Seelenfrost – "Im Schatten toter Worte"
Eigenproduktion/ VÖ: 14. Sept. 2009
Spannend wird es, wenn eine CD äußerlich so unfassbar schön gestaltet ist, dass man denkt, der Inhalt muss dazu passend ebenfalls unglaublich sein. So auch bei „Seelenfrost“, die nach sage und schreibe 5 Promos in drei Jahren nun ein vollwertiges Album produziert haben und dieses zum Reviewen eingeschickt haben. Ich muss euch einfach zuerst das Design beschreiben. Das Album kommt als Digipak, aber wenn man zwei mal aufgeklappt hat, kann man noch eine halbe Zusatzseite aufklappen (dafür gibt’s kein weiteres Inlay, was rausfallen könnte) und das Material ist dünner als Pappe, aber trotz der Flexibilität nicht allzu empfindlich. Vielleicht durch die Struktur, die sich in der Oberfläche des Materials befindet und es unglaublich edel aussehen lässt (sieht man im Web natürlich nicht bei den Bildern vom Cover). Die Schwarz-Weiss-Fotografie des Waldes, welche das Frontcover ziert, ist direkt in’s Material eingearbeitet (wobei das Weiß der Fotografie hier in Silber umgewandelt ist) und darauf hebt sich in silberfarbener Schrift der Bandname und der Albumtitel „Im Schatten toter Worte“ ab. Die selbe alte, wunderschöne Schrift und weitere Verzierungen bzw. in silber-schwarz gehaltene Fotos finden sich innen im Digipak, und der CD selbst wurde das Rillen-Design einer alten Vinyl-Platte verpasst. Eine liebevollere Gestaltung habe ich selten gesehen. Bleibt die Angst, der Inhalt des Albums könne nicht im Entferntesten mit dem Aussehen mithalten. Beinahe möchte man aus dieser Befürchtung heraus das Album nicht anhören. Aber gut, letztendlich muss nicht nur das Review geschrieben werden, sondern die Neugier siegt sowieso. Also zur Musik: Passend
zum Rillen-Design der CD könnte man meinen, der CD-Player hätte Probleme damit
und spielt aus Versehen die groben Rillen ab, zumindest beginnt der erste Track
„Im Schatten toter Worte“ tatsächlich mit einem quietschigen Klang, der
beinahe in den Ohren wehtut. Doch zu diesem Intro gesellen sich einzelne
Synthesizer-Akkorde, die aber alsbald verklingen, und kurze Zeit später bekommt
man die volle Black-Metal-Breitseite. Eine Grundbasis aus BM-typischen Gitarrenwänden,
schnellen Basslinien und solidem Drumming baut sich auf und hinzu kommt eine
weitere Gitarrenlinie, die dem Grundgerüst nun die Virtuosität hinzufügt.
Leider ist die Aufnahme-Qualität nicht allzu berauschend, aber da das Album
selbstproduziert ist, kann man eben keine Perfektion erwarten. Aber gerade
dieses etwas Dumpfe im Klang verleiht dem ganzen nun natürlich wieder ein
gewisses echtes Underground-Feeling, wie es schon die ersten Bathory-Alben
hatten. Und da die Musik dafür umso ernster gemeint ist und man durchgängig
das Gefühl hat, hier hat jemand seine ganzes Innerstes in ein Album gepackt und
sein ganzes Herzblut geopfert, hat man auch nicht das Gefühl, aufgrund der
mangelndes Aufnahmequalität über’s Ohr gehauen zu werden. Man stellt sich
das ganze entweder automatisch in besserer Qualität vor oder lässt den
Underground-Klang einfach seine Wirkung entfalten. Aber wie auch immer man damit
umgeht, es rückt sowieso nach kurzer Gewöhnungsphase in den Hintergrund. Der
dritte Track „Als kalter Regen...“ bietet eine kurze Verschnaufpause vom
knallharten BM, Gewitterregen wird eingespielt und ein paar einfache, beinahe
schon leicht romantische Gitarrenakkorde tun ein übriges zur Stimmung. Die (bis auf eine leider nicht gelungene Ausnahme) deutschsprachigen Lyrics des Albums sind von der Wort- und Dichtkunst her auf hohem Niveau, aber inhaltlich so gehalten, dass im Prinzip jeder etwas anderes hineininterpretieren könnte. Was ich hineininterpretiere, würde manch einem allerdings das Blut in den Adern gefrieren lassen, insofern behalte ich es besser für mich. Aber einen Konsens bei allen Hörern gibt es sicher dahingehend, dass die Inhalte hochgradig deprimierend sind und oftmals den Verfall bestimmter Werte bestätigen. Es liegt nun am Hörer, ob man dies einfach als Bestätigung für eigene Einsichten nehmen will oder durch eine bestimmte Sichtweise wieder Kraft daraus zu schöpfen versucht. Auf jeden Fall ist fast jeder Text doppeldeutig. Jede Anlehnung an die Natur („Frag den Wind niemals nach Stille... frag den Sturm niemals nach seiner Macht“) kann immer auch als Metapher für menschliche bzw. gesellschaftliche Verhaltensweisen oder Eigenschaften ausgelegt werden. Könnte Zufall sein, ...eigentlich geht es tatsächlich um die Natur, wird manch einer denken. Möglich. Aber ich unterstelle dem Songschreiber einfach mal soviel Intelligenz, dass all dies absolut durchdacht und jede Doppeldeutigkeit sehr wohl beabsichtigt ist, und dass in dieser die Message verborgen ist, die uns die Künstler zukommen lassen wollen. Insgesamt bietet das Album 11 Tracks, die jeweils immer etwas anders gehalten sind. Zwar bleibt der düster-brodelnde BM-Kessel der selbe, aber dadurch, dass jeder Track ein in sich geschlossenes Werk mit etwas variierenden Ideen ist, kommt keine Eintönigkeit auf. Der größte Pluspunkt der Band ist ihre Authentizität. Seelenfrost kommen mit dem, was sie tun, so hundertprozentig echt rüber, dass man es, sobald man das Album gehört hat, kaum wagt, sich nicht näher mit den Texten und dem tieferen Sinn zu beschäftigen. Der größte Minuspunkt des Albums ist sicher der Sound, der auch den Punkteabzug in meiner Wertung begründet (natürlich zusammen mit der Tatsache, dass es sich nicht um Ausnahmemusiker erster Güteklasse handelt). Der Sound ist wirklich nichts für Sammler glattgebügelter Alben aus Europa’s Top-Studios. Insofern ist dieses kleine Gesamtkunstwerk wie schon einige wenige Alben vorher mein spezieller Geheimtipp nur für Fans von andersgeartetem BM, bei dem Leidenschaft, Ehrlichkeit und Treue zu sich selbst im Vordergrund stehen, sowie das Bestreben, sein eigenes Denken und Erleben vollkommen integer und in höchster Wahrhaftigkeit für die Hörer und die Zukunft in Form von Musik festzuhalten. Anspieltipp: "Sturm der Illusion" Punkte: 7,5 von 10 Review von Twilightheart
|