Vargnatt – "Durch die Stille..."

Wolfsgrimm Records - VÖ: Januar 2012

Vargnatt haben ihre neue, auf 500 Stück limitierte EP „Durch die Stille...“ einschicken lassen und bevor ich zur Musik komme, möchte ich anmerken, dass das Booklet allein schon bestechend ist. Nicht nur, dass hier jemand in Form von stilistisch entfremdeten Zeichnungen den Songtexten auch visuell Leben eingehaucht hat, auch ist die Auswahl der Schrift für die Lyrics ein Novum. Klar, ist sicher eine der tausend Photoshop-Schriftarten, aber wie gesagt, die Idee zählt... denn genauso haben meine Urgroßeltern zu ihren Lebzeiten geschrieben. Herrlich, das in einem neuen BM-Album zu sehen. Doch genug der Nostalgie... 

Nur 5 Stücke finden sich auf der EP, und das erste, was auffällt, ist die ganz üble Aufnahmequalität. Da bleibt zu hoffen, dass sich die wahren Underground-Liebhaber davon nicht gleich abschrecken lassen, denn „Durch die Stille...“ bietet durchaus einiges, was den Empfindungsnerven Nahrung bietet, wenn man bereit ist, dem Album ein paar Durchläufe zuzugestehen.
Auch ist das Eröffnungsstück „Geist in Ketten“ nicht unbedingt das fesselndste des Albums, traktiert es die Ohren doch erst einmal mit räudigem Black-Metal-Sound, der ab und an ins Thrashige abdriftet. Dazu gibt es keifendes Growling, welches im stark mit Hall unterlegten Musikbrei unterzugehen droht. Doch dafür deuten sich hier hin und wieder schon leise Anflüge von Harmonien an, die eine gewisse Eigenständigkeit besitzen und auch im Gedächtnis hängenbleiben wollen. Ein kurzes, melodisches Zwischenstück, in welchem Mastermind Evae kurz spricht, bildet ein Highlight des Songs, wobei der Kontrast zwischen Sprechstimme (=jungendlich und pubertär) und Growlstimme (=roh, tief und wirkungsvoll) beinahe schon schockierend ist. In jedem Fall entschädigen die Lyrics für die musikalischen Mängel. Es wird philosophiert, was ein wirklich freier Geist ist. Mit einfachen, aber wirkungsvollen, markigen Worten wird man dazu verführt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Der zweite Song „Schall und Rauch“ beginnt etwas tragender, in sich gleitender, melodischer, hat aber ansonsten den Grundtenor des ersten Tracks. Der Growlgesang fügt sich hier besser ein als beim Vorgänger (wenn auch der Sound leider genauso schlecht ist), streckenweise wird er tiefer und wuchtiger, und tief-grummelnde Basslinien tragen all dies und machen es zusammen mit einigen leicht melancholischen Melodielinien zu einem gewöhnungsbedürftigen aber nicht unbedingt unpassenden Opener für das nun folgende „Traum von einer Jungend“, welches mit Sicherheit das drängendste, furios-emotionalste Stück des Albums ist. Die Lyrics sind unangenehm, hier wurde Gottfried Benns Gedicht „Schöne Jungend“ verarbeitet. Man möchte sich eigentlich damit nicht auseinandersetzen, sollte wohl aber. Kantig stellt sich der Growlgesang dar, will sich einnisten, bereitet aber in all seiner Borstigkeit eigentlich Unbehagen. 
Dazu bietet das nun folgende „Erwachen“ eine willkommene Abwechslung. Mit sanften, minimalistischen Tonfolgen auf der Gitarre (mit zurückgenommenem, langsamem Drumbackground) und dem Klang von Regen wird man sanft eingelullt, allerdings gesellt sich auch eine gewisse Traurigkeit hinzu. Fast flüsternd werden die wenigen, resignierenden Lyrics gesprochen/gesummt. Gegen Ende des Songs gewinnen laute Akkorde die Oberhand, und auf etwas unpassende Weise wird der Song ausgeblendet. Es wirkt, als müsse er zwangsweise Platz für den Finalsong machen, der „...mit dem Sturm“ heißt und der wahrscheinlich durchkomponierteste, gleichzeitig aber der rebellischste, wildeste der ganzen EP ist. Rohes BM-Growling schiebt sich in den Fordergrund, das Tempo geht von Null auf Hundert und man wird hineingesogen in einen Strudel von mitreißenden Harmonien, die zusammen einen emotionalen Aufschrei ergeben ... passend dazu Lyrics und letzte Zeichnung im Booklet. 

Ich denke, ein solches Album kann in der Tat nur jemand erschaffen, der (wie hier Evae) das Ding im Alleingang stemmt. Man merkt der EP mit ihrem zum Teil langen Tracks, die zusammen auf fast eine halbe Stunde Spielzeit kommen, an, dass hier jemand seine ureigenen Gedanken hineinprojektiert hat. Für neue Konzeptideen und Hingabe sollte das Album viele Pluspunkte erhalten, allerdings macht die schlechte Aufnahmequalität natürlich viel zunichte (außer für die Liebhaber des unverfälschten Eigenaufnahme-Sounds). Aber Potential ist auf jeden Fall reichlich vorhanden. Reinhören kann keinesfalls schaden.

Anspieltipp: "Erwachen"                                                                      Punkte: 6,8 von 10

Review von Twilightheart

 

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