Skaur – "Skaur"

Eigenproduktion/ VÖ: November 2011

Vielleicht einmal im Jahr trudelt hier eine Promo ein, die einem als Reviewer Hoffnung macht, dass es sich um eine vielversprechende neue Band handeln könnte (neu im Sinne von „mir bisher unbekannt“), die den Spirit aufrecht erhält, den bereits Quorthon besang.
Allein das Booklet des Debut-Albums „Skaur“ der gleichnamigen norwegischen Band anzuschauen, bereitet Freude.  Cover und Rückseite zieren Gemälde von norwegischen Fjord- bzw. Küstenlandschaften, gemalt von einem norwegischen Künstler des vorletzten Jahrhunderts. Die CD selbst ziert der Baum des Lebens. Im Hintergrund der im Booklet abgedruckten, durchgehend norwegisch-sprachigen Texte gibt es Fotos von norwegischen Bergen (bzw. vom Mastermind der Band auf dem Gipfel eines solchen mit ausgebreiteten Armen im rauen Wind), Wäldern, von einem Sonnenuntergang und, wo es passend ist wie im Song „Om sorg og helvete“ („Über Trauer und Hölle“), eine brennende Grablandschaft.

Beim Lesen der Lyrics bin ich fasziniert. Teils erinnern sie mich an die Texte aus alten Vintersorg-Alben, in denen Natur und Geschichte Skandinaviens auf eindrucksvolle Weise miteinander verknüpft werden, andererseits erinnert mich die Auseinandersetzung mit dem eigenen Volk und die Reflektion der eigenen Geschichte, die aus den Texten sprechen, an die Intensität der Lyrics von Bathory. 
Nun muss man noch dazu sagen, dass die viele Hingabe, die in diesem eigenproduzierten Album steckt, wahrscheinlich nicht von ungefähr kommt. Skaur haben seit 2003 eine Unmenge Demos produziert, auch waren sie an zwei Splits beteiligt. Und nun sind auf dem ersten vollwertigen Album Werke enthalten, die zwischen 2004 und 2010 geschrieben wurden. Es scheint sich also um ein Album voller Herzblut zu handeln.

Doch nun zur Musik!
Der erste Song beginnt fulminant. Eine gigantische Black-Metal-Gitarrenwand eröffnet den Song und selbstbewusstes, druckvolles Growlgeschrei fügt sich unter. Aber auch kurze Passagen, in denen zusätzlich eine akustische Gitarre eingebaut wird, die sanftere Klänge zaubert, trägt das ihrige zum Gelingen von „Fullmaanesang“ bei, das in sich sehr leidenschaftlich und durchkomponiert ist. Klar gesungener, sehnsuchtsvoller Gesang wertet den Mittelteil des Songs zusätzlich auf. Aber auch einige Teile des gegrowlten Gesangs sind so deutlich gesungen, dass man die Lyrics, in denen alte Mythologien und die Schönheit Norwegens verschmelzen, versteht (sofern man des Norwegischen mächtig ist). Die Hauptharmonien sind ansprechend und mitreißend und man kann bereits ahnen, dass dieses Album ein Volltreffer sein könnte.

Der zweite Song namens „Nordnorsk Svartmetall“ ist ein recht rasanter Brocken. Gewaltiges Drumming und düster-kraftvolles Riffing mehrerer Gitarren + Bass reißen den Hörer mit. Das Growling ist nicht weniger energisch als im ersten Song. Auch hier gibt es nostalgischen Klargesang im Mittelteil des Songs, dieses Mal noch interessanter als im ersten, denn eine wunderbare, klare Männerstimme wird von leisem Growling begleitet. Sehr gut gelungen! Ach ja, und wer da im Text Klischeehaftes zum Thema nordnordischer Schwarzmetall vermutet, der irrt. Es geht um den Tod, die letzten Augenblicke, die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema, einerseits voller Ehrfurcht, andererseits auch mit großem Verstehen im Hinblick auf Vergangenheit und das, was das Leben gegeben hat oder auch nicht gegeben hat. Aber auch der Tod als letzter Ausweg für jene, die im Selbstmord die Freiheit zu finden glaubten. All das eingebettet in wohlklingende Wortwahl-Szenerien, die zum Teil natürlich sehr traurig und melancholisch sind.

Weiter geht es mit „Heimfar“. Dieser ist tiefer tönend als die Vorgängertracks, und trotz der unterschwelligen Schwermut immer noch beißend und temporeich. Während der erste Teil des Liedes straff durchgezogen wird, wird es im zweiten Teil etwas abwechslungsreicher und mehr Raffinesse in Form von musikalischen Verzierungen hält Einzug.
Während „Heimfar“ innerhalb eines Jahres komponiert und getextet war, klafft dies beim nun folgenden Track „Om sorg og helvete“ weit auseinander (Musik von 2004 und Text von 2010), so dass man hier vermuten kann, dass dem Song eine besondere Bedeutung zukommt. In der Tat kann man nachvollziehen, dass dieser Song einer der vor Jahren komponierten sein muss, denn es ist alles in sich nicht so schlüssig wie bei den anderen Songs. Man fällt zwischen verschiedenen Themen hin und her. Da sind einerseits Passagen voller Schub, dann wieder melodische Gitarrenklänge, hin und wieder marschartig klingende, druckvolle Motive, aber durch die ständigen überfallartigen Wechsel verliert man mitunter einfach den roten Faden. Dafür wiederum sind die einzelnen Elemente ansprechend und einige Harmonien so mitreißend, dass es ans Herz geht. Dazu kommt hingebungsvolles Growling. Man kann verstehen, warum der Komponist all dies nicht verwerfen wollte, auch wenn es in der Gesamtheit etwas wirr wirkt.

Titelsong „Skaur“ folgt als nächstes und zuerst sei gesagt, dass dieser Tracks die eindrucksvollsten Lyrics hat, die ich seit langem gelesen habe. Nicht vom Anspruch her, aber von der Szenerie her, die man sich mithilfe der Texte im Geiste vorstellen kann. Das ganze wird musikalisch unterlegt, indem wuchtige, akzentuiert gesungene Passagen und mächtige Gitarrenwände zusammenwirken. Auch sanfte, malerische Akustikgitarrenklänge werden eingebaut, zu denen jede weitere musikalische Untermalung wegfällt. „Skaur“ ist pure Leidenschaft und Hingabe. 

Den Abschluss des über 41-minütigen Albums, dessen Aufnahmequalität nichts zu wünschen übrig lässt, bildet ein Gitarren-Instrumentalstück mit dem Titel „Midnattsol“, zu welchem man sich noch ein letztes mal in sphärische Landschaften hineinträumen kann. 

Minimalen Punkteabzug gibt es im Prinzip nur für die kleinen Ungereimtheiten in den Songs, die in frühen Jahren geschrieben wurden. Was Intention, Umsetzung, Intensität von Songs und Lyrics betrifft, so kann ich alle Fans von Bathory, Vintersorg, Windir oder Waldgeflüster nur dazu auffordern, sich „Skaur“ unbedingt zuzulegen! 
Ich deute die handgeschriebene Nummerierung auf dem mir zugeschickten Album so, dass das es  das Album momentan nur in einer Auflage von 300 Stück gibt. Ihr solltet also schnell sein. Am besten direkt beim Chef bestellen: skaur@skaur.com
Endlich mal ein Album, dessen Inhalt wirklich hält, was das Artwork verspricht, bzw. das sogar übertrifft. Alle Daumen hoch!

Anspieltipp: "Nordnorsk Svartmetall"                                                               Punkte: 9,5 von 10

Review von Twilightheart

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