Minas Morgul – "Eisengott"

Heiden Klangwerke/ VÖ: 24. Oktober 2009

Die Todesschwadron Ost hat wieder zugeschlagen, dieses Mal mit dem neuen Minas Morgul – Album „Eisengott“. 
Wenn man die Aufmachung und das Cover des Werkes sieht, könnte man sagen, die Band haut damit ganz schön auf den Putz. Ob die Musik dem gerecht wird, was das Cover verspricht, wird in diesem Review einmal peinlich genau unter die Lupe genommen.

Das Intro dieses Albums ist sehr bizarr... beinahe klingt es wie die Untermalung einer Science-Fiction-Filmszene, in der sich (wenn man es passend visualisieren wollte) aus metallischen Einzelteilen ein furchterregendes Maschinenwesen zusammensetzt. 
Beinahe erschrecke ich beim ersten Track, als ich die Drums höre... klingen irgendwie dumpf und pappig. Wahrscheinlich nur eine Sound-Spielerei ... später wird dies zum Glück besser. Überhaupt hat dieser erste Song „Der letzte Tag“ insgesamt zu viele thrashige Einlagen, wo die Gitarren einfach nur ziellos „schrammeln“. Nur ab und an schleichen sich ein paar geile Riffs und Drumlinien ein. Nun ja, es geht ja lyrisch um den letzten Tag... da dieser sicher nicht angenehm sein wird, kann es wohl auch nicht die Musik sein, die ihn beschreibt. Allerdings könnte die Rastlosigkeit und Aggressivität in diesem Song auch als Vorbote dessen gemeint sein, was uns auf dem Rest des Albums erwartet: Ungeduld, Aufbruch- und Kampfstimmung? Man wird sehen...
„Sohnes Faden“ ist da schon besser. Zwar gibt es auch hier viele thrashige „Lückenfüller“- Passagen, aber im großen und ganzen ist es ein rasantes Stück mit einem nachvollziehbaren Konzept, hingebungsvollem Growling, ein paar ansteckenden Gitarrenriffs, einem jagenden Bass, und mit  Einlagen klaren Gesangs, die leider zu sehr in den Hintergrund treten. Ich glaube, das Plus dieses Songs ist seine hervorragende Live-Tauglichkeit, er hat ein paar massive Mörderriffs, die zum headbangen einladen und ruhig von etwas längerer Dauer hätten sein können.

Richtig packend und kämpferisch ist der vierte Song „Minas Morgul“. Gitarrenwände... treibendes, schweres Riffing, sehr leidenschaftlicher Gesang voller Inbrunst, voranpreschendes Drumming. Lyrisch geht es nicht um die Band, sondern um Tolkiens „Minas MorguI“ (wobei die Band sich sicher nicht umsonst auch so genannt hat... wenn die Fans bei den Live-Gigs die Refrainzeilen mitsingen werden, dann wird dies sicher keine Huldigung an Tolkien, sondern an die BAND). Im Mittelteil gibt es einen mit Hall unterlegten gesprochenen Part, der dem Stück etwas Epik verleiht (da die meisten anderen Instrumente hier etwas zurücktreten, hört man den Bass auch mal sehr schön, der einen knackigen Klang hat... im Gegensatz zu den Gitarren, die zwar unüberhörbar im Vordergrund dominieren, aber klanglich etwas vermissen lassen, was ich schwer in Worte fassen kann). 
„Eisengott 2.0“ ist ein sehr gewaltiges Werk, in dem alle Register gezogen werden. Das bisher beste Lied des Albums! Die geballte Ladung aller Instrumente stürzt in einer hohen Dosis auf den Hörer ein, beinahe ist es schon überladen. Aber selbst wenn, die gewaltigen Gitarrenflutwellen in diesem Song sind grandios und das Growling ist brutal (hätte trotzdem durchweg lauter sein können für meinen Geschmack). Ganz großes Lob für die Lyrics, besonders natürlich für die letzte Strophe! Beim Anhören bitte nicht einfach als Gemetzel-Ausgeburt abtun, sondern mal wirklich zuhören und verstehen, was real gemeint ist. Ihr habt bereits Hollywood-Filme über das Thema gesehen, nun gilt es noch zu verstehen, dass die Zukunft tatsächlich auch im echten Leben in euren eigenen Händen liegt. Ihr allein solltet bestimmen, was Wertigkeit besitzt und was nicht! 
Der nächste Song „Rot“ ist wahrscheinlich so einer, mit dem man als Frau dann doch nichts anfangen kann. Aber ich glaube, die Männer werden ihre Freude an diesem gnadenlosen Gemetzel (diesmal tatsächlich) haben und der Refrain lässt sich ja auch hervorragend mitgrölen. Ansonsten fehlt mir hier wie gesagt der Zugang dazu, lediglich das ein oder andere Gitarrenriff hat etwas Mitreißendes, und das Growling will mir auch gefallen, da es (wie auf dem restlichen Album auch) sehr leidenschaftlich ist. 
„Totes Leben“ hingegen empfinde ich wieder als besonders gelungenen Song. Hier befasst sich der Verfasser der Lyrics mit einer Frage, die ich mir auch schon oft gestellt habe: „Wer sieht wie ich?“. Der Text ist eine Homage an die Erkenntnis (auch Selbsterkenntnis) und eine Aufforderung an die Menschen, ihren Verstand zu benutzen. Die wuchtige Art, mit der dies instrumental und stimmlich dargeboten wird, macht den Song zu einem fesselnden Stück.
Auch im Nachfolger „Sinn und Ziel“ wird weiter über das Leben, die Welt, die Menschen und ihr (Nicht-)Begreifen sinniert. Dass das Wirken und die Lehren der Ahnen für viele ihre Bedeutung verloren haben, ist nur ein Bruchteil der im Text versteckten Vorwürfe. Die Lyrics lassen natürlich Raum dafür, dass jeder seine eigenen Erfahrungen, Schwächen, Stärken, Werte, Nachlässigkeiten etc. hineininterpretiert und die sehr energisch vorgetragenen Texte vielleicht als Denkanstoß begreift. Ein tief-dunkel brodelnder Bass und abgefahrene Gitarreneinlagen steuern ein Übriges zum Gelingen dieses rasanten Songs bei. 
Auch „Hüter der Zeit“ kommt authentisch rüber... ich steh auf diese zwar simpel gereimten, aber eingängigen, Gänsehaut verursachenden Texte, die einem alle Vergänglichkeit vor Augen führen können. Jetzt ist das Album auch an dem Punkt, wo man noch stundenlang weiterhören könnte. Jetzt passt und fließt alles. Man hört die Feinheiten im Spiel jedes Instrumentes gut, der Growlgesang passt von der Lautstärke her perfekt rein, man hört jetzt sogar das Schlagzeug noch deutlich heraus, selbst wenn sich davor gerade wieder eine der gewaltigen Gitarrenwände aufbaut. Ein rundum gelungenes Prachtstück!

Um dem finalen Track des Albums, „Wende“, gerecht werden zu können, müssen sich Minas Morgul jetzt mal den lyrischen Vergleich zu Riger gefallen lassen. Ich behaupte nämlich jetzt einfach mal, wer Minas Morgul mag, mag Riger erst recht. In  „Wende“ geht es um anonyme Schreiber im Weltnetz (für die, die nur noch mit den Anglizismen vertraut sind: das ist das Internet), die (wie lächerlicherweise selbst schon bei Moonsorrow und Týr geschehen) mit den unsinnigsten Argumenten versuchen, einigen Pagan-Bands bedenkliche Ansichten in politischer Hinsicht zu unterstellen. Mag bei manchen Bands zutreffen, aber bei vielen eben nicht. Und bei Minas Morgul schon’mal gar nicht. Und was nun den Vergleich betrifft: das Thema wird dem ein oder anderen natürlich aus Rigers „Schöpfer der Hetze“ oder „Zunft der Lügner“ bekannt vorkommen. Also stelle ich doch einfach mal die naheliegende Frage in den Raum: Wurde hier einfach nur bezüglich der Idee abgekupfert? Antwort: Nein! Begründung: Minas Morgul geht das Thema auf ganz natürliche Weise etwas an, da sie sich leider auch oft mit den leidigen Anfeindungen auseinandersetzen müssen, einfach nur, weil sie zum Pagan-Genre zählen (und manch einer jeder Pagan-Band gerne ans Bein pissen will, ohne noch zu differenzieren). Insofern ist es nur legitim, dass sie sich mit dem Thema beschäftigen und das Bedürfnis haben, ihre Sichtweise zu schildern. Zumindest haben sie es geschafft, lyrisch ganz anders vorzugehen als Riger, und darauf kommt es natürlich an... selbes Thema, aber völlig eigene Interpretation und eigene Ideen in der Umsetzung. Musikalisch ist der Song natürlich sowieso ganz eigenständig. Es beginnt mit einer Ladung hämmernder Bass- und Drumgranaten, die immer tiefer und bedrohlicher werden. Dazu gesellen sich ausdrucksstarke Gitarrenlinien und garstige Sprecheinlagen. Das Growling von Frontmann Rico ist zum Teil nachbearbeitet, so dass es an passender Stelle hasserfüllter klingt. Man will sich eben nicht mehr zu Unrecht aburteilen lassen und „Wende“ spiegelt dies und die damit verbundene Kampfansage wider.
Mit diesem Geschoss endet „Eisengott“ also. Wie erwartet ist das Album höchst glaubwürdig, insgesamt vielleicht etwas stürmischer als erwartet, gespickt mit vielen guten Ideen, an manchen Stellen vielleicht etwas langatmig oder vom Sound her gewöhnungsbedürftig, was aber spätestens beim nächsten Trümmer-Riff wieder wettgemacht wird. Trotz allem nicht ganz leicht verdaulich, es braucht schon ein paar Durchläufe, um sich mit „Eisengott“ anzufreunden, aber dafür knallt es später umso besser. 

Soweit ich weiß, gibt es momentan nur die Version, wo gleich auch noch eine Live-DVD mit beiliegt. Diese leider mit einem Gig, der zu viele von ganz weit hinten aufgenommene Szenen enthält. Wenn ich beim Konzert ganz hinten stehe, ist das frustrierend, wieso nimmt jemand eigentlich an, dass das bei einer Live-Aufnahme anders ist? Außerdem wurde zuviel vom Applaus und Mitgrölen der Fans rausgeschnitten (bis auf einige Parts, wo es wirklich eine Frechheit gewesen wäre, das jetzt auch noch rauszuschneiden, wie alle lauthals mitsingen). Wenn ich die Musik ohne Jubel der Fans hören will, kann ich das Studio-Album hören. In einer Live-Aufnahme sollte das meiner Meinung nach keinesfalls rausgeschnitten werden. Auch nicht, wenn zwischen den Songs noch 3 Minuten lang weiterapplaudiert wird, schließlich macht das die Live-Atmosphäre aus. Aber gut, das ist sicher Geschmackssache. Die wahren Minas-Fans wird es auf jeden Fall freuen, dass es die Live-DVD kostenlos mit dazugibt (zumindest damals beim Helion-Festival wurde der Album-Pack auch nicht teurer verkauft als eine normale, einfache Neuerscheinung... was beim Mailorder vielleicht draufgeschlagen wird, sei dahingestellt). 
Damit CD, DVD und das fast A5-große Booklet auch reinpassen, kommt das ganze in schöner A5-Aufmachung zum aufklappen. Alle Texte sind im Booklet abgedruckt. Was das Inlay betrifft, so wurde hier dieses mal auf standartisierte Fotos der Bandmitglieder, wie sie alle möglichst böse schauen, verzichtet. Stattdessen gibt es witzige Zeichnungen der Bandmitglieder. Was es genau ist, soll an dieser Stelle allein den Käufern des Albums vorbehalten bleiben...

Anspieltipp: "Totes Leben"                                                                                Punkte: 8,5 von 10

Review von Twilightheart

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