Traumatic Voyage – "Khiaoscuro"

Merciless Records/ VÖ: 2005

Das Album "Khiaoscuro" der bayrischen Band "Traumatic Voyage" (bzw. ist es wohl eher ein Ein-Mann-Projekt mit etwas Unterstützung) ist schon seit einer Weile auf dem Markt, aber ich bezweifle, dass allzu viele Leute es bereits kennen. Insofern ist es allemal noch ein Review wert.
Eine Kategorisierung sollte gar nicht erst versucht werden, da es bisher noch nichts Vergleichbares gibt. Offiziell gilt es wohl als "Avantgarde", wie alles Unfassbare. Lyrisch tendiert es aufgrund der Misanthropie in Richtung Black Metal, und musikalisch enthält es auch einige Elemente des Progressive Death.

Doch zur Musik! Der erste Track "Sick transit gloria mundi" (Song kann man hier aufgrund des Aufbaus beinahe nicht sagen)  beginnt mit gesprochenen Worten, von denen man nur Wortfetzen versteht, und bizarre Tongebilde lassen bereits jetzt erahnen, dass es sich bei diesem Werk um etwas Außergewöhnliches handelt. Während anfangs eine weibliche Stimme mitwirkt, gewinnt die männliche Stimme im Laufe des Stückes immer mehr die Oberhand. Mal wütend, mal klagend interpretiert diese die Lyrics, die man im Booklet mitlesen kann, was der Wirkung des Ganzen natürlich gut tut, da sich einem der Sinn der Komposition ansonsten nicht mal in Bruchstücken erschließen würde. Im Text tut man seine Sicht zur Welt kund, darüber, wie der Mensch diese Erde mit ihrer Artenvielfalt zugrunde gerichtet hat und richtet. Man drückt die damit verbundenen Gefühle der Resignation aus und macht dem Hörer in deutlichen Worten klar, was er bzw. alle Menschen an der Natur verbrochen haben. Auch für zukünftige Zeiten oder Welten wird kein Funken der Hoffnung geweckt. Der Schreiber der Lyrics wurde von der Vergänglichkeit allen Lebens und allen Seins übermannt.

Im zweiten Song "Low resolution profile" wird es weniger trocken. Die Melodien, die sich hier auftun, sind anfangs sehr angenehm, dafür später umso rasanter, und die vertonten hochkochenden Emotionen werden von allen Instrumenten nur so herausgespieen und herumgewirbelt. Einzelne Instrumente sind in dieser Flut nicht auszumachen, nur ab und an hört man einzelne Melodielinien oder Instrumentenklänge, vor allem verzerrte Gitarren heraus, der Rest ist ungezügelte Raserei. Die Lyrics, die diesmal auf englisch sind, spiegeln das Bild der Menschen wider, wie sie der Schreiber sieht und erlebt hat. Nämlich als das Übelste, was es gibt... in ihrem schönen Schein, der aber nur Verachtenswertes überdeckt. Entsprechend stellt sich der Schreiber über eben diese Menschen und stellt klar, dass er mit ihnen nichts zu tun haben will und dass sie in seinen Augen allesamt unwürdig sind. 

Der dritte Track schließt stilistisch an den Vorgänger an. Lyrisch ist er die logische Konsequenz der ersten beiden Tracks und der Schreiber der Texte legt (wieder auf englisch, bis auf eine einzelne deutschsprachige Zeile als Kontrapunkt) auf sarkastische Weise dar, dass er über die Menschheit nur mehr lachen kann und dass er deren Untergang kaum noch abwarten kann. Er aalt sich quasi in diesem Wunsch und in seinem eigenen Gefühl, die Menschen einfach nicht mehr ertragen zu können, allerhöchstens mit ganz viel Humor, seien sie doch die Witzfiguren der Evolution. Dazu sei gesagt, dass alle Lyrics (dies gilt für das gesamte Album) sehr exzessiv und ausladend sind. Meist wird der gleiche Hauptinhalt immer und immer wieder (in neuen Worten und Reimen) wiederholt. Bis zum Erbrechen, könnte man sagen. Der Schöpfer von "Khiaoscuro" nutzt es dazu, ausladend, detailliert, quantitativ und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, seine Denkweisen und Standpunkte an die Empfänger seines Hasses und seiner Ablehnung zu bringen. Insofern bleibt anzunehmen, dass das Album entweder einfach nur Werkzeug zur Selbstinszenierung und –verwirklichung ist (würde doch sonst niemand ein Album machen und denjenigen zum Kauf anbieten, die er über alles verachtet), ein großer Egotrip quasi, oder aber ein letzter, drastischer Versuch, den Menschen einen Spiegel vorzuhalten, um sie zu gewissen Einsichten zu bringen. Bzw. sind es sicher nicht die Einsichten, die den Menschen fehlen, sondern die Courage, wirklich Veränderungen herbeizuführen. Insofern durchforste ich die Lyrics, ob es nicht doch in den folgenden der insgesamt 10 Songs, die insgesamt auf eine Spielzeit von einer Stunde und 16 Minuten kommen, etwas gibt, was durchschimmern lässt, dass der Macher des Albums die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben. Ab und an spielt der Schreiber der Texte Szenarien durch, in denen er so hasserfüllt ist, dass er daraus folgend derjenige sein wird, der alle anderen hinter sich lässt, oder aber Szenarien, in denen er beinahe einen Sinn ein seinem eigenen Sein ausmachen kann, zum Beispiel als ewiger aufrüttelnder Schrei. Doch am Ende erschließt sich ihm der Sinn des Lebens nicht (falls doch, kommt es auf diesem Album nicht zum Ausdruck) und man möchte ihn gerne fragen, ob es sein kann, dass er sein eigenes Leben vergeudet, indem er sich darüber aufregt, wie andere es vergeuden. Aber diesen Gedanken zuende zu denken, würde sicher zu weit führen. Fakt ist, der Protagonist bleibt bei seiner Aussage des absoluten Pessimismus. Ein Leben um des Lebens selbst willen ist für ihn keine Option, die Gehalt hat.

Was an „Khiaoscuro“ noch auffällt, ist, dass man nicht nur kompositorisch sondern auch sprachlich rein gefühlsmäßig und ohne Zwänge handelt. So kann es sein, dass ein Song nur anfangs ein paar deutsche Zeilen hat, der Rest ist auf englisch. Hier und da wird eine lateinische Zeile eingestreut. Wie bereits angedeutet, ist der Stil in musikalischer Hinsicht sehr bizarr und schwer verdaulich, aber in sich sehr kreativ und abstrakt. An der Aufnahmequalität gibt es nichts auszusetzen, wenn etwas befremdlich klingt, so ist dies in der Komposition begründet und definitiv so gewollt. Das ganze ging zum Mastern einmal durch die Hände von Victor Bullok und seinem „The Crypt“-Studio, was ja selbstredend für Qualität steht. 
Mit persönlich ist der klagende, jammernde Klang der Vocals dieses Albums etwas zu nervig, wobei ich mir fast sicher bin, dass der Sänger selbst es als „Klang des Ekels vor der Menschheit“ o.a. bezeichnen würde. Trotzdem ist das Album in all seiner bis zum Extrem hin ausgereizten Negativität, Misanthropie und Morbidität so eigen und außergewöhnlich, dass es für Avantgarde-/ Kunstliebhaber beinahe ein Muss ist, sich dies zu Gemüte zu führen. Eine interessante Reise durch alle Facetten des Denkens über jede Form der menschlichen Vergänglichkeit und Sinnsuche in der universellen (Un)endlichkeit ist es allemal. Und für echte Menschenfeinde dürfte „Khiaoscuro“ sowieso das passende Album schlechthin sein.

Anspieltipp: "Eisendzeit"                                                                                  Punkte: 8 von 10

Review von Twilightheart

 

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