Orange Goblin – "A eulogy for the damned"

Candlelight Records/ VÖ: 14.Februar 2012

Es ist Valentinstag. Und in der Bar meines Vertrauens wünsche ich mir von Carcass „Cross my Heart“ aufgrund der markanten Textzeile „Cross my heart, come cross the line - Won't you be mine, my bloody valentine?“. Dieser kitschige Tag der Liebenden zählt für mich erkennbar nicht unbedingt zu den Tagen, die ich mir in meinem Metalkalender fett anstreichen muss. Trotzdem erscheint an diesem Tag die absolute Kampfansage an alle Romantiker in Form von rotzigem Heavy-Stoner-Rock aus dem Hause von Candlelight Records. Es handelt sich um die neue Scheibe von Orange Goblin: „A Eulogy for the Damned“. 

Zeit wird es auch, dass Orange Goblin neues Ohrenfutter auf den Markt bringen, denn nach dem Erscheinen der letzten Scheibe „Healing through Fire“ sind auch schon wieder fast fünf Jahre ins Land gezogen. Es ist schön zu wissen, dass England immer noch funktionierende Motoren hat, die Doom und Stoner Rock am Leben lassen und nebenbei der guten alten Birminghamer Schule zu neuem Leben verhelfen. Eben dies passiert definitiv auf „A Eulogy for the Damned“. Das ganze Album ist ein weiterer Faustschlag ins Gesicht, denn Orange Goblin geben sich hier ganz bewusst wieder den „Big Black“-Zeiten hin, und schaffen es fast jedem Song etwas Besonderes zu verleihen. 

Gerade der erste Song „Red Tide Rising“ rockt geradlinig in absolut typischer Orange- Goblin- Manier. Mit einem treibenden Riff und lässigen Drums startet die Scheibe. Nicht all zu lang muss man warten ehe dann Ben Wards seine Röhre walten lässt und sofort ist man mitten drin in der Groove-Welt der Engländer. Der Prechorus hat dabei eine gewisse Ähnlichkeit (wahrscheinlich unabsichtlich aber trotzdem hörbar) mit dem Mainriff von „Demon of the Fall“ von Opeth. Die selbe düstere Atmosphäre lässt sich auf jeden Fall nicht verleugnen. Dem geht auch die Gesangslinie entgegen und haucht den Song in ein mysthisches Licht. Trotzdem kommt aber die verspulte Stimmung zum Vorschein und kokettiert mit der fadenscheinigen Nähe zu schwarz angehauchten Songs a la Celtic Frost und Venom. Im Interludium werden dafür die Black-Sabbath-Riffs ausgepackt. Ein wuchtiger Einstieg. Aber er umreisst schon jetzt ganz gut was einen auf dem Album erwartet. 

„Stand for Something“ geht dafür eher freundlicher zu Werke und lässt sich mit einem langsameren Motörhead-Song vergleichen. Mit coolem Gute-Laune-Refrain, der als Partykracher überzeugen kann. Ohne aber dabei die Lässigkeit außen vor zu lassen. Das Solo geht in die selbe Richtung des Refrains und unterstreicht die Freundlichkeit. Die Sonnenbrille kann man dazu getrost auspacken.

Auf dem dritten Track, der auf den Klischee-Titel „Acid Trial“ hört, wird riffbetont die Schwere der Gitarrenarbeit von Joe Hoare demonstriert. Auch hier finden sich leichte schwarzmetallische Spielweisen in den Rhythmen, die unter voller Zügelmontur ganz vorsichtig ans Tageslicht stoßen und nur erahnbar sind, wenn man bewusst seinen Fokus darauf setzt. Ben Ward setzt dem ganzen mit seinen Lyrics, die die Scheinwelt von Drogenräuschen thematisieren, eine dunkle Stimmung auf. Danach rockt sich die Platte wieder ein wenig zügiger in bestem Saint Vitus-Feeling durch die Ohren und „The Filthy and the Few“ gesellt sich zu Songs der Marke „Magic Carpet“. Old School Doom Rock der Spitzenklasse. Danach geht es mit „Save me from myself“ wieder entspannter zur Sache. Der Gesang geht in die charakteristischen gesprochenen Parts über. Lässig, aber bis jetzt die erste Bremse des Albums. „The Fog“ weiß da nicht mehr zu überzeugen und dümpelt ein wenig vor sich hin. So geht dem Album in der Mitte ein wenig die Puste aus. 

Glücklicherweise klatscht mit „Return to Mars“ eine sprichwörtliche Rückkehr zu qualitativ hochwertigeren Gegenden auf den Tisch. Mit treibenden Rhythmen rotzt sich dieser Koloss durch die Anlage und versprüht den Charme von Kyuss zu besten Zeiten. Obwohl der Song mit zweieinhalb Minuten recht kurz bemessen ist, schafft er es gerade gegen Ende mit Hi-Hat-Pedal-Passagen zu punkten und sich in die Gehörgänge zu graben und macht klar: So schnell wird er von dort auch nicht verschwinden.

Danach folgt für mich der absolute Kracher des Albums: „Death of Aquarius“. Brachial, treibend, rockig-rotzig, mit einer bestechenden Gesangslinie die auch Lee Dorian gefallen hätte und markanten simplen Leads. Gerade der letzte Teil ist sehr interessant gestrickt worden. Würde man erst ab dem Outro einschalten, würde man denken, dass eine Black Metal-Band Rock 'n' Roll zocken würde. Glorreich!

Bevor es Richtung Ende geht, rockt „Bishop's Wolf“ nochmal genial durch die Lautsprecher und spielt mit langsamen doomigen Stellen, die im Kontrast zu Harmond-Organs stehen. 
Den Abschluss macht dann der Titeltrack und hier kommt es für mich zum größten Interpretationsspielraum auf dem ganzen Album. Zunächst wird hier nicht gewohnt Sabbath ausgepackt, sondern eher glamouröser Heavy Rock der 70er kommt zum Vorschein. Für mich sind hier ganz viel Scorpions (Coast to Coast!) im Spiel, aber auch... nun... irgendwie auch nicht. Dazu kommt diese Captain-Beyond-Spielerei, die sich in den Licks, die sich in die ansonsten (für Orange-Goblin-Verhältnisse) recht epische Stimmung einschieben. Auch Led Zeppelin a la „Kashmir“ macht die Stimmung aus. Alles klingt nach: Irgendwo schon einmal gehört, und doch so neu, so frisch. Daran beißt man sich, wenn man möchte, echt die Zähne aus. Aber genau das ist es auch was den Song so interessant macht, obgleich er auch ohne die Einfluss-Spekulationen schon großartig klingt. Am Ende ziehen sich Soli über den tollen Main-Riff und so endet das Lied und damit auch das Album in verspulten Instrumentalpassagen.

Nach 49 Minuten steht fest: Das Album rockt ohne Zweifel! Orange Goblin können fast schon behaupten, das beste Eisen aus dem Feuer getaucht zu haben, was jemals ihre Schmiede verlassen hat. Es klingt frisch und unverbraucht. Gewohnt rauchig in der Stimme, gewohnt lässig im Rhythmus, gewohnt heavy in der Saitenbearbeitung. Songs mit Hitpotenzial wie „Red Tide Rising“,  „Stand for Something“ oder „Death of Aquarius“ machen das ganze umso schöner. Ich bin jetzt schon gespannt wie die Songs live auf den Festivals dieses Jahr klingen werden. Definitiv ein Album, was neben Klassikern wie Big Black und Frequencies from Planet Ten bestehen wird. 

Wen die Nachricht von Iommies Ausfall für die diesjährige Festival-Saison mitnimmt, findet bestimmt Trost in dieser Scheibe. Für Fans des Genres sowieso ein Muss. Und für unbedarfte Hörer, die weder mit der Richtung noch mit Metal allgemein etwas anfangen konnten. Hiermit darf eingestiegen werden. 

Es lässt sich fast nichts beanstanden außer ein paar unnötigen Lückenfüllern in der Mitte und den ein wenig den Fluss hemmenden Temposprüngen. Doch hier hört man ein Album, was den Engländern den Thron der Doom- und Stoner-Zunft leerräumt und zu längerem Verweilen einlädt. Fantastisch!

Anspieltipp: "Death of Aquarius"                                                      Punkte: 8 von 10

Review von Surtr

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