Todesstoß – "Würmer zu weinen"

Eisenwald/ VÖ: 2008

Unglaubliches bietet sich meinen Ohren auf diesem Album dar. Selten hat mich ein Album bereits beim ersten Hören so verwirrt wie dieses. 

Bereits das Cover weist ja „dezent“ darauf hin, dass es bizarr werden könnte. Aber dass es so befremdlich und gleichzeitig faszinierend werden würde, hätte ich nicht gedacht. Das Album beginnt mit einem Aufschrei und schon wummern tief-düstere Drum-, Synthesizer- und Gitarrenlinien durch die Sphären, die eine unheimliche und auch abstoßende Atmosphäre verbreiten. Dazu gesellt sich die Stimme des Protagonisten dieses Projekts (laut Web ein Martin Lang) mal schreiend, mal wimmernd, mal wütend und fauchend, mal quietschend oder beinahe in hysterisches Lachen abgleitend, welches sofort wieder erstickt wird... aber in jedem Fall abstrakt und trotzdem beeindruckend. Der Teppich aus Synthesizern und anderen Instrumenten verwebt sich zu einem einzigen, tiefen musikalischen Donnergrollen aus Geräuschen und Musikfetzen und –flächen. Das ganze Tongebilde nennt sich „Barfuß auf Knochen“ und noch während es läuft, dämmert einem, dass einem hier ein Genie, welches mit Sicherheit auch dem Wahnsinn verfallen ist, Teil an seiner Weltsicht in vertonter Form haben lässt.
Mit giftigen, voller Hass ausgespienen Worten geht es in „Aasgefasel“ weiter, bevor dieses in „Würmer zu weinen oder Vom Lebenshunger“ übergeht, welches auf einem noch melancholisch-schwärzerem, tiefen Klangteppich schwimmt als der erste Track. Bei einem Song mit diesem Titel stellt sich natürlich die Frage nach dem Inhalt der Lyrics, die zwar auf deutsch gesungen, aber im Booklet auch immer in der englischen Übersetzung verfügbar sind. Nun, der Raum für eigene Interpretationen ist gegeben, aber in diesem speziellen Falle wird beschrieben, wie die Würmer Leichenschmaus halten und aus allen Öffnungen des toten Körpers herausquellen, bis die Frage „Wann werde ich endlich Würmer weinen? Wann bin ich endlich tot?“ den Abschluss des Songs bildet. Inwiefern das Ganze wirklich eine Todessehnsucht oder einfach die Schilderung einer wohl unvermeidlichen Szenerie darstellt, und nicht die Versinnbildlichung anderer Geschehnisse oder einfach zum Nachdenken über das Danach anregen soll, bleibt dahingestellt bzw. wird sowieso von jedem Hörer anders aufgefasst. 

Die Lyrics der anderen Songs (fünf insgesamt, die sich aber auf mehr als 44 Minuten Spielzeit summieren) sind ebenfalls eine Sache für sich, ähnlich schwer zu verstehen wie die Texte der (alten) Bethlehem bzw. so angelegt, dass jeder für sich selbst eine andere Erkenntnis daraus ziehen kann. Denn den Gedankengängen dieses genialen Wahnsinnigen folgen zu können, so wie er sie meinte, kann von einem normalen Menschen sicher nicht erwartet werden. Wäre sicher auch nicht das Anliegen des Künstlers gewesen, zumal das Album dann eines wäre wie tausende andere leichtverständliche auch. So aber, in seiner Einzigartigkeit, stellt es eine Herausforderung für jeden Hörer dar. Sicher wird es mangels anderer „Schubladen“ beim Black Metal einkategorisiert, aber das trifft es natürlich nicht. Es ist eigentlich eher Noise, total grotesk und auch in gewisser Weise bedrückend (und es sei es nur dadurch, dass man erkennt, welch schauerliche Welten manche Menschen mit ihrer Musik und somit durch ihr Denken schaffen können und wollen). 

Das ganze Booklet ist mit Fotos oder den Abbildern der Ölgemälde des Künstlers gestaltet, die nicht weniger bizarr sind als die Songs, so dass das Album mit allen Details ein komplettes Kunstwerk ist. Keine leichte Kost, das sei die Warnung; aber dafür eine abgedrehte, vertonte Astralspiegelung aus dem Kopf eines facettenreichen Denkers. Wer mehr über diesen wissen möchte, kann auf traumorgane.de schauen und staunen!

Anspieltip: "Monotonie der Wunden"                                                                    Punkte: 9 von 10

Review von Twilightheart

 

<<<zurück zu den "Reviews"

 

besucherzählerXStat.de