marschierendes Mistvieh, das sich gegen Mitte doch pochend in die groovende Tsjuder- und Urgehal-Richtung schraubt. Ein phänomenales „Uh!“, pfeilschnelle Gitarrenläufe und am Ende ein Wagnis der ersten Güte, ein arg unkonventionelles Shredder-Sweeping-Solo, das aber in seiner Machart perfekt zum gnadenlosen Machtwerk „Drammen“ dazupasst.

„Stolichnaya Smert“ ist wie der alte Gassenhauer „Bestial Swarm“ ein gelungenes Duett, das sich einen Dreck darum schert, in einer Sprache zu verharren, und urplötzlich zwischen Norwegisch, Englisch und Russisch hin und her wechselt. Das ganze wird dann noch von einem leichten Touch Old-School-Metrosexualität abgerundet, schrulligen Gitarrensoli und lässigem Black'n'Roll-Rhythmus. Selbstverständlich darf auch die Trompete nicht vergessen werden. Und eines ist sowieso gewiss: Schöner wurde dreckiger Sex noch nie besungen! 

Ein von der Grundstimmung der Lyrics an den düsteren Film Apollo 18 erinnerndes „Phantom Kosmonaut“ schlägt musikalisch eine Hommage an die bitterböse Dunkelheit dar. Monoton walzend aber trotz allem auch rockig.

„Goat Lodge“ ist wieder eine straighte Rocknummer vom Kaliber des bereits beschriebenen „Stolichnaya Smert“. Erneut sind starke Parallelen zu Urgehal und alten Vreid hörbar. Aufgemotzt auf die kompromisslose Koldbrann-Art! Dass es hier zu einem kleinen Blues-Ausflug kommt, macht die Kompromisslosigkeit dennoch nicht zunichte. Im Gegenteil, es ist eines der vielen Details, die hier am walten sind und den Stahl mit Perfektion zur edelsten Klinge schleifen.

„I Eklipsens Skimmer“ lässt sich da nicht lange bitten und steigt mit ausgefahrenen Krallen fleischschneidend ein und erhebt mit leichter Mayhem-Maskerade sich ebenso in die Fahrspur von „Goat Lodge“ einreihen zu dürfen. Macht das ganze dann aber eher mit monotoner Gorgoroth'scher Machart.

Ein episches Schlachtschiff erhebt sich am Ende der 48-minütigen Kälte-Expedition. „Inertia Corridors“ rollt langsam und mächtig daher und macht zwar keine nennenswerten Entdeckungen auf seiner Reise, bringt aber durch die gnadenlos finstere Atmosphäre und das Drumming das Album zu einem gut gesetzten Ende. 

Bei all den Vergleichen zu Bands wird klar, Koldbrann klingen so knallhart norwegisch, dass der Kauf einfach zur Pflicht wird. Denn auch wenn sich besonders die Urgehal-Note stark bemerkbar macht (nicht zuletzt ist das Album dem verstorbenen Tondr Nefas gewidmet), bleiben die Herren eigenständig, flexibel und innovativ, ohne großartig anders zu klingen als bisher. Dennoch ist ein beachtlich großer Fortschritt zu bemerken, den das Quintett in Punkto Songwriting gemacht hat. „Vertigo“ ist rockiger, avantgardistischer und offener als alle Vorgänger, und dennoch kälter, böser und härter als man erwartet hätte.

Fazit: Das Album klingt, als würde man die komplette Diskographie aller großen Black- Metal- Bands aus Norwegen zusammenschmelzen und die daraus entstehende CD im Eiskasten abspielen. Das Ergebnis mag erst mal ein wenig Tauwetter benötigen, aber dennoch: Pflicht für jeden Black Metal-Fan! Anwärter auf das beste Album 2013!

 

Anspieltipp: „Stolichnaya Smert“                                         Punkte: 10 von 10

Review von Surtr

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