Primordial – "Redemption at the puritan's hand"

Metal Blade/ VÖ: 23.April 2011

Manche Bands überraschen einen jedes Mal aufs Neue, wenn man denkt, das neue Album KANN das letzte nicht toppen, einfach weil das letzte in sich selbst so einzigartig und perfekt ist, dass man sich eine Steigerung einfach nicht vorstellen kann. Mit Steigerung meine ich keinesfalls Elemente aus der „Schneller - technisch perfekter - durchgestylter“ - Fraktion, sondern einzig und  allein die Emotionen, die ein Album beim Hörer hervorrufen kann. Doch Primordial haben es mit „Redemption at the Puritan’s Hand“ tatsächlich geschafft, mich beim ersten Durchhören so zu fesseln, dass es mir tagelang nicht möglich war, zwischendurch ein anderes Album bewusst anzuhören. Und so verwundert es mich auch nicht zu hören, dass bei den beiden Release-Gigs in Essen und München alle Exemplare des neuen Albums, die vor Ort vorhanden waren, restlos ausverkauft waren. 

Trotz der Tatsache, dass man gleich zu Beginn jedes einzelnen Songs den ureigenen Stil der Iren erkennt, haben sie es geschafft, dem Album einen eigenen individuellen Touch zu geben. Und wie bei jedem Album der Band haben sie sich in ihren durchschnittlich 7 bis 9-minütigen Songs lyrisch wieder selbst übertroffen und mal eben die wichtigsten Erkenntnisse und Werte, die ein Mensch  haben sollte, wie ganz selbstverständlich in den konzeptionellen Kontext ihrer Texte eingebaut. Doch von vorne:
„No grave deep enough“ beginnt ernst und mit leicht bedrohlichem Unterton. Leider ist gleich der erste Track nicht der stärkste und hinterlässt durch eine gewisse Sperrigkeit und durch streckenweise getriggert klingende Drumlinien (zusätzlich zum normalen Schlagzeug-Sound) einen bitteren Beigeschmack. Nichtsdestotrotz ist der Track eine gute Einstimmung auf das, was da noch kommen wird. Es ist nicht der mitreißendste, aber trotzdem wuchtig und vorwärtstreibend. Auch wertet der emotionale Gesang von Alan, der höchstens noch durch etwas Kratziges in der Stimme an Growling erinnert, aber ansonsten klar und deutlich gesungen ist, den Song enorm auf.

Bei „Lain with the wolf“ werden hingegen die ganz großen Geschütze aufgefahren. Der typische Primodial-Sound der vergangenen Alben gewinnt die Oberhand, wenngleich auch noch etwas verfeinert.... düsterer und intensiver. Was wir hier hören können, ist zu 100% Alan. Leidenschaftlich wie ein Mensch nur sein kann singt er sich durch die Höhen und vor allem die Tiefen seines eigenen Empfindens, setzt sich mit der Bestie in ihm selbst auseinander, auf der Suche nach sich selbst, nach Sinn, nach dem Ende der inneren Zerrissenheit, vielleicht sogar auf der Suche nach Gott oder dessen Negierung. Dabei ließ man in diesem Song vieles subtil einfließen, was dem Song Charakter verleiht. Nicht nur, dass Alan mal stoisch, mal überschwenglich singt, mal fast nur spricht (was technisch noch etwas nachbearbeitet und „trockener“ gemacht wurde), auch in sich malt die Melodieführung eigene berauschende Landschaften, die von gewaltigen Gitarrenwänden getragen werden und den Hörer gefangen halten. Dieser Song wird die Menschen ansprechen, die mit eigenen Dämonen kämpfen und das Gefühl nachvollziehen können, welches sich in dieser musikalischen Ausgeburt an Inbrunst widerspiegelt. 

„Bloodied yet unbowed“ steht dem Vorgängertrack an Ernsthaftigkeit in nichts nach, auch wenn er stilistisch eigene Wege geht, auf denen man die gewohnten Primordial-Pfade immer mal wieder verlässt, um dann zurückzukehren. Der Song hat musikalisch etwas mehr Kühle und Schwärze, aber ist lyrisch trotz allem extrem aufwühlend. Der Text erinnert mich an etliche Songs von Quorthon, in denen er sich mit dem Sinn des Lebens auseinandersetzt bzw. damit, ob er wohl jemals etwas getan hat, was ihm nicht entspricht und vergeudete Zeit war. Genau wie Alan kam schon Quorthon zu dem Ergebnis, dass er NICHTS bereut und dass die, die sich nie trauen, im Lauf des Lebens mal was „falsch“ zu machen, um ihre Grenzen auszutesten oder um ganz sie selbst zu sein, einfach nur bedauernswert sind, weil sie das wahre Leben verschlafen haben. Natürlich geht es auch darum, wie schwer es ist, trotz vieler Widerstände ganz man selbst zu bleiben, sich nicht kaufen oder einschüchtern zu lassen. Es geht darum, den Weg zu gehen, auf den das eigene Herz einen führt, statt einfach nur den bequemsten Weg zu gehen, der einem Vorwürfe oder Ablehnung durch andere ersparen würde. Es tut gut, aus diesen Lyrics herauszuhören, dass es noch Menschen gibt, die zu dem individuellen Weg stehen, den sie gewählt haben und nichts bereuen.

„Gods old snake“ ist ein recht aggressiver Song. Musikalisch und lyrisch wird den Menschen vor Augen gehalten, dass kein Gott es für sie richten wird, sondern dass die Menschheit kurz vorm Kollaps steht, dem nur der Mensch selbst Abhilfe schaffen könnte (wenn er denn aus seinem Dornröschenschlaf erwachen würde, was momentan wohl eher nicht absehbar ist).

„The mouth of Judas“ beginnt recht ruhig und sehr depressiv. Langsamer, aber bedrückender Gesang mit sehr zurückgenommener Instrumentierung im Hintergrund dominiert den ersten Teil des Song. Später wird es sogar noch düsterer. Alans Gesang ist klagend, bitter und sehr effektvoll. Erneut versucht er, sich ehrlich zu betrachten und setzt sich im Text mit seiner dunklen Seite auseinander. Mir persönlich ist es ein Rätsel, wie jemand so offen sein kann, dass er solch tiefgehende Emotionen mit anderen (ihm selbst unbekannten Menschen) teilt. Andererseits kann man in Menschen wohl nur etwas bewegen, wenn man sich öffnet und sie im Herzen berührt...

Nach diesem Hammertrack tut es beinahe gut, dass „The black hundret“ etwas leichter verdaulich ist. Nicht so bedrohlich, eher unterhaltend durch besondere Samples und viele instrumentale Variationen, eben eine musikalische Spielwiese, auf der es viel zu entdecken gibt bzw. die einfach ein bisschen Abwechslung zum sonstigen Konzept darstellt (rein was die Tonkunst betrifft, der Text ist auch hier tiefernst).

Nach dieser kurzen Verschnaufpause haut „The Puritan’s hand“ wieder umso mehr rein. Jedes nur erdenkliche Gefühl von Verzweiflung über wütendes Aufbegehren bis hin zur Resignation werden in diesem Lied, welches sicher maßgebend für den Albumtitel war, umgesetzt. Das ganze Versagen der Menschheit scheint in diesem einen Song zusammengefasst zu sein, und am Ende steht wortgewaltig verpackt Alans Vorwurf an uns alle.

Bleibt nur noch „Death of the Gods“ als letzter Track, der schwermütig schleppend, aber gleichzeitig hochmelodisch seinen Weg in die Sinne findet. Natürlich erinnert die Titelwahl an „Twilight of the Gods“, was bei Bathory-Fan Alan natürlich naheliegend würde. Aber der Anschein trügt ... trotz einiger Parallelen in der Botschaft. In geschichtlichem Kontext „versteckt“ wird der Menschheit ein weiteres Mal ein Spiegel vorgehalten. Die von „Gott“ vorgegeben Grenzen sind längst überschritten, am Ende will der Mensch frei sein (bzw. das, was er dafür hält) und hinterlässt dabei eine Jahrhunderte lange, blutige Spur...

Und so endet Primordials fesselndes Meisterwerk. Viele von euch werden das Album bereits ihr Eigen nennen. Denen, die es noch nicht haben, kann nur nahegelegt werden, es sich noch zu besorgen, zumindest dann, wenn euer Geist mal wieder den Drang nach wirklichem Tiefsinn und großen Emotionen verspürt.

Anspieltipp: "Bloodied yet unbowed"                                                             Punkte: 10 von 10

Review von Twilightheart

Fotos von Album-Release-Gig gibt’s HIER.

 

Primordial live:

 

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