Winternoise Festival 2008

Osnabrück "N8" -  26.Januar 2008

Bericht: Twilightheart

Ich versuche ja immer zu vermeiden, für ein Festival in den Norden Deutschlands fahren zu müssen, um der Deutschen Bahn nicht immer so unglaublich viel hart erarbeitetes Geld hinterherwerfen zu müssen, aber die Veranstalter von „Burning Stage“ machen mir da mindestens zwei mal im Jahr einen Strich durch die Rechnung. Auch dieses Jahr haben sie für das „Winternoise“-Festival mal wieder ein derart geiles Billing zusammengestellt, dass ich einfach keine Wahl sah, als hinzufahren. Zwar dominierten die Pagan-Bands das Festival, aber da unter diesen auch Kampfar waren, war das vollkommen legitim. Und die wenigen Black-und Death-Metal-Bands, die mit am Start waren, waren dafür Hochkaräter. Z.B. Necrophobic mit Erik von Watain zusammen auf der Bühne... hast Du Worte?

Besucher vor'm Eingang:

Doch von vorne! Kurz nach 14:30 Uhr kam ich in’s „N8“, wo „Impious“ aus Schweden ihren Gig gerade mit „The confession“ begonnen hatten. Diese Band scheint einen Ruf als der optimale Opening-Act wegzuhaben, denn über die Festival-Erlebnis-Jahre hinweg waren es schon öfters Impious gewesen, die kurz nach Mittag dieses oder jenes Festival eröffnet haben. Zu schade, dass sie es bis heute nicht wirklich zu einer besseren Spielzeit gebracht haben, denn eigentlich hauen sie ja ordentlich auf den Putz und schaffen es jedes Mal mit ihrem Hau-drauf-Death/Thrash, die Zuschauer schon’mal wach zu machen und vor die Bühne zu locken, auch wenn diese dort dann vielleicht nur regungslos rumstehen. Alle Bandmitglieder strotzten vor Energie, Bassist und Lead-Gitarrist waren kleine Poser, und Sänger Martin schien es extrem wichtig zu sein, beim Publikum gut anzukommen, denn er hielt immer wieder kleine, nett gemeinte Ansprachen zwischen den Songs und sang jedem einzelnen Fan in’s Gesicht. Gespielt wurden noch: „Inject“, „Toxic Paranoia“, „Bloodcraft“, „Everlasting Punishment“, „Purified by fire“, „Wicked saints“ und „Death on floor 44“.
Leider war der Sound in der Halle zu diesem Zeitpunkt noch etwas breiig und dumpf, aber das legte sich später. Auch ging das Publikum noch nicht wirklich mit, und so sah sich Martin gezwungen, vor dem Song „Purified by fire“ eine kleine Ansprache zu halten, dass es bei diesem Song normalerweise einen Moshpit gibt, und dass er nicht weiß, was bisher mit dem Publikum los war, ob sie vielleicht müde sind oder aggressiv. Ein paar wenige machten daraufhin auch ordentlich mit, aber die meisten schonten sich (wahrscheinlich für die Headliner). Die Halle war zu diesem Zeitpunkt mit fast 400 Leuten auch schon relativ gut gefüllt.

    

Jetzt sollte es visuell werden. Svartsot, eine von Dänemark’s bekanntesten Pagan/Folk-Metal-Bands, zeigten uns allen mal, wie viel Aufmerksamkeit eine traditionelle dänische Kluft hervorrufen kann. Vor allem natürlich die des Sängers Claus, die durch eine (wahrscheinlich echte) mannshohe Axt abgerundet wurde, mit der der Frontmann sich dann auch gerne und oft in Szene setzte. So spielten Svartsot dann also ihren von dänischem Folk durchfluteten Metal für. Der Gig beinhaltete folgende Songs: „Tvende Ravne“, „Skønne Møer“, Bers ævkergang“, „Spillemandens Dåse“, Skovens Kælling“, Gravøllet“ und „Jotunheimsfærden“. Und tatsächlich wurden die ersten Hörner geschwungen und hier und da war Kampf-bzw. Fangeschrei zu hören. Es war interessant zu sehen, dass sich bei dieser Band quasi alle Altersklassen zusammenfinden. Der Bassist schien mir vielleicht gerade’mal volljährig geworden zu sein, während ein betagterer Herr namens Stewart Lewis verschiedene Instrumente spielte. Eben jener flötete zuerst auf einer Tin-Whistle, später auf einer Holzflöte und gegen Ende des Gigs spielte er eine Art grosse Trommel, die unweigerlich an die Shaman-Drum von Korpiklaani’s Jonne erinnerte.  Allerdings war es keine solche, auch keine gewöhnliche Trommel, sondern diese spezielle Art nennt sich „Bodhran“. Haben wir wieder was gelernt! Klang trotzdem sehr shamanistisch, auch wenn es nicht so gemeint war. Ansonsten waren Svartsot’s Songs sehr eigen, also nicht vergleichbar mit den anderen gängigen Folk-Bands. Viel ernster als Korpiklaani zum Beispiel, aber gleichzeitig gab es viele sehr tanzbare Einlagen, die an Eluveitie erinnern. Allerdings standen die Fans hinter der Absperrung zu diesem Zeitpunkt bereits so eng, dass tanzen oder springen eigentlich nicht möglich war. Somit begnügte man sich mit headbängen oder Trinkhörner-schwenken. 

Es ging auch gleich weiter mit Volksmusik, gewürzt mit einem leichten BM-Einschlag. Månegarm aus Schweden enterten die Bühne und sorgten mit wesentlich besserem Sound dafür, dass die Stimmung noch stieg. Vor allem Violinist Janne sprang wie ein Wilder auf der Bühne herum und fidelte, bis wieder die „Hälfte“ seiner Haare am Violinenbogen hingen. Sänger Erik krakeelte ebenfalls in Höchstform und steckte die Anwesenden mit seiner Leidenschaft an, während die anderen Musiker routiniert ihre Parts spielten. Als ich die Band das letzte Mal live sah, hatten sie schreckliche Soundprobleme gehabt und man hatte eigentlich nur Krach gehört, insofern war mir damals nicht klar gewesen, warum die Leute so darauf abfahren. Aber hier beim Winternoise mit, wie gesagt, viel besserem Sound, klang es alles sehr gut, wild und peppig, und insofern konnte ich es nun endlich nachvollziehen, warum Månegarm als Top-live-Band gehandelt werden.

          

Týr waren die nächsten auf dem Billing. Als sie während des Intros auf die Bühne kamen, war nicht zu übersehen, dass Frauenliebling Terji fehlte. Aber da es sich bei Týr um Profis und Vollblutmusiker handelt, schafften es die verbliebenen 3 Bandmitglieder nicht nur, einen spitzen Sound zu kreieren, sondern auch die Bühne durch vermehrte Action zu füllen. Vor allem der Bassist schien nie stillzustehen und fetzte über die Bühne wie unter Speed, bängend und sich richtig ausbreitend. Týr begannen mit „The edge“ und „Regin Smidur“, gleich gefolgt von der Mitgröl-Hymne „Hail to the hammer“. Sänger Heri, traditionsgemäß im Kettenhemd, spielte die ganzen kniffligen Riffs und Soli, bei denen sich Terji seinerzeit ja gerne mal verspielt hatte, fehlerfrei und voller Hingabe. Das Publikum reagierte auf all seine Kommandos und so wurde bei etlichen Refrains lauthals mitgesungen. Es folgten noch „The wild rover“ und „Ramund hin unge“ und wie nicht anders erwartet, war es ein Kinderspiel für Týr gewesen, sich wieder’mal alle Sympathien des Publikums zu erarbeiten. 

Dieses war wohl nicht der beste Tag für Kampfar. Aus irgend einem Grund schaffte es die Crew nicht, das Backdrop-Logo der Band anzubringen, insofern gab es zum ersten Mal einen Gig ohne den gewaltigen Schriftzug. Für Kampfar gab es nun auch erstmals im Leben die Neuerung, dass sie nicht nach 22 Uhr spielen mussten/durften, sondern schon kurz nach 17 Uhr (was später übrigens zur Folge hatte, dass sie gar nicht wussten, was sie nach dem Gig so viele Stunden lang machen sollen, bevor sie zum Hotel zurückgebracht wurden, und sich in gewisser Weise langweilten). 
Aber zur Show! Nachdem die ersten Probleme behoben waren (natürlich war es mal wieder das Schlagzeug, an welchem etwas locker war, welches schon einigen Bands zuvor Probleme gemacht hatte und übrigens in schrecklich glitzerndem Disco-Style designed war), begann die Band den Gig mit „Troll“, gleich gefolgt von „Ravenheart“, welches ja normalerweise eher als Zugabe gespielt wird. 

Dolk, dieses mal leicht braungebrannt und jetzt mit Bart, war besonders aggressiv drauf und brachte die Vocals dieses Mal noch wuchtiger raus als sonst. Es gab auch noch eine Überraschung, denn es wurde ein neuer Song gespielt, der am Tag des Winternoise noch nicht’mal einen Titel hatte. Inzwischen wurde entschieden, dass der Song „Dødens Vee“ heisst. Wie nicht anders zu erwarten, klang dieser Song typisch nach Kampfar, war allerdings doch etwas härter und brachialer. Doch danach ging es mit Gewohntem weiter, nämlich „Troll, Død og Trelldom“. Die Rufe der Fans nach dem Song „Lyktemenn“, der tatsächlich zu den besten Kampfar’s gehört, wurden immer lauter, blieben aber leider ungehört. Zu schade. Wenn ich einen Song niemals aus der Setliste gestrichen hätte, dann diesen. Aber wahrscheinlich sind die Songs, die die Fans am meisten lieben, die, die den Künstlern am meisten auf die Nerven gehen. Keine Ahnung. Nun ja, zumindest spielten sie das melodische „Hymne“, mit welchem sich die die-hard-Kampfar-Fans der ersten Reihe dann auch zufrieden gaben und mitsangen, gekrönt vom anschliessenden „Norse“. Ich persönlich war nach diesem Gig so zufrieden, dass ich hätte heimfahren können. Die Fahrt hatte sich an diesem Punkt schon gelohnt.  

Aber natürlich halten einen Bands wie „Necrophobic“ in der Halle. Klar. Außerdem tat es gut, nach so viel Pagan auch mal eine ordentliche Ladung Death bzw. BM abzukriegen. 
Da ich Necrophobic schon lange nicht mehr live gesehen hatte, war ich umso gespannter, ob sie sich tatsächlich noch weiterentwickelt haben würden. Und sie hatten. Aber zuerst gab es eine Überraschung. Erik von Watain kam mit auf die Bühne. Er hatte den Bass von Tobias bei sich. Normalerweise spielt Sänger Tobias ja parallel Bass. Nun wäre es interessant zu wissen, ob dies eine Ausnahme war, oder ob das nun dauerhaft so ist. Leider habe ich es verpennt, danach zu fragen, obwohl die Band im selben Hotel wie ich war und sie mir nach dem Frühstück am nächsten Tag noch über den Weg liefen. Nun ja.
Die Blashemen von Necrophobic kamen zum Intro „The slaughter of baby Jesus“ auf die Bühne und plötzlich war der Fotograben so was von voll. Da waren tatsächlich etliche Fotografinnen z.B. aus Frankreich und den Niederlanden dabei, die nur wegen dieser einen Band angereist zu sein schienen und auch nur bei dieser einen Band im Fotograben waren. Es war unglaublich. Danach war der Fotograben wieder fast leer. Necrophobic lieferten einen Jahrhundertgig ab. Es stimmte alles. Dadurch, dass Tobias den Bass nicht bedienen musste, hatte er die Möglichkeit, sein Growling durch extreme Mimik und Gestik zu unterstreichen, konnte sich somit auch viel mehr in seinen Gesang reinsteigern und lief zur Höchstform auf.
Die Band spielte sich quer durch ihre Alben-Historie: „Blinded by light, enlightened by darkness“, „Taste of black“, „Into Armageddon“, „Awakening...“, “The crossing”, “Black Moon rising”, “The nocturnal silence”, “Spawned by evil”, “Sitra Ahra” und einige mehr wie “Nailing the holy one”. 

Erik von Watain, hier angepassterweise ohne Corpsepaint, passte übrigens hervorragend in die Band. Man könnte meinen, dass er vielleicht visuell auf der Bühne hätte untergehen müssen neben den beiden übergrossen Hühnen Sebastian und Johann (beide von Nifelheim), aber Erik legte soviel Wut und Energie in seine Stage-Performance, dass er neben Sänger Tobias fast die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Er wütete und brüllte ... an einer Stelle am Ende eines Songs waren die Instrumente schon verstummt und Erik stand nicht’mal in der Nähe eines Mikros, trotzdem hörte man seinen Schrei durch die ganze Halle, so war er in seinen Auftritt verbissen. 
Der Veranstalter wagte es doch tatsächlich, den Gig von Necrophobic um 5 Songs kürzen zu wollen, was Tobias dann auch halb-wütend, halb-sarkastisch auf der Bühne kommentierte.
Liebe Festivalveranstalter! Kürzt doch bitte die Gigs der Eröffnungsbands, wenn die ihre Spielzeit überziehen, zu lange umbauen oder sonstwas. Oder plant von Haus aus mehr Zeit ein oder was auch immer. Aber kürzt doch bitte NIEMALS die Headliner! Und schon gar nicht so extrem geniale wie Necrophobic!!  Das muss echt aufhören, die Unart!! ;-)
Nun ja, es war dann so, dass Necrophobic doch noch einen Song mehr spielen durften, aber dieses wurde jäh unterbrochen dadurch, dass eine der Stromleitungen ausfiel. Es gab zwar noch ein paar einzelne Lichter in der Halle, die über andere Leitungen mit Strom versorgt wurden, aber die Leitung, an der sämtlicher Ton hing, war definitiv tot. Somit hatte sich das Thema Gig-Kürzung eh erledigt. Unter tosendem Beifall verliessen Necrophobic die Bühne. Sebastian kam noch einmal kurz zurück und rief dem Publikum zu „That’s what happens when you upset God“. 

Und schon war es wieder Zeit für etwas Pagan. Münchens bekannteste Band, Equilibrium, mussten allerdings eine ganze Weile warten, bis sie starten konnten, denn der Stromausfall dauerte an. Im Dunkeln wurde schon’mal das Gröbste aufgebaut, so dass es dann doch recht schnell ging, als nach ca. einer Stunde der „Saft“ wieder da war. Doch schon vor Gigbeginn spielten sich dramatische Szenen ab. Das Publikum wechselte und nun drängten vorwiegend jüngere Fans nach vorne. Ein Fan meinte noch in weiser Voraussicht, das wird jetzt so wie letztes Jahr bei Korpiklaani, als die Absperrung durch das Gedränge einen Meter nach vorne geschoben wurde. Und genauso kam es auch. Schon als Helge beim Soundcheck die Bühne betrat, kreischten die Fans regelrecht los. Wäre ein Fremder gerade von der Strasse in die Halle gekommen, der hätte annehmen müssen, dass jetzt hier gleich Tokio Hotel spielen. Als Equilibrium dann tatsächlich mit „Winter“ den Gig eröffnete, mussten etliche Girls aus der ersten Reihe von der Security rausgezogen werden. Die Absperrung rutschte und bog sich immer weiter nach vorne. Helge machte auf Zuruf eines weiblichen Fans eine gutgemeinte Ansage, dass die Fans alle einen Schritt nach hinten gehen sollen, damit vorne die nicht zu sehr eingequetscht werden. Diese Art Ansagen hatten aber leider auch schon vor 15 Jahren bei Rockkonzerten aller Art genau den gegenteiligen Effekt. Die Hintenstehenden wittern nach so einer Ansage ihre Chance, endlich nach vorne zu kommen und drängen erst recht vor, somit verdoppelt sich nach so einer Ansage im Normalfall der Druck auf die vorderen Reihen! Doch wie gesagt, Helge hatte es nur gut gemeint. Er gab auch später massenhaft Wasserflaschen zu den Fans runter, da diese wirklich den ganzen Gig über eingequetscht waren. 

Es folgte der neue Song „Blut im Auge“ und die Fans flippten gleich noch mehr aus. Auch Crowdsurfer bahnten sich ihren Weg nach vorne und wurden reihenweise von den Secs gleich wieder an der Seite nach draussen geschoben. Weiter ging es mit „Sturm“, „Die Prophezeiung“, „Unter der Eiche“ und einem weiteren neuen Song, der auf der Setliste als „Krach“ betitelt war, aber mit Sicherheit auf dem Album einen anderen Titel bekommen wird. Als nun eine Flasche Met in’s Publikum gereicht wurde, wussten alle, was die Stunde geschlagen hatte. Der Song „Met“ zwang auch die letzten der inzwischen ca. 700 Anwesenden zum  fröhlichsein, und danach musste auch dieser Gig gekürzt werden. Helge fragte, was die Fans als letzten Song hören wollen. Alle schienen sich einig zu sein und schrien nach „Nordheim“. „Das klang nach Nordheim“ kommentierte Helge und schon wurde der Song angestimmt. Die „Einer geht noch rein“-Rufe der Fans wurden ebenfalls nicht ignoriert und so wurde auch noch „Widar’s Hallen“ zum besten gegeben. Jetzt kann ich mich nur leider nicht erinnern, ob das der letzte Song war... Songreihenfolge also ohne Gewähr! In jedem Fall gab es zwischendrin auch noch ein sehr gutes Drum-Solo vom jüngsten Bandmitglied, und überhaupt haben Equilibrium einmal mehr klargemacht, wer am leichtesten (durch blosses Erscheinen) für Stimmung sorgen kann. Krass!

Nun wurde es merklich leerer in der Halle und man sah auch wieder ein paar ältere Fans in den vorderen Reihen. Die Black-Metal-Urgesteine „Impaled Nazarene“, die es seit 17 Jahren gibt, sollten nun die Bühne regieren. Sie legten ohne große Umschweife sofort mit Horny Hornetti/Armageddon Death Squad los und der exzentrische Sänger Mika jagte uns die Sex-Satan-und-Krieg-Lyrics durch die Gehörgänge, bis auch der letzte einen Tinnitus hatte, der die Ohrstöpsel vergessen hatte. Es ging weiter mit „Hardboiled and still hellbound“, „Pandemia“ und „Motorpenis“. Dem Schlagzeuger fiel hierbei gleichmal der Drumstick aus der Hand und er trommelte dann einseitig weiter, bis er den anderen irgendwie durch die unmöglichsten Verrenkungen wieder aufgehoben hatte. Sänger Mika ist wahrscheinlich einer dieser hyperaktivsten Menschen, die nicht für eine Sekunde bewegungslos sein können. Selbst wenn er nur auf der Stelle stand und gerade keine Textzeile zu growlen hatte, musste er zumindest die Zunge bewegen, züngeln quasi, was dann wirklich wie bei einer Schlange aussah. Aber natürlich lieferte die Band gnadenlosen BM ab, Mika schrie die Fans solange an, bis alle mitbängten. Ein Fan schwenkte voller Übermut sogar seine Krücke, was von der Security allerdings sofort beendet wurde. 

„Original Pig Rig“, „Fines et circes“, „For those who have fallen“ und „Pathogen“ folgten und der neue Lead-Gitarrist Tomi, der letzten Sommer Tuomio abgelöst hatte, hatte somit Gelegenheit sich bei den ultraschnellen Riffs zu beweisen. So knifflige Sachen in dieser Geschwindigkeit spielen... wow, da würden einige andere Gitarristen kläglich versagen. Die Monitorbox bebte die ganze Zeit von der Wucht des Sounds, es wurde gemörtelt und geholzt, dass die Fetzen fliegen. Nun folgte die allseits beliebte Goat-Titel-Sequenz: „Lost art of goat sacrificing“, „Goat sodomy“, „Goat justice“ und selbstverständlich „Goat perversion“. Runde Sache! Mit Pausen war da nichts, es wurde sofort weitergeschlachtet: „Karmageddon Warriors“, „The crucified“ (nachdem dieser mit den Worten „Jesus Christ is crucified“ angekündigt worden war) und „Funeral for despisable pigs“. Wie kann man nur so brutal kreischen wie Mika? Da ihm seine Zungenspielchen irgendwann wohl zu langweilig wurden, machte er zuweilen auch noch eindeutige Bewegungen mit der Hüfte, es war einfach sehr unterhaltsam, Mika zuzusehen. Er ist echt total abgespaced. Er machte auch gerne mal seinen Bassisten (der im übrigen ein wirklich wunderschönes Instrument hat) nach und brachte einen damit unweigerlich zum Lachen. Noch waren laut Setliste 3 Songs zu spielen, als der Sound-Junge von der Bühne aus Zeichen gab, dass nur noch Zeit für EINEN Song ist. Der Bassist konterte sofort, zeigte 2 Songs mit den Fingern an und danach dem Sound-Boy die Faust, so dass dieser nichts mehr entgegenzusetzen wagte. Sie spielten also noch „Condemned to hell“, was aber dann doch der letzte Song blieb. Es gab massive „We want more“-Rufe, und ich hätte ja wetten können, dass sie noch alle 3 Songs spielen, aber Mika warf hin und verliess die Bühne kommentar- und grusslos. 

Schon während des Impaled Nazarene Gigs hatten es die ersten Fans gewagt, nach der Splatter-Metal-Band Eisregen zu rufen. Der Gag war ja, dass zur selben Zeit, als Eisregen die Bühne betraten, draussen tatsächlich ein heftiger, eisig kalter Schneeregen einsetzte, obwohl es vorher den ganzen Tag lang schön gewesen war. Zufälle gibt’s! 

Eisregen wurden bei Betreten der Bühne heiss umjubelt und die Band, die sich ja eigentlich nicht mehr vorstellen muss, begrüßte die Fans mit: „Osnabrück, hier ist der Tod aus Thüringen“. Sie stellten auch gleich klar, dass sie (wie immer) Probleme mit gewissen behördlichen Institutionen haben und deshalb etliche Songs textlich völlig überarbeiten mussten. Und dies taten sie dann auch reihenweise. Schon bei den Erklärungen vor den Songs wussten die Fans natürlich, welche Songs eigentlich gemeint waren. Dies stellte sich dann zum Beispiel so dar: „Das nächste Lied ist über eine Frau aus dem Ostblock, was wir nicht mehr spielen dürfen. Aber man kennt ja noch andere Frauen ... z.B. meine schwedische Freundin!“. So wurden alle möglichen Songs abgeändert. Es gab dann zum Beispiel „Ein Hauch von Kreide“ anstatt „Ein Hauch von Räude“ oder „Sarg Nummero Eins > Buche“ statt „Mein Eichensarg“. Schlachthaus-Blues blieb allerdings Schlachthaus-Blues. O-Ton M.Roth: “Ihr wisst ja wie das ist, man verliebt sich in eine Dame aus der Nachbarschaft, bei der man keine Chance hat. Was soll man machen? Und wenn sie dann noch Schwestern hat, bei denen man auch keine Chance hat? Man nimmt sich Waffen und geht noch’mal hin“. „Eine tot, drei folgen“... so einfache Texte eignen sich natürlich hervorragend zum mitgrölen, was die Fans auch bis zum Exzess taten. Das muss man doch draussen noch meterweit gehört haben...

Die Fans riefen den gesamten Gig über nach „Salz der Erde“, dieser wurde allerdings nicht gespielt, auch nicht in abgeänderter Form. Schade. Dafür wurde „Blutgierig“ gespielt. Sänger Michael Roth zeigte sich von seiner trockenen Seite, die gleichzeitig (gewollt oder nicht) urkomisch ist. So riefen die Fans nach „Wasser“ (Hitze/Gedränge... ihr wisst schon). M.Roth’s Kommentar: „Hättet ihr euch Wasser gekauft, hättet ihr jetzt Wasser“. Apropos Wasser: es gab dieses Mal im „N8“ Getränkemarken, ihr wisst schon, dieses üble System, wo man es nie schafft, alle Marken in Getränke einzutauschen, aber auch sein Geld nicht zurückbekommt. Super Idee für den Club, mehr Umsatz abzurechnen, den es so nicht gab, und echt scheisse für die Besucher! Ist doch wahr!
Zurück zu Eisregen! Es tat gut, mal wieder deutsche Texte zu hören, wo man jedes einzelne Wort versteht, nachdem man bei Impaled Nazarene natürlich nicht ein einziges Wort verstanden hat. Während des Gigs versuchte eine Frau, unbedingt zu Eisregen auf die Bühne zu kommen, aber die Security warfen sie kurzerhand raus. 

„Zurück in die Kolonie“ wurde mit den Worten „Krebs macht frei“ angekündigt, und „Elektro-Hexe“ wurde als „eine hübsche Nummer, zu der man tanzen kann“ betitelt. Danach sagte M.Roth einfach mal „Tschüss“, wohlwissend, dass sofort alle nach Zugaben grölen würden, gekontert mit „Es heisst nicht Zugabe, es heisst Eisregen“. Die Fans reagierten auf Kommando und aus den Zugabe-Rufen wurden Eisregen-Rufe. „Eine erhalten“ war dann so ca. der dritte Song, der als jeweils letzter Song angekündigt war. Dabei sollte es noch eine ganze Weile munter weitergehen: „Viele Leute sagen, dass wir eine frauenfeindliche Band sind. Das stimmt.“ Kommt zwar nicht so glaubwürdig rüber, zumal die schwangere Keyboarderin stolz an den Keys stand und sich sichtlich gut behandelt fühlte. ;-) Jedenfalls folgte „Ein Lied gegen Prostitution“, klar, „1000 tote Nutten“. Danach wurde mit „Ein Gruss nach Osnabrück aus Thüringen im Jahre 2008“ das „aller-allerletzte Lied“ angekündigt. Es gab danach noch ein super-geiles Drum-Solo, richtig schön lang und old-school mit Taktwechseln, schnell, langsam, ernst, spielerisch, knifflig, cool. Gibt es meiner Meinung nach viel zu wenig bei Gigs. Danach hiess es nur noch „Asche zu Asche, Staub zu Staub“ gefolgt vom ultimativen Schlusswort „Der Tod ist ein Meister aus Thüringen“. 

Nun, lange nach Mitternacht (um genau zu sein um halb 2), konnte man etwas seltenes bestaunen, nämlich wie die Rausschmeisser-Band des Abends, nachdem sich die Halle geleert hatte und nur noch ca. 10 Leute vor der Bühne rumstanden, es schaffte, so geilen BM zu spielen, dass viele wieder reinkamen und es am Ende noch an die 100 Leute waren, die den Gig bis zum Ende anschauten. 
Die Band, die dies geschafft hatte, hieß „Thyrgrim“ und da möchte ich jetzt auch meinen Hut vor ziehen. Sie spielten echten Black Metal, rau und kantig, als erste und einzige Band des Festivals mit Corpsepaint und grimmen Gesichtern. Sänger Kain, eine mächtige Erscheinung, kreischte brutal und die ganze Band sorgte für hammerharte Mucke. Zwar hörte man einige schiefe Töne (vor allem der Drummer war vielleicht schon etwas übermüdet) , aber insgesamt war die Band, die sich früher „Kältetot“ nannte, ein würdiger Abschluss für das Festival. 

Dann hieß es also auch für mich, durch den eisigen Regen zum Hotel zurück zu laufen. Naja, für so ein geiles Billing nimmt man auch das noch in Kauf. Und nächstes Jahr wahrscheinlich auch wieder...  

Mehr Fotos von allen Bands gibt's hier:

Eisregen
Equilibrium
Impaled Nazarene
Impious
Kampfar
Månegarm
Necrophobic
Svartsot
Thyrgrim
Týr

 

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