Nebelkrähe – "Entfremdet"

Selbstproduziert/ VÖ: 26. Juni 2009

Mit Spannung habe ich das erste full-length-Album „entfremdet“ der Münchner Band „Nebelkrähe“ erwartet, die bereits mit ihren Live-Auftritten mein Interesse geweckt haben. 

Leider finde ich gleich die Wahl des ersten Songs (als Opener) nicht ganz gelungen, denn er ist der Track, der am Wenigsten hermacht. Er beginnt mit sehr einfachen Tönen, und hätte ich die Band nicht schon von ihren Auftritten gekannt, hätte ich an dieser Stelle die Promo wahrscheinlich erst’mal at acta gelegt und das Reviewen auf (sehr viel) später verschoben.... Intros aus einfachen Tönen, die noch nichts hermachen, lassen ja im Normalfall darauf schließen, dass der Rest des Albums eintönig ist. Dies trifft zwar hier nicht zu, aber gerade deswegen ist dies einer der Gründe, warum die Wahl des ersten Songs m.E. unglücklich ist. Auch wegen des Titels „Blick vom Ebenholzturm“, denn dies vermittelt irgendwie den Eindruck, dass es sich hier um Lyrics a la „Herr der Ringe“ handeln könnte. Auch dies stellt sich als Trugschluss heraus und die Texte haben damit nichts zu tun. Auch wird in diesem Song noch nicht ganz klar, dass es eigentlich im Konzept des Albums liegt, experimentell zu sein. So denkt man beim „Blick vom Ebenholzturm“ noch, dass zum Beispiel die teils abstrakten Drum-Linien eventuell nicht gewollt, sondern das Ergebnis von Verspielern sind. Aber es ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen. Zumindest die Vocal-Performance ist bereits im ersten Song schon großartig. Kratzbürstig speit umbrA die deutschsprachigen Lyrics heraus und schindet damit schon’mal großen Eindruck.
Ab dem zweiten Song wird es musikalisch etwas annehmbarer. Nun stellt sich dem Hörer der Stil der Band etwas klarer dar und er kann sich auf die eigenwilligen und experimentellen Melodien & Riffs und vor allem das abgefahrene Drumming einlassen. Besonders gelungen ist der Mittelteil, in dem nach einer kurzen, ruhigen instrumentalen Bridge ein brachialer Growling-Ausbruch von umbrA erfolgt. 
Der dritte Song „Lichtbringer“ ist zu Beginn eine Ausgeburt an Kreativität. Disharmonien und Tonabfolgen, die wirr bzw. so klingen, als wären sie rückwärts oder „durcheinander“ gespielt, leiten ein gekonntes Tonwerk ein. Zum treibenden Takt der Kreation gesellt sich neben dem Growling auch klarer (wenn auch klanglich verfremdeter) Gesang und zusammen werden die Lyrics (deren Message beim näheren Studieren einen bitteren Beigeschmack hinterlassen, weil wohl wahrscheinlich wahr) dahingeschmettert. 
Das vierte Stück „Mein ungleich’ Ebenbild“ ist ein unstetes, dahinbrodelndes Stück voller Aggressionen, dessen Hintergrund sich in den Lyrics offenbart. Es geht um das uralte Thema, sich selbst zu erkennen (symbolisiert durch den Spiegel und die Maske, die man im Spiegel sieht und herunterreißen sollte, wenn man den Mut hat... ). 

Insgesamt enthält das Album 8 Songs (einer davon rein instrumental bzw. mit einem einzigen Wort endend), die allesamt viele progressive, experimentelle Elemente enthalten (auch wenn das Grundgerüst dem des Black Metal am nächsten scheint) und vor neuen Ideen nur so strotzen. Auch haben die vielen Eigenheiten und Abstraktheiten des Albums (sowie die Lyrics, die nicht immer sofort durchsichtig sind) den Vorteil, dass man „lange was dran zu hören hat“, sprich, es ist eines jener Alben, die bei jedem Durchlauf wieder Neues offenbaren und immer wieder noch kleine Überraschungen in Form von Besonderheiten bereithalten, die man beim letzten Durchlauf noch nicht mitbekommen hatte.  

Es wird bestimmt vielen schwerfallen, dem Album eine Chance zu geben, da einfach keiner der Songs leicht verdaulich ist, sondern einiges an Offenheit erfordert, um in sich selbst einen Weg für diese Musik zu finden. Die, die es dennoch wagen, Nebelkrähe’s Musik an sich ranzulassen, werden dies letztendlich mit hoher Wahrscheinlichkeit als Bereicherung für ihr musikalisches Spektrum empfinden.

Anspieltipp: "Als meine Augen ich aufschlug..."                                                    Punkte: 8 von 10

Review von Twilightheart

Nebelkrähe live 2009:

 

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