Lunar Aurora – "Hoagascht"

Cold Dimensions/ VÖ: 2.März 2012

Då des voaliagnde Aibum auf bayrisch is, wiu i ausnahmsweis amoi o de Rezension auf bayrisch schreim. Oder? Na gut. Dann eben nicht. In Anbetracht der Tatsache, dass es dann nur die wenigsten Sheol-Leser verstehen könnten, also doch kein Review auf bayrisch, sondern wie immer in bestem (?) Hochdeutsch. ;-) 

Schon Wochen (oder waren es gar Monate?) vor Veröffentlichung des Albums „Hoagascht“ von den Rosenheimer Urgesteinen „Lunar Aurora“ wurde ich von einem Kollegen regelmäßig an dessen baldiges Erscheinen erinnert, entweder mit News zu irgend welchen Trailern, die vorab erschienen (und vorgesungenen "Hörproben" derselben), oder einfach mit freudiger Erwähnung dessen, was mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Wenn ich wochenlang mit soviel Vorfreude konfrontiert werde, komme ich natürlich um die Rezension nicht umhin. Wohl auch deshalb nicht, weil wir hier ein Album vorliegen haben, dessen Lyrics fast komplett auf bayrisch verfasst sind. Dieses Novum allein verdient es ja schon, dass man dazu entweder eine Warnung oder eine Empfehlung unters Volk bringt.

Die CD (hier die Digi-Version) besticht mit gezeichnetem Artwork (schneebedecktes Alpenvorland) und einem weiteren Bild auf dem Cover des beiliegenden Booklets, welches die Nachteule zeigt, die im 2. Song des Albums besungen wird. Die weitere Gestaltung des Booklets, welches mit vielen Seiten daherkommt, ist puristisch gehalten. Schmale Zeichnungen am Rand der Seiten dekorieren Exzerpte der Lyrics, von denen jeweils einige prägnante Zeilen zum Abdruck ausgewählt wurden. Die Mitte des Booklets zieren Fotos der beiden Protagonisten Whyrhd und Aran, stilecht in bayrischem Filz/Grobstrick, während die Gesichter blackmetallisch bzw. mimisch ernst festgehalten sind. 

Nach der Wartezeit von fast 5 Jahren nach dem letzten Album wurde also bei „Hoagascht“ dem ersten Eindruck nach nicht gespart an allem, was dem Album den Schliff gibt, den die Künstler sich vorgestellt haben. Auch musikalisch wird dieser Eindruck bestätigt.

Das Album beginnt allerdings zuerst mal auf hochdeutsch. Mystische Synthesizer-Klangharmonien eröffnen den Track „Im Gartn“ und eine Sprechstimme, halb ernst, halb mit dem Charme eines Märchenerzählers, lullt den Hörer sanft ein. Man wird in die Geschichte hineingesogen, umschmeichelt von sanften Klängen von Keyboard & Co., langsam und tragend, sogar ein wenig wehmütig. Doch bevor man sich’s versieht, werden einem die ersten Black-Metal-Granaten um die Ohren gehauen, und zwar mit ordentlich viel tiefem Bass unterlegt. Dazu Gitarrenwände der ganz harten Sorte. Das haut direkt ordentlich rein. Die fesselnde Keyboardharmonie bleibt erhalten, aber ansonsten hauen einen die BM-Riffs förmlich um und tiefschwarze Stimmung macht sich breit. Das Growling ist ebenfalls tief und angenehm zu hören, weil es völlig natürlich und nicht so gepresst wie bei manch anderem Sänger rüberkommt. Lyrisch geht gleich dieser Song in die vollen. Der Tod, dem man hier in gedanklichem Alleingang begegnet, wird sowohl einerseits als der Gefürchtete angesehen, aber auch als der, der am Ende allen Erlösung bringt. Das ganze klingt auf bayrisch überhaupt nicht albern, wie manch einer vielleicht vermutet hätte (ich konnte es mir zugegebenermaßen auch nicht vorstellen), sondern durch den tieftönenden, grimmen Grundton klingt das Ganze genauso klasse, wie BM in einer „echten“ Fremdsprache geklungen hätte (d.h. das selbe Album auf Norwegisch hätte klanglich auch funktioniert, wobei die bayrische Mundart natürlich fast exotischer ist als die sonstigen „Verdächtigen“ unter den „BM-Sprachen“).

Mit dem Geschrei der „Nachteule“ beginnt gleichnamiger zweiter Track des Albums. Tiefes, tragendes Getöse eröffnet den Song, ansteckendes BM-Drumming gesellt sich hinzu, und ich bilde mir ein, dass der Song kontinuierlich unheimlicher wird. Lyrisch wird die Geschichte bildlicher. Hier mal ein Auszug, frei übersetzt: „Nachteule…du schaust, als ob du Blut an meinen Händen siehst, Nachteule…als ob du mich irgendwie erkennst, Nachteule…so als ob ich dir meine Sünde beichten würde.“ In diese Zeilen kann man natürlich jede Greueltat von seiten des Künstlers hineininterpretieren, oder einfach nur die Auseinandersetzung mit seinen eigenen Dämonen, in dem Moment, wo sich der Verfasser der Zeilen im Wald von der Nachteule ertappt fühlt. Das Growling gleitet im weiteren Verlauf des Songs beinahe ab in blutrünstiges Knurren eines wilden Tieres. Doch all die befremdlichen Visionen, die sich einem beim Hören hierzu auftun könnten, sind nichts gegen das, was der dritte Song hinsichtlich Vorstellung hervorrufen kann. 

„Sterna“ ist zwar lyrisch verhalten und beinahe sentimental (wenngleich auch durch das ganze ein Hauch von Todeskälte weht), aber musikalisch ist es einfach ein einfach ein ultra-brutales Stück. Wer eine ordentliche Soundanlage hat, möge den Bass gut einstellen. Dieser ist hier omnipräsent und man hat das Gefühl, er haut einem das Trommelfell raus, so tief und massig wütet er. Das Tempo wechselt von midtempo zu langsam und zurück, und auch wenn die Grundmelodie gewöhnungsbedürftig ist, so bleibt die Stimmung des Songs einerseits fies und lauernd, andererseits faszinierend, eben wegen des unergründlichen, schwarzen Gefühlssogs, dessen Kraft immer stärker wird. 

Kann „Beagliachda“ (Berglichter) da noch einen draufsetzen? Ihr müsst schon zugeben, das Wort klingt auf bayrisch viel geheimnisvoller als auf hochdeutsch. Dieses Lied beinhaltet Anleihen einiger melodischer Experimente, da hört man den einen oder anderen klingenden Ton in der Hintergrundmelodie, auch wird das ganze durch Samples aufgepeppt, die einem helfen, die selbstzusammengeschusterte Story in der Vorstellung zu visualisieren. Aber der Grundtenor des Songs bleibt genau wie bei den Vorgängern bedrohlich und böse. Klangwände und volle Instrumentalisierung geben dem Stück viel Intensität und viele zu entdeckende Kleinigkeiten, je öfter man es anhört. Auf jeden Fall ist man an diesem Punkt des Albums so sehr „drin“ und involviert, dass es unmöglich ist, jetzt abzuschalten. Man wird emotional mitgerissen und Hoffnung auf Entkommen ist aussichtslos. 

Weitere 4 Songs werden auf dem insgesamt 52-minütigen Werk geboten, alle nicht minder aufregend als die ersten Lieder. Nervenaufreibende Spannung bleibt bis zum Ende von „Hoagascht“ erhalten und das raue, durchdringende Growling in Verbindung mit der packenden Musik erzeugen zusammen einen ungeheuren Nervenkitzel, der Horrorfilm-Emotionen freisetzt. Manchmal geht die Tonlage so tief runter und die wuchtige Taktung erzeugt so viel Vibration und Brutalität, dass man wohlig und entsetzt zugleich erschaudert. 

Aller Erwartung zum Trotz stört der Dialekt auf dem Album überhaupt nicht, im Gegenteil, er gibt dem Werk einen eigenen, eiskalten Touch, der gut zum BM passt. Am Sound und an sonstigen Klangdetails ist von der Qualität her nichts auszusetzen, alles gut bearbeitet. Aber auch in schlechterer Klangqualität wäre das Album die brutale Härte schlechthin! Unglaublich starke, eindrucksvolle Arbeit! Suchtpotential = 100%.

Anspieltipp: "Sterna"                                                                              Punkte: 10 von 10

Review von Twilightheart

<<<zurück zu den "Reviews"

 

besucherzählerXStat.de