Unsoul – "Magnetic Mountain"
Setalight/ VÖ: 19.12.2008
Der Output „Magnetic Mountain“ der Combo Unsoul aus Berlin lässt viel erwarten, denn die Prog-Deather aus der Hauptstadt stecken spürbar viel Liebe in Detail und Songwriting. Diese Scheibe hat mich viel Zeit gekostet, denn um dem komplexen Werk gerecht zu werden, hat es mich viele Durchläufe gekostet. Keiner davon war allerdings Zeitverschwendung, so viel sei schon zu Beginn verraten. Aber lest selbst: Nach dem atmosphärischen
Intro „Magnitogorsk“, das diese schönen Synthie-Strings wie in zahlreichen
Enslaved- und Opeth-Songs verwendet, die darauf von Dark Tranquillity-Melodien
erweitert werden, ist es schwer sich darauf einzustellen was wohl folgen wird.
Da es sich um Progressiven Metal handelt, schärft sich der Gehörgang, bereit,
kein einziges Detail entkommen zu lassen. Weiter geht es mit „Rebel/Prostitude“, das das Tempo vom Opener beibehält und nach einem kurzen Prog-Statement in Form von Dream Theater Taktchaos erneut die Sau rauslässt. Schön dabei sind die Übergänge zwischen den Strophen. Viele Experimente werden gewagt bei Disharmonien und "System of a Down"-Sing-Sang, die schlagartig von einem fetten Death- Metal-Blastbeat abgelöst werden, um sich dann "mal eben" schnell in cleane Vier-Sekunden-Passagen zu begeben. Ganz gewagt dabei die orientalisch anmutende Meditationsatmosphäre gegen Ende des Songs, die das kulturelle Mischmasch der Stadt Berlin offenbart und sich somit recht stimmig in den Gesamtkontext des Songs einfügt. Im Laufe der Strophen scheint sich bereits ein Muster im Riffing zu bestätigen. Viel Wert wird auf Vertracktheit gelegt, die aber trotzdem leicht - auch für den Hörer von straighteren Riffs - zu verstehen ist. Zusätzlich wurde die Harmonienlehre höchstwahrscheinlich ausgeschlachtet um sie danach wieder komplett aus dem Fenster zu werfen. Das was übrig bleibt ist ein Bastard aus Opeth und Meshuggah, der trotzdem den Groove von Dew-Scented hat. Mir gefällt es, denn damit beweisen Unsoul, dass sie sie sich nicht in der Menge der technisch versierten Kapellen verlieren, die vor lauter Technik und Anspruch das Gefühl in der Musik vergessen. Beim Song „Swancorpse“
stellt sich heraus, dass den Experimenten und unerwarteten Arrangements noch
viele folgen sollen: Hier wird beispielsweise mit einem bewusst schlecht
geschnittenen Loop ein Teil des Mittelparts konstruiert. Bei „Neverest“ scheint das Tempo zum ersten Mal ein wenig abzunehmen. Trotzdem sind wir noch längst nicht bei Mid-Tempo angekommen. Mikael Akerfeldt hätte sicherlich gerne die Idee zu dem Mainriff gehabt, denn dieser breitet sich bildlich mit weiten Schwingen aus, um majestätisch die Bandbreite der in diesem Song dargebotenen Elemente zu untermalen. Erinnert stark an die Stimmung in „The Drapery Falls“ von Opeth. Zwischendrin wird wieder gezeigt, dass Unsoul ihre Instrumente beherrschen. Einen so vertrackten, verspulten Riff so sauber zu spielen, das erzeugt in mir die höchsten Gefühle. Dann endlich gibt es eine Pause in Form eines Piano-Interludiums. Dieses trägt den Namen „Cotratto Senza Pieta“. Die Pause hat sich der Hörer aber auch wirklich verdient. Denn viele komplexe Spielereien wurden ihm bei brutalen Death- Metal-Vocals um die Ohren gefeuert. Und alles bei einem atemberaubenden Tempo. Hervorheben muss man, dass das Tempo funktioniert ohne großartig Blastbeats oder Double-Bass-Parts einzusetzen. Das steht für Abwechslung und tut dem Album gut. Nach zweieinhalb Minuten Pause - wer hätte es gedacht – geht es wieder heiß zur Sache: „Dance your Legs Off“ steht den vorherigen Songs in nichts nach. Darum ist der Songtitel wohl nicht ganz passend gewählt. Denn bei diesem Song noch einen tanzbaren Takt zu finden grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit. Beiläufig finden wir hier einen Industrial-Synthie-Bass sowie eine weibliche Stimme. Dazu endlich mal Abwechslung an den Vocals in Form von kranken Schreien. Krank? Natürlich, denn dieser Song ist noch kranker als die anderen zusammen. Es fällt schwer die schnellen Wechsel und und die ganzen Harmoniewechsel zusammenzufassen. Für mich der absolute Favorit der Platte! Soviel Krankheit lässt die Instrumentalpause ganz vergessen. Zum Glück gibt es nach dem Song ein erneutes Instrumental in Form von „Pre-“. Ein recht ruhiges, straightes Rockinstrumental, das danach aber von dem Blastgewitter „Post-“ abgelöst wird. Nun ja, nach ein paar
Sekunden Blastbeat ist allerdings auch schon wieder Schluß. Klar, dass bei
Unsoul natürlich genau hinter einen Blastbeat sich ein Duett von cleaner
E-Gitarre und Xylophon einreiht. Diese Art von - ich nenne es mal - Sarkasmus
ist eine starke Waffe im Prog-Bereich. Herrlich bei dem Song: der „Refrain“,
der sich die Tonleiter rasant nach oben schraubt um danach mit einem herrlichen
Schrei aufzuwarten. Stark! Zum Schluß kommt es allerdings noch zu einem letzten Knaller, der für mich aber eher wenig erwähnenswert bleibt. Denn dieser Song stellt sich für mich eher als unnötiger Zusatz da. Und mir stellt sich die Frage ob der Song nicht allein wegen des hymnenhaften finalen Parts ans Ende des Albums gesetzt wurde. Als Schlusspunkt dient das „Outro“, das das Thema das Intros „Magnitogorsk“ noch einmal aufgreift und den Hörer zur Ruhe kommen lässt. Allerdings scheint das Outro für mich ebenso keinen nennenswerten Höhepunkt zu haben. Leider eher ein unnötiger Track, hörte doch der Song davor bereits episch genug auf. Alles in allem ist das Album der Band ein geniales Werk. Sowohl spielerisch als auch kompositorisch sind Unsoul auf einem hohen Niveau anzutreffen. Viel Liebe zum Detail und Perfektion im Umgang mit jeder einzelnen Note machen sich bezahlt. Wie schon angedeutet bedarf es aber auch mehrerer Durchläufe um all den Facetten des Albums gerecht zu werden. Langeweile kommt dabei allerdings so gut wie gar nicht auf. Das Tempo ist von Anfang an hoch und nimmt leider gegen Ende ein wenig zu stark ab. Musikalisch wird hier durchdachter Prog Death Metal der Spitzenklasse geboten, immer technisch versiert und komplex ohne dabei allerdings stumpf zu wirken und den Groove zu vernachlässigen. Der Stil wirkt zu 100 Prozent authentisch und selten nur kommen Vergleiche zu bereits existierenden Bands auf. Und so was freut einen in der Welt der sich ständig neu kopierenden Bandformationen. Das Album hat dazu glücklicherweise den passenden Sound. Die Produktion ist fett, ausgewogen und holt aus jedem Part das Meiste heraus. Daumen weit nach oben!
Anspieltipp: "Dance your legs off" Punkte: 9 von 10 Review von Surtr
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