Shining – "Redefining darkness"

Spinefarm Records/ VÖ: 29.Oktober 2012

Es stellt sich die Frage, ob man das neue Shining-Album tatsächlich noch reviewen muss. Nein, Werbung brauchen die Schweden um Niklas Kvarforth nun wirklich nicht mehr. Aber man kommt um die musikalischen Ergüsse des abgefucktesten Typen Schwedens wohl einfach nicht mehr herum. Wie schafft es dieser Mensch nur immer wieder, mit seiner Musik einen verborgenen Nerv im Innern Vieler zu treffen? Man wollte eigentlich nach dem letzten Album bereits meinen, die Thematik endlosen Selbsthasses und der Verachtung der Menschen sei bereits erschöpft, zumindest lyrisch. Aber nein. Herr Kvarforth weiß, wie man noch mal einen draufsetzt, und zwar richtig. Er streut direkt neues Salz in die alten Wunden und lässt sie wieder und wieder bluten.

Doch von vorne:
Zwar lässt die äußere Aufmachung des Albums, welche im Vergleich zu den Vorgängern schlicht und beinahe bescheiden ist, einen Stilwechsel vermuten, aber da täuscht das Cover wohl.  Jedenfalls sollte sich die geneigte Hörerschaft vom Äußeren nicht blenden lassen. Dieses mal gibt es Hass, Blut und Einsamkeit nicht auf dem Cover, dafür aber in den Liedern wie gewohnt reichlich. Natürlich enthält das Album wie immer genau 6 Tracks, die jeweils um die 7 Minuten Länge herumdümpeln, aber dieses Mal sind einige Texte auf Englisch, einige auf Schwedisch. Mir persönlich hätte es komplett in Schwedisch besser gefallen, aber mich fragt natürlich keiner.

Gleich der erste Song „Du, mitt konstverk“ (da muss man natürlich kein Schwedisch können, um den Titel übersetzen zu können) entfaltet von der ersten Sekunde an eine schwermütige Stimmung, wie man sie von Niklas gewohnt ist. Selbst in den schnellen Passagen, in denen nur mal ein Schrei inmitten rumpelnden Getöses abgesetzt wird, ist diese kalte, Kvarforth-typische Dunkelheit immer präsent. Man entkommt ihr einfach nicht. Wenn da nur ein Funken Misanthropie oder gar Selbsthass in einem ist, kann man sich mit der Seele der Musik identifizieren und wird gnadenlos in ihren Bann gezogen. 

Was die Lyrics des ersten Songs betrifft, so stelle ich mir am Ende die Frage, ob Niklas über sich selbst in der dritten Person singt, oder ob er ein beliebiges Gegenüber meint. Wahrscheinlich ist beides hineininterpretierbar. Der Text gipfelt textlich in „Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte lass mich dich verletzten“. Nun, derartiges war zu erwarten gewesen. Doch dies soll kein Negativpunkt sein, denn wenngleich die Lyrics in gewisser Weise vorhersehbar sind, so sind die Melodien in den langsamen und den Midtempo-Passagen immer wieder aufs Neue schön und berührend. Auch der Songaufbau ist in gewisser Weise genau wie schon immer: inmitten wütenden Getöses erhebt sich plötzlich eine wunderschöne Melodie, , der man sich nicht entziehen kann und die ohne Metal-Geschepper im Hintergrund auskommt. Selbst wenn einem der Rest des Songs nicht zusagen sollte, so sind es diese herzergreifenden Harmonien inmitten der Songkonstrukte, die es immer wieder rausreißen. Diese Passagen, die so sehr ans Gemüt gehen bzw. das Herz berühren, sind es wohl auch, die einem klarmachen, dass Niklas extreme Emotionen durchlebt und hier in seinen Liedern manifestiert, wie sie einfach nicht jeder zu fühlen imstande ist. Manches Mal trägt er wohl gefühlt den kompletten Weltschmerz allein in sich. 

Und das wird beim zweiten Track nicht besser, der auf Englisch ist, was wohl jetzt der neue Weg Shinings ist, ob man es mag oder nicht. Aber dass der Text von „The ghastly silence“ von jedem zu verstehen ist, ist eine gelungene Sache, denn der Anfang des Textes lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Im weiteren Verlauf werden die markerschütternden Lyrics beinahe geflüstert, dies  in tiefer Tonlage, was besonders genial und gleichzeitig grauenvoll kommt. Diese Passage verlangt automatisch die 100%ige Aufmerksamkeit des Hörers, denn sie geht wirklich tief. Und auch hier wird man von der Grundmelodie davongetragen und ist nicht fähig umzukehren. Zu sehr ergreift die Melodie von allen Sinnen Besitz. Da möchte Niklas unbedingt zu den Verachtenswerten dieser Welt gehören, aber wenn man dann solch grandiose Kompositionen von ihm hört, ist man unweigerlich geneigt, zu seinem Talent und der musikalischen Wertigkeit seiner Kunst aufzuschauen. 

Der dritte Song „Han som hatar människan“ („Er, der die Menschheit hasst“) kommt eher spröde und sperrig daher. Der Anfang ist ein typischer Niklas-„Ich knall euch mal eben meine Verachtung vor den Latz“-Affront. Und das eine oder andere „Ugh“ erinnert mich stark an Songs auf den Vorgängeralben. Nur ganz minimal schleichen sich hier Melodiefetzen ein, die als melodisch bezeichnet werden könnten. Der Grundtenor bleibt Hass und Abweisung.

Ein weiteres Highlight ist der mehrsprachige Song „Hail darkness hail“, dessen Lyrics zwar im ersten Moment simpel klingen, aber wenn man es mal an sich ranlässt und ergründet, was gemeint ist, verschlägt es einem die Sprache. Das Finale des Songs („Without you, there is no light at the end of the tunnel“) umschmeichelt sehr sanft die Gehörgänge und klingt eigentlich viel zu harmonisch für diese Lyrics, die pure Resignation widerspiegeln. 

Das fünfte Stück ist ein Klavier-Instrumentalstück. Wunder-, wunderschön, aber natürlich tieftraurig und melancholisch .... es hat was von der „Mondscheinsonate“, nur in „schwarz“. Es geht sanft über in den finalen Song „For the God below“, der wieder auf Englisch ist. Das Lied beginnt sehr melodisch, beinahe täuscht es ein wenig versöhnlich an, bevor es ausbricht und Niklas noch einmal rotzig aus sich rausgehen kann und wieder unglaublich misanthropisch wird. Der Text dieses Liedes ist allein schon Finale genug (Niklas macht hier unwiderruflich klar, dass die Dunkelheit ein Teil von ihm ist, die nichts und niemand von ihm nehmen kann, lyrisch hat er dies brillant gelöst). Dazu kommt ein letztes Mal eine eingängige Melodie, die man nicht mehr aus dem Kopf kriegt und die den Song als Highlight perfekt macht. 

Mir persönlich fällt es immer schwer, auf den Shining-Alben irgendwelche Spielqualitäten zu beurteilen (wenngleich nicht zu überhören ist, dass besonders die Gitarrenarbeit bester Stoff ist), denn die Songkonstrukte sind in sich so stimmig, dass man einfach darin versinkt und sich gar nicht auf Feinheiten konzentrieren will, weil es vom Gesamtgefühl ablenken würde. Man möchte das Album einfach endlos auf Repeat laufen lassen und sich willenlos treiben lassen.
Doch in jedem Fall ist die Aufnahmequalität 1A, darüber muss man nicht diskutieren. Wie schon beim letzen Shingíng-Album habe ich auch bei „Redefining darkness“ keine Wahl als dem Werk 10 von 10 Punkten zu geben. Es ist authentisch, mitreißend, ergreifend, voller Tiefgang und tiefschwarzer Emotionen, und all das verpackt in bester Gesangs- und Klangqualität. Wie immer gilt ganz einfach: hate it or love it, there’s nothing in between!

Anspieltipp: "For the God below"                                                                    Punkte: 10 von 10

Review von Twilightheart

 

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