Equilibrium
Gesprächspartner:
René Berthiaume (Gitarre)
Fragen von: Twilightheart
4. August 2008, in den "Helion
Studios" München
Auf
Wunsch von René sollte der Bildschirmschoner im Hintergrund unbedingt mit
abgedruckt werden ;-)
Bereits 2006 stand René mir Rede und Antwort (das alte Interview kann bei Interesse HIER nachgelesen werden). Aber ein neues Equilibrium-Album ist natürlich Grund genug, noch einmal ein wenig zu plaudern. Und so unterbrach René, der in den Helion Studios arbeitet, kurz seinen Job und wir setzten uns für ein kurzes Interview zusammen.
Twi > Euer neues Album „Sagas“ ist auf Platz 30 der deutschen Verkaufscharts eingestiegen.
René > Man nennt es offiziell „Media Control Charts“, aber eigentlich sind es die ganz normalen deutschen Album-Verkaufscharts.
Twi > Wie werden die ermittelt ? Einfach die Stückzahl der verkauften Alben pro Woche im Vergleich?
René > Soweit ich weiß, gibt es jeden Tag die “Trendcharts“, wo die verkauften Alben pro Tag gezählt werden. Am Ende der Woche werden die Zahlen zusammengezählt und daraus die Media Control Charts ermittelt.
Twi > Wie viele Wochen ward ihr jetzt darin vertreten ?
René > Wir waren drei Wochen darin vertreten. In der ersten Woche auf Platz 30, in der zweiten Woche auf Platz 66, und in der dritten auf Platz 85. Aber für eine Metal-Band ist das natürlich eine ziemlich coole Geschichte.
Twi > Viele Medien sprechen ja von einem überwältigenden Erfolg…
René > Ja, also für mich persönlich ist es auf jeden Fall ein sehr überwältigender Erfolg im Vergleich zum Vorgängeralbum.
Twi > Habt ihr nach dem Charterfolg gefeiert? Oder fühlt es sich nicht so toll an, wie man als Laie vielleicht glaubt?
René > Doch, eigentlich schon. Wobei ich eher innerlich gefeiert habe. Aber vor zwei/drei Wochen haben wir uns als Band bei Manu getroffen, der dann für uns gekocht hat. Da haben wir dann gemütlich gefeiert.
Twi > Was glaubst du persönlich, was das Erfolgsgeheimnis ist ? Denn auch das Vorgängeralbum wurde ja unter den Fans allein durch Mundpropaganda unglaublich bekannt gemacht. Was hat Equilibrium, was andere Bands nicht haben?
René > Natürlich gibt es auch andere Bands, die deutsch singen, aber ich glaube trotzdem, dass die deutschen Texte uns innerhalb Deutschlands mehr helfen, als wenn wir englisch singen würden. Andererseits ist es bei „Sagas“ (noch viel mehr als bei „Turis Fratyr“) so, dass wir herumexperimentiert haben, und zwar extrem. Die Songs sind in sich doch sehr unterschiedlich. Und viele Leute, die einen breiteren Musikgeschmack haben, finden dann eben zu uns, weil sie bei uns einerseits „auf die Fresse“ bekommen, aber andererseits auch sehr Melodisches oder mal ganz ruhige Stücke, Balladen usw. Ich denke also, es ist echt die Abwechslung. Andererseits gibt es dann aber auch Songs wie z.B. auf „Turis Fratyr“ > „Unter der Eiche“ oder „Met“, die dann zu den „Hits“ in Anführungsstrichen werden. Wenn wir solche Songs nicht hätten, wäre der Erfolg auch geringer, denke ich.
Twi > Denkst du, dass ihr mit untergehen werdet, wenn dieser ganze Pagan-Boom einmal vorbei ist ?
René > Nein, das glaube ich nicht. Wir sehen uns darin auch nicht so direkt. Weder musikalisch noch inhaltlich. Wir haben natürlich immer mal Anleihen und Elemente davon, bei „Turis Fratyr“ noch mehr, bei „Sagas“ jetzt eigentlich gar nicht mehr. Natürlich kann es sein, dass man unabhängig davon vorher oder hinterher trotzdem untergeht, so genau weiß man das natürlich nicht, aber wir sehen uns nicht als Teil der Pagan-Welle. Ob die Band weiter Erfolg hat, das liegt dann einfach an der Musik.
Twi > Beim „Summer Nights“- Festival vor kurzem hattet ihr ja gleich drei Damen mit auf der Bühne. Sandra und Gaby kennt man natürlich schon. Wer war die dritte? Und werden wir sie jetzt öfter mit euch sehen?
René > Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Die dritte Dame ist Alev aus Venezuela. Sie ist nach Deutschland gekommen, um Gesangsstunden zu nehmen, z.B. bei der Gaby. Und da dachten wir uns, wir nutzen die Gelegenheit, Gaby und Alev mitzunehmen, zumal das „Summer Nights“ nicht so weit weg ist. Wir wollten einfach einmalig versuchen, zweistimmige Gesangsparts live umzusetzen. Das war eine sehr spontane Idee. Ich habe ihr kurz vorher über Internet die Noten geschickt. Ich kann es zwar jetzt noch nicht genau sagen, aber ich könnte es mir zumindest vorstellen, dass man von Alev vielleicht bei uns mehr hören wird demnächst, da sie eine schöne Stimme hat und sich auch schön ergänzt mit Gaby. Sie hat auch ihre eigene Band in Venezuela. Die nennt sich „Nota profana“. Das ist eine Metal-Band mit ziemlich viel Orchesterinstrumenten, also noch mehr als Haggard. Und in Venezuela sind die gerade am Starten und haben jetzt auch eine Demo draußen, die dort wohl ziemlich gut ankommt.
Alev live mit Equilibrium/ Summer Nights Festival 2008:
Twi > Eigentlich war doch angedacht, dass Gaby einen viel größeren Part auf „Sagas“ einsingt. Wieso ist es dann doch nicht so intensiv ausgefallen?
René > Das hat sich etwas in die Länge gezogen. Zum einen, weil wir sowieso länger für die Produktion brauchten. Zum anderen ist sie in der Woche krank geworden, in der ich mit ihr aufnehmen wollte. Wir hätten den Veröffentlichungstermin natürlich immer wieder verschieben können, aber Nuclear Blast haben dann gesagt, dass wir das jetzt nicht noch einmal machen können, nachdem der Termin schon 4 oder 5 mal verschoben worden war. So haben wir dann gesagt, dass wir auf die Aufnahmen mit Gaby verzichten. War natürlich schade. Machen wir dann beim nächsten Mal wieder...
Twi > Wie kommt ihr mit Nuclear Blast klar? Die sind ja immerhin ein Major-Label, wo ihr nicht die Nummer Eins seid.
René > Die Gedanken hatten wir am Anfang natürlich auch, als wir da unterschrieben haben. Auch andere Labels, die uns haben wollten, haben gesagt, dass wir bei NB nur eine Nummer von vielen sein werden, aber das Gefühl hatten wir bisher nicht. Die haben ganz normal für uns ihre Promotion gemacht und sich immer um uns gekümmert, da gab es eigentlich keine Probleme. Und jetzt, nachdem sie sehen, dass es gut läuft und ihre Arbeit gefruchtet hat, mache ich mir keine Sorgen, dass sie uns auch weiterhin gut unterstützen werden.
Twi > Wie gehst du mit dem Ruf der Band um, den Charme einer Kinderband zu haben?
René > Gut, man liest das natürlich in den einschlägigen Pagan-Foren, wo die Leute uns diesbezüglich nicht ernst nehmen. Aber gut, wir sind in der Hinsicht auch einfach kein Pagan. Viele Leute kennen auch nur „Met“ und „Unter der Eiche“ und stempeln uns dann manchmal als recht einfache Band ab. Aber sie sollten sich mit „Sagas“ befassen. Ich meine, solche Songs wie „Mana“ (und das sage ich, ohne arrogant wirken zu wollen) kriegen die meisten Bands in Deutschland nicht hin. Da muss ich auch kein Blatt vor den Mund nehmen. Wenn jüngerem Publikum unsere Musik gefällt, dann freut mich das. Ich meine, jeder hat irgendwann mal angefangen. Ich denke, dass viele von den Jüngeren vielleicht auch ein bisschen offener sind als die Älteren. Mich freut es nur, wenn es bei unseren Gigs im Publikum voll ist. Ob die Fans nun jung oder alt sind, das ist mir eigentlich Wurscht. Über MySpace bekommen wir aus aller Welt und von allen Altersklassen Komplimente und Lob. Was da manche Deutsche für engstirnige Kommentare ablassen, interessiert mich da eigentlich nicht. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich nur mit 15-jährigen Kindern spreche. Zu uns kommen auch andere Leute und andere Bands, die uns loben. Wenn das in der Öffentlichkeit anders dargestellt wird, stört mich das eigentlich nicht. Letzten Endes ist es der Erfolg, der zählt, und dass die Musik gut ist. Wer sie hört, ist ja egal.
Twi > Würdest du dich freuen, wenn die „Bravo“ bei euch anfragen würde, um einen Bericht zu machen?
René
> Klar würde ich mich freuen. Jedes Medium, das über uns schreibt und uns
in der Öffentlichkeit präsentiert, dient uns, uns bekannter zu machen oder
Leute auf uns aufmerksam zu machen, die uns sonst nicht kennen. Und ob das jetzt
die „Bravo“ oder „MTV“ oder sonst was ist, das ist mir egal. Aber es ist
natürlich relativ unwahrscheinlich, denn VIVA und MTV boykottieren solche Musik
ja regelrecht. Sobald da ein Gitarrensolo drin ist, kannst du das eh vergessen.
Und von Kreischgesang brauchen wir gar nicht erst zu reden.
Aber ich hätte kein Problem damit, wenn die Medien uns und unsere Musik so
darstellen, wie wir sind (wie es zum Beispiel auch Nuclear Blast machen, die uns
so übernommen haben, wie wir sind, die uns überhaupt nicht reingeredet haben).
Wenn das so stattfindet, wäre es kein Problem. Wenn jetzt natürlich
irgendwelche komischen Sachen erfunden werden, dann wäre das schon unangenehm.
Aber wenn sie uns so darstellen, wie wir sind, wäre mir egal, ob das
„Bravo“ oder sonst wer wäre.
Twi > Ihr seid ja im Herbst auf einer ziemlich langen Tour, dem Heidenfest. Wie regelt ihr das dann mit euren Jobs oder dem Studium?
René > Es ist ja die erste richtige Tour, die wir machen. Der Grund, warum wir bisher nie wirklich auf Tour waren, war auch immer der Job oder ähnliche Geschichten. Jetzt bei der ersten Tour war es auch nicht so einfach, frei zu bekommen. Einige mussten hier und da ein Gespräch führen, damit das hinhaut. Das ist ja auch nur eine zweiwöchige, aber für uns ist das eine lange Zeit, weil wir so was noch nie gemacht hatten. Wenn man sich zum Beispiel Eluveitie anschaut, die touren ja noch um einiges länger, auch nach Amerika usw. Das Angebot hatten wir auch bekommen, aber das hat halt einfach nicht hingehauen. Wir sind noch nicht so weit, da einige von uns noch in der Ausbildung oder Studienphase sind. Helge und ich sind, glaube ich, die einzigen, die das so managen könnten, mehrere Wochen frei zu haben.
Twi > Aber ich glaube, es könnte durchaus sein, dass euer Erfolg so steigt, dass ihr eure Jobs hinschmeißen müsstet.
René > Ja, das ist natürlich verlockend. Da muss man dann einfach schauen. Also, gerade wenn es nach Amerika geht, da hilft es nicht, einfach mal 2 oder 4 Wochen zu touren. Da muss man das schon öfter machen, damit es sich auch lohnt. Allein wegen dem Visum, das muss man sich ja einkaufen und es ist teuer. Bei der ersten Tour zahlt man eigentlich nur drauf. Damit man den Markt dort auch erschließen kann, muss man öfter touren, und da bräuchte man wirklich viel mehr Zeit. Für dieses und nächstes Jahr wird das noch nicht in Frage kommen, denke ich. Man muss auch schauen, wie es mit dem nächsten Album weiterläuft.
Twi > Bei euren Live-Gigs kommen die Keyboards und andere Programmierungen aus der Konserve. Ist das ein akzeptabler Zustand für die Zukunft? Ich meine, ihr könnt nie sowas auf der Bühne machen wie zum Beispiel einen Song spontan zu verlängern, weil der Frontmann gerade in’s Publikum gesprungen ist und dort mit den Fans interagiert oder ähnliches.
René > Mittlerweile haben wir uns sehr daran gewöhnt. Es ist wirklich sehr angenehm, einfach vom Sound her, und auch, weil man einen Menschen weniger zu transportieren hat. Natürlich ist man in der Spontaneität etwas eingeschränkt. Manchmal machen wir es so, dass wir die Playbacks für den Live-Gig noch’mal ändern und Sachen einbauen, so dass es nicht eins zu eins wie auf dem Album ist, oder ähnliches. Das ist auch wirklich der einzige Nachteil. Ansonsten beschwert sich eigentlich auch keiner. Wie gesagt, der Sound hat wirklich Vorzüge. Und wenn wir den Sound so wie auf CD machen wöllten, bräuchten wir auch viel mehr Keyboarder, und das ist nicht wirklich möglich. Wenn ich mir manchmal Bands anhöre, die auf CD Bombast und viele Spuren haben, und das dann live versuchen mit nur einem Keyboard hinzubekommen, das klingt im Vergleich manchmal schon ein wenig arm. Da nehme ich dann doch lieber die Playback-Variante.
Twi > Hörst du dir im Epic-Metal-Bereich eigentlich selbst privat noch was an, oder hast du eher die Nase voll davon?
René > Ich höre mittlerweile im Metal-Bereich eigentlich eh nicht mehr so viel wie früher, als man NUR das gehört hat. Ich höre mir hin-und wieder mal bombastische Musik an, einfach um zu schauen, wie es andere machen. Aber eben nicht regelmäßig. Wenn Nightwish mal ein neues Album rausbringen, dann höre ich mir das schon an, weil es mich interessiert, wie die das gemacht haben. Vor allem auch, weil die mit echtem Orchester arbeiten. Ansonsten höre ich mir Episches eher im Filmmusik-Bereich an, oder im klassischen Bereich, da es dort professioneller und besser ist.
Twi > Hm, klar. Konnte ich mir jetzt eh nicht vorstellen, dass du dir z.B. Newcomer-Bands anhörst, die eher mit einfachen Akkorden arbeiten.
René > Wenn die Songs gut sind, dann höre ich mir das schon an. Es muss ja nicht alles so komplex sein. Aber man merkt es auch bei vielen neueren Bands, die in den letzten 2 bis 3 Jahren aus dem Boden geschossen sind... es ist ja inzwischen auch relativ einfach, eine Demo aufzunehmen, die einigermaßen gut klingt ... aber viele Bands vertrauen einfach nur darauf, dass sie einen fetten Keyboardsound haben und dann einen lauten Akkord haben. Aber das langweilt natürlich schon. Da ist die Komposition dann doch wichtiger.
Twi > Du bist doch der Band-Chef, oder?
René > Ja, eigentlich schon.
Twi > Ärgert dich das, wenn die Leute Helge als wichtigstes Mitglied der Band ansehen?
René
> Eigentlich nicht. Es passiert schon oft, dass die Leute in erster Linie zu
ihm gehen, Autogramme holen usw., aber für mich ist es Genugtuung, wenn ich mit
der Musik selber zufrieden bin, und wenn ich die Resonanz auf Konzerten oder über’s
Internet erfahre. Oder von Kollegen, Bands und anderen Künstlern. Also ich
brauche nicht unbedingt diesen Personenkult und bin auch nicht neidisch, wenn
die Leute in erster Linie dem Helge zujubeln.
Für mich zählt eher, dass die Musik angenommen wird. Das ist für mich die
Genugtuung.
René
live: