Underground
pur! Mit ganz üblem Garagen-Sound wird man gleich zu Beginn dieser MC
schockiert. Jeder, der nicht hart im Nehmen ist, wird hier das Tape abstellen.
Doch wer ein gewisses Gefühl für BM hat, wird weiterhören, denn bereits das
Einleitungsstück hat etwas für sich, offenbart es doch in viel BM-Raserei auch
einen kurzen Einblick in tiefe Melancholie. Es ist ein gewisses Gefühl, was
bereits hier transferiert wird. Nicht dass man es beschreiben könnte, aber es
macht neugierig, was da noch dahintersteckt. Und so hört man weiter.
Nachdem „Im Wandel der Gezeiten“ abrupt beendet wurde, wird man mit „M“
direkt in das Auge des Orkans geworfen. In brodelndem BM-Sound werden einem mit
intensivem Growling ein paar Texte reingewürgt, die einen nicht mehr loslassen.
Gleich hier wird mit unglaublicher Intensität eine Weltsicht und das sich
dadurch im Songschreiber manifestierte Martyrium dargestellt, in welchem der
Schmerz vieler Jahrhunderte gesammelt zu sein scheint und sich in kurzen, prägnanten
Zeilen niederschlägt, die in ihrer unwiderlegbaren Wahrheit erschütternd sind.
Wie von
Seelenfrost nicht anders gewohnt, besticht die Gestaltung der MC durch feinste
Details und liebevolle Gestaltung. In silber auf schwarz wurde dem Inlay das
bestmögliche Design zuteil, um die Hingabe der Künstler zu ihrem Werk zu
unterstreichen (die Lyrics der durchweg deutschsprachigen Songs sind vollständig
abgedruckt). Das Cover hingegen ist schlicht gehalten. Der Mond und die von ihm
beschienenen Wolken sind zu sehen. Eben jener Mond ist Titelgeber für den Track
„Die Farbe des Mondes“, in welchem über diesen bis hin zur Einsamkeit der
Nacht bzw. die Art von Kälte, die sich durch die Gedanken an einen Menschen,
der nicht mehr da ist, in der Seele festsetzt. Das ganze ist anfangs etwas
„harmloser“ gehalten, während es im Endteil zu einem Aufschrei in Form der
Musik wird. Der Tonbereich wird tiefer, die Melodien rasender, schwärzer, in
Gewissem Sinne bedrohlich, weil man das Gefühl hat, Zeuge der seelischen
Raserei des Künstlers zu sein. Das sich anschließende „Wanderer der
Finsternis“ ist dagegen tragender, gesetzter... die Lyrics sind hier weniger
gehaltvoll, bieten somit Raum, sich treiben zu lassen, denn was danach kommt,
wird an den mentalen Kräften zehren.
„Am alten Mosaik“ kommt lyrisch mit einzelnen Wortfetzen aus, Schlagworte,
die jeder für sich selbst interpretieren kann und mit seinem eigenen Leben in
Verbindung bringen kann, wenn gewollt. Zwischen lyrischer Resignation und
Reflektion einer vielleicht noch nicht verlorenen Hoffnung wird der Song
musikalisch durch einen vorwärtsdrängenden Grundrhythmus, undurchdringliche
Gitarrenwände, klangvolles Drumming und extrovertiertes Growling zum Leben
erweckt. Das Gekrächze schwankt von garstig bis zu aggressiv und hasserfüllt.
Die letzten Worte, die gesprochen werden, werden dem Hörer vorwurfsvoll
hingeworfen und man kann es kaum ertragen, da die Wahrheit in diesen Worten erdrückend
ist.
Ebenso schwer zu ertragen sind auch die Texte des folgenden Songs „Sei mir
gegrüßt, Melancholie“. Wie der Titel schon verrät, entbehren die Lyrics
nicht eines gewissen Sarkasmus’. Der Verfasser der Zeilen öffnet sich und
beschreibt, wie die Melancholie ihn einerseits runterzieht, ja geradezu
verbrennt, andererseits aber auch unerschöpfliche Inspirationsquelle für seine
Musik ist. Fantastische Lyrics! Die Musik wird dem natürlich angepasst. In
manchen BM-Passagen klingt es schöpferisch, drängend, dann wieder kommen
traurige Keyboardmelodien durch (allerdings muss man hier sagen, dass das
Keyboard so eingearbeitet ist, dass es mit eher tiefen Tönen unterstreichend
wirkt, nie drängt sich eine Keyboardmelodie als unpassend, zu konträr oder zu
dominant in den Vordergrund). Insgesamt ein beachtliches Werk, bei welchem man
sich dann doch mal viel bessere Klangqualität auf der MC wünschen würde, um
das ganze ausschweifend genießen zu können.
Gewaltig klingt
„Metamorphosis“ mit dem Stück „Gezeitenend“ aus, in welchem Teils mit
Samples, teils mit verfremdeten Keyboardtönen eine Vision vertont wird, wie
sich das Ende allen Lebens anhören könnte. Leider klingt das Stück zu
unsauber aus, was den Genuss etwas beeinträchtigt. Wobei man es vielleicht
nicht Genuss nennen sollte, sondern die letzte finale Angstvision, die auch
gleichzeitig das Ende allen Leids einläuten wird.
Was Ideen und Absichten betrifft, verdient das Album 10 von 10 Punkten, auch
lyrisch ist es Kunst. Allerdings muss der wirklich kompromisslose
Undergroundsound und das musikalisch nicht ganz perfekte Level zum Punktabzug führen.
Dagegen bringen Hingabe und das Gefühl, was das Album insgesamt hinterlässt,
wieder Zusatzpunkte. Trotz allem: die MC ist nur was für echte
Underground-Fanaten.
Anspieltipp:
"M"
Punkte: 7 von 10
Review
von Twilightheart
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