Waldgeflüster
Interviewpartner:
Winterherz |
Neulich habe ich das Album "Herbstklagen" von "Waldgeflüster" reviewt (HIER ein Link zum Review) und war so begeistert von der Musik, dass mir ein Interview anschließend einfach ein Bedürfnis war, um vielleicht noch das ein oder andere zu diesem Meisterwerk zu erfahren. Mastermind Winterherz stand Rede und Antwort.
Man kann das Album „Herbstklagen“ deines Soloprojekts sicher als Überraschung des Jahres bezeichnen. Die Kritiken sind durchweg positiv, was auch nachvollziehbar ist, da das Album einzigartig und wunderschön ist. Wie fühlt man sich, wenn man auf so eine Resonanz stößt?
Um ehrlich zu sein: Überrascht. Weder das Label noch ich hatten mit so einer positiven Resonanz gerechnet. Es gibt auch ein, zwei negative Stimmen, aber insgesamt ist schon ein recht großer Zuspruch zu vermerken. Natürlich fühlt man sich dadurch bestätigt, und ich bin sehr glücklich darüber, dass das Album den Leuten gefällt. In erster Linie mache ich die Musik für mich, aber ein positives Review kann einem den Tag schon etwas aufheitern, sowie ein schlechtes auf die Stimmung drücken kann.
Wie war der Release-Gig in Rosenheim eigentlich? Wie viele Leute waren da? Wie haben sie auf den Auftritt reagiert? Wie kam es, dass der Eintritt frei war? War es dir das wert? Oder gab es Sponsoren? Wie hast du dich auf der Bühne gefühlt?
Das Release Konzert fand in St.Pölten im Underground, meiner Stammkneipe hier, statt. Das Underground ist ein kleine, aber meiner Meinung nach sehr unterhaltsame Bar direkt bei mir um die Ecke, und da ich einen relativ guten Kontakt zum Besitzer habe, hatten wir vereinbart das Konzert dort stattfinden zu lassen. Der Vorteil war einfach, dass ich keine Ausgaben hatte, weil wir so gut wie keine Werbung machen mussten, keine richtige Anlage besorgt werden musste und ich mich auch sonst um nicht viel kümmern musste. Dort finden öfters kleine Konzerte statt, und auch bei denen ist der Eintritt immer frei. Da ich keine Ausgaben hatte, brauchte ich ja auch keine Einnahmen. Mir ging es nur darum einen schönen Abend zu verbringen, an dem ich 2 ½ Jahre Arbeit mit den Personen, die mir am nächsten stehen, feiern konnte. Schlussendlich war die Kneipe ziemlich voll, und ich glaube das Konzert kam bei den Leuten sehr gut an. Ich selbst habe mich auf der Bühne eigentlich wie immer gefühlt, ich habe versucht alles zu geben, in den Liedern aufzugehen und mir die Seele aus dem Leib zu schreien. Insgesamt war es ein wundervoller Abend, die Aftershow rundete das Ganze ab und dass fast alle für mich wichtigen Personen anwesend waren, hat ihm eine besondere Note gegeben, die mich diese Nacht wohl nie vergessen lassen wird.
Zum
neuen Album „Herbstklagen“!
Mir gefällt es, dass die Natur-Fotos im Booklet von dir selbst gemacht sind.
Hattest du das von Anfang an im Kopf, oder ist die Idee spontan entstanden? Oder
war es einfach so, dass du nirgends Fotos gefunden hast, die die Natur so
zeigen, wie du sie empfindest und du deshalb die Fotos selbst machen musstest?
Wo sind
die Fotos entstanden? In deiner Wahlheimat Österreich?
Ich hatte von Anfang an vor selbst zu versuchen, die Fotos zu schießen. Fotos von anderen Personen kosten ja wieder etwas und hätten einen Mehraufwand bedeutet. Da ich aber eigentlich kein geborener Fotograf bin, hatte ich mir selbst es immer noch offen gelassen, auf die Hilfe von Leuten, die dieses Metier besser beherrschen, zurückzugreifen. Dann hatte ich allerdings das Glück mit meinen Eltern und meinem Bruder für zwei Wochen durch Skandinavien reisen zu können. Dort habe ich dann ca. 300 Fotos geschossen, die im Booklet abgedruckten sind jene, die meiner Meinung nach gut geworden sind. Der Rest war zu einem großen Teil Ausschuss, aber bei den verwendeten Fotos hatte ich das richtige Motiv zur richtigen Zeit vor der Linse. Alle Bilder sind somit in Skandinavien entstanden, außer dem Foto auf Seite 6, welches im Naturschutzgebiet Thayatal in Niederösterreich gemacht wurde. Auch hier kann man wieder eher von Zufall sprechen, dass mir dieses Bild gelungen ist.
Wo wir gerade bei der Schönheit der Natur sind... kann man diese überhaupt mit Worten beschreiben? Was empfindest du, wenn du in der Natur bist?
Ich denke schon, dass man ihre Schönheit teilweise mit Worten beschreiben kann. Nicht jedem, und auch nicht immer gelingt dies, aber es ist möglich. Die Lyrik kann Bilder im Geist entstehen lassen, welche manchmal sogar schöner als die Realität sind, da sie nur einen bestimmten und gewollten Ausschnitt zeigen, und störende Strommasten, Straßen oder auch Menschen einfach ausblenden können. Bei den leider viel zu seltenen Gelegenheiten, an denen ich in die Natur komme, versuche ich immer mich an ihrer Schönheit zu erfreuen, und meine Gedanken schweifen zu lassen. Ich versuche dann zu mir selbst und zur Ruhe zu kommen.
Glaubst du an die Magie der Natur? Wenn ja, auf welche Weise?
Ich glaube insofern an die Magie der Natur, dass sie dem Menschen eine unheimliche Kraft geben kann. Wenn man sich darauf einlässt, und versucht die Natur wirklich zu spüren und zu erleben, kann einem das Energien zurückgeben, die einem durch den Alltag und die Hektik des Lebens geraubt werden. Außerdem schafft einem dieses Erleben die Möglichkeit mit sich selbst ins Reine zu kommen. Auf einem schönen Spaziergang, einer Wanderung, oder auch einfach beim Laufen, kann man sich vollkommen auf sich selbst konzentrieren, und somit sein Innerstes erforschen. Diesen Aspekt der Natur kann man durchaus als Magie bezeichnen.
Durch das ganze Album zieht sich eine Art Grundmelodie, die leicht melancholisch bzw. traurig ist. Wann/wo ist dir diese eingefallen? War dir gleich klar, dass du sie für die Zukunft auf Band bannen wirst?
Grundmelodie ist hier das falsche Wort. Ich glaube was du meinst ist die Grundharmonik die sich durch das Album zieht. Denn eigentlich hat jedes Riff auf Herbstklagen eine eigene Melodie. Allerdings arbeiten so gut wie alle Riffs mit derselben Harmonik, die auf Terzintervallen aufgebaut ist. Mir ist also nie zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Grundmelodie eingefallen, die ich dann für das ganze Album verwendet habe. Eher war es so, dass ich schon beim ersten Stück das ich für die Demo „Stimmen im Wind“ geschrieben habe, diese bestimmte Art von Riff, welches meistens aus einer Melodie besteht und einer zweiten Gitarre die die Terz zu dieser Melodie spielt, als Sound für Waldgeflüster festgelegt habe. Ich breche zwar immer wieder aus diesem Konzept aus, doch dies ist der Klang der Waldgeflüster ausmacht. Die Riffs schreibe ich allerdings immer einzeln, teilweise liegen mehrere Wochen zwischen zwei Riffs. Ich muss gestehen, dass nie eine besondere Atmosphäre oder Magie herrscht, wenn ich schreibe. Meistens liege ich dabei im Bett, schaue Fernsehen und klimpere auf meiner E-Gitarre herum. Irgendwann entsteht dann plötzlich etwas Gutes, oder auch nicht. Mir ist klar, dass das jetzt wahrscheinlich einige Leute enttäuschen wird, aber so ist es nun mal. Kein Aha-Effekt, kein Kerzenlicht in der Nacht, kein Blut – nur eine Gitarre und der Zufall.
Wie wurden die Geräusche des Regens usw. für das Album aufgenommen? Samples? Oder wirklich selbst in der Natur aufgenommen?
Ich hätte die Samples gerne selbst aufgenommen, nur leider fehlt mir dazu das nötige Equipment. So musste ich leider auf Samples zurückgreifen. Wenn ich irgendwann das Geld habe mir die entsprechenden Geräte zu besorgen, werde ich allerdings versuchen diese Geräusche selbst aufzunehmen. Somit hätte ich auch mehr Einfluss auf die Gestaltung dieser Sounds, was dem Endergebnis natürlich nur zu Gute kommen würde.
Wie kamst du auf die Idee, jedes Stück „Klage“ zu nennen?
Die Stücke an sich heißen ja nicht wirklich Klage. Dieses „Klage“ ist so ähnlich zu sehen wie „Track“, also einfach nur eine andere Form der Aufzählung. In den Proben heißt es auch nie: „Wir spielen jetzt Klage 2 – Herbst befiel das Land“, sondern einfach „Herbst befiel das Land“. Meistens sogar nur „Herbst“. Nachdem der Titel für das Album feststand, war es nur logisch die einzelnen Stücke so zu benennen. Denn die Lieder sind ja die Herbstklagen, aus denen sich das Album zusammensetzt.
War es schwer für dich, die Lyrics in deutscher Sprache zu schreiben? Hast du in manchen Songs absichtlich nicht auf Reime zurückgegriffen, oder war das einfach zu schwierig, dann alles so auszudrücken, wie du es wolltest? Wie oft oder wie lange hast du gesessen, um die Texte zu schreiben?
Grundsätzlich schreibe ich seit einigen Jahren fast nur noch auf Deutsch. Ehrlich gesagt fällt mir dies viel leichter als auf Englisch zu schreiben. Ich beherrsche die deutsche Sprache einfach besser, kann mich schöner in ihr ausdrücken und in meinen Ohren klingt sie einfach angenehmer. Außerdem wirken viele englische Texte oftmals so plakativ, wenn du verstehst was ich meine. Ich habe in manchen Stücken auf Reime verzichtet um etwas mehr Abwechslung in die einzelnen Texte zu bringen. Immer wieder dieselbe Form von Text wäre auf die Dauer langweilig geworden. Allerdings muss ich sagen, dass es mir oft leichter fällt in Reimen zu schreiben. Ich weiß nicht genau wieso, aber da einem die gereimte Form einige Einschränkung gibt, zum Bespiel bei der Länge der Zeilen, kommen mir die Worte leichter in den Sinn. Auf die Frage wie oft ich an den Texten gesessen bin, kann ich nur antworten, dass es wahrscheinlich so um die neun Mal war. Meistens schreibe ich die Texte in einem durch. Der Text zu Erster Schnee ist sogar in einer Vorlesung entstanden. Oftmals schreibe ich dann, wenn ich mir bei einem Wort nicht sicher bin, Alternativen auf. Nach ein paar Wochen, meistens direkt bevor ich den Gesang aufnehme, gehe ich die Texte dann noch einmal durch, entscheide mich für eine der Alternativen und überprüfe ob ich immer noch zufrieden damit bin. Manche Songs entstanden aber auch an 2 oder 3 verschiedenen Tagen. Je nachdem, wie ich vorwärts komme, und in welcher Stimmung ich mich befinde. Auch wie lange ich für einen Text brauche hängt davon ab. Erster Schnee entstand in 1 ½ Stunden, für andere habe ich länger gebraucht. Meistens habe ich allerdings die Idee für die Lyrics schon länger im Kopf, und beschäftige mich damit, so dass ich dann einen sehr genauen Plan habe, wie ich den Text aufbaue. Manchmal stehen auch schon einzelne Zeilen fest bevor ich mit dem wirklichen Schreiben beginne.
In einem deiner Texte fragst du: „Ist der Mensch nun mehr Mensch?“ Hast du selbst eine Antwort darauf? Ist der Mensch heute mehr Mensch als früher?
Meiner Meinung nach ist er es nicht. Dieses ständige Verlangen nach Fortschritt hat uns natürlich viele Annehmlichkeiten beschert. Aber unser Leben wurde dadurch immer hektischer und schneller. Es bleibt einem oftmals gar keine Möglichkeit mehr ein reifer und glücklicher Mensch zu werden. Früher hatte man zwar viel weniger Wissen, aber ich glaube dass es leichter war glücklich zu sein. Denn die Menschen konnten sich eher auf die kleinen Dinge im Leben konzentrieren. Diese Sichtweise ist vielleicht naiv, aber ich glaube wirklich daran, dass ein einfaches Leben eine größere Chance auf Glück bereithält als dieses Fortschritts- und leistungsorientierte Leben der heutigen Gesellschaft. Und auch darum geht es in dem von dir angesprochenen Text. Ich stelle mir darin die Frage ob die Entmystifizierung der Natur und die Auffüllung ihrer geheimnisvollen Plätze mit Wissenschaft, die Menschheit wirklich vorwärts gebracht haben. Den heutigen Menschen fällt es schwer die Kraft und Ruhe zu spüren, die von vielen Orten ausgehen kann, da sie dort nicht mehr innehalten, und sich darauf konzentrieren. Früher waren diese Plätze angefüllt mit geheimnisvollen Wesen, und dies brachte die Leute dazu, sich eindringlicher mit diesen Stellen zu beschäftigen. Nicht dass ich an Elfen oder ähnliches glaube, aber ich glaube an die positiven Effekte die dieser Glaube auf die Menschen haben konnte. Also ist der Mensch wirklich mehr Mensch, wenn er nur noch an die Wissenschaft glaubt, und dafür keine Kraft mehr aus der Natur schöpfen kann? Ich denke nicht.
„Wotan sang“ ist der stärkste Song des Albums. Ich meine, die Geschichte Odins/Wotans, die am Anfang des Songs wiederholt wird, ist zwar allseits bekannt, aber gegen Ende des Songs gibt es einige Lyric-Zeilen, die mich total umgehauen haben, als ich sie das erste Mal hörte/las („Nur wenige wissen, was ich ihnen einst gegeben“...). Wie kamst du dazu, so etwas zu schreiben? Und wieso gerade aus Sicht eines Gottes? Ich glaube fast, da haben sich nur wenige vor dir rangetraut.
Da ich an keine personifizierte Gottheit namens Wotan glaube, hatte ich keine Probleme mich an diesen Text zu trauen. Diesen Song habe ich allerdings schon 2006 geschrieben, weswegen ich deine Frage nicht mehr ganz so genau beantworten kann. Ich glaube mich aber daran erinnern zu können, irgendwie auf die Zeilen des Refrains gekommen zu sein, und dass mich dieser Ausdruck „Wotan sang“ sehr fasziniert hatte. Ich wollte mit diesem Stück meine eigene Sicht des Heidentums vertonen und war von der Idee begeistert es aus der Perspektive eines „vergessenen“ Gottes zu schreiben. Mehr kann ich dir zu meinen damaligen Beweggründen leider nicht sagen, das ist einfach zu lange her.
Im
Song taucht der Begriff „gerechte Ehre“ auf. Was soll das denn sein? Gibt es
ungerechte Ehre?
Wie definierst du Ehre überhaupt? Ist es erstrebenswert, ehrenhaft zu leben
oder gar zu sterben?
Ich finde es schon erstrebenswert sein Leben so ehrenhaft wie möglich zu verbringen, und somit auch ehrenhaft zu sterben. Allerdings meine ich damit nicht, dass man unbedingt mit dem Schwert in der Hand sterben muss, sondern, dass man wenn man auf sein Leben zurückblickt, zufrieden mit sich selbst und dem eigenen Verhalten ist. Wenn man also versucht hat ehrenhaft zu leben, sich selbst immer treu zu bleiben und für die Sachen die einem wichtig sind, einzutreten, kann man auch ehrenhaft sterben. Der Begriff gerechte Ehre beschreibt leider nur unzureichend was ich damit meine. Allerdings wäre alles andere zu lang gewesen, und hätte nicht in den Text gepasst. Somit ist dies eine Art Kompromiss. Gemeint war damit eigentlich, dass für mich Ehre von innen heraus, und aus dem eigenen Verhalten kommt, und nicht von außen beschmutzt werden kann. Ich habe das Gefühl, das viele Leute Ehre damit gleichsetzen, dass sie jemanden verprügeln, wenn dieser sie oder ihre Familie beleidigt hat. Genau so ein Verhalten wäre in diesem Fall die „ungerechte“ Ehre. Wie gesagt, geht es mir bei Ehre eher darum sich selbst treu zu bleiben, und für die wichtigen Dinge einzutreten, und sich auch ehrenhaft gegenüber anderen Menschen zu verhalten, sprich sie nicht anzulügen, höflich zu sein und jedem erstmal Respekt entgegenzubringen. Wenn ich jemanden verprügel, oder vielleicht noch schlimmeres, weil er zu mir Arschloch oder sonst irgendetwas gesagt hat, hat das für mich nichts mit Ehre zu tun. Das ist einfach nur primitives Verhalten, das eher von den eigenen Unzulänglichkeiten zeugt, als von einem reifen Menschen, der sich überhaupt philosophisch mit dem Begriff Ehre auseinander setzen kann. Ich gebe zu, dass ich die Begrifflichkeiten in diesem Fall nicht gerade sehr glücklich gewählt habe, aber zum Glück gibt es ja Interviews in denen man dies erläutern kann.
Überhaupt scheint es mir, dass du für dein recht junges Alter sehr in der Materie steckst. Klar, Intelligenz hat nichts mit Alter zu tun. Aber die Tatsache, dass du SO intensive Texte schreibst, deutet schon darauf hin, dass hier großes Interesse hinter der Thematik steckt und viel geistiger Aufwand betrieben wurde, um so etwas zu schaffen. Soll heissen, ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur darum ging, tolle Musik zu schreiben, sondern ich vermute eine Intention und grosse Leidenschaft dahinter, vielleicht sogar ein Ziel, in den Menschen etwas zu bewegen durch die Texte. Liege ich richtig? Wenn ja, was willst du erreichen oder glaubst du, erreichen zu können?
Zuerst einmal würde ich mich mit 24 Lenzen als gar nicht mehr so jung bezeichnen. Wenn ich das mit anderen Leuten vergleiche die in der Musikbranche tätig sind, gibt es da ja einige die noch jünger sind. Du liegst insofern richtig, dass es mir tatsächlich nicht nur darum ging gute Musik zu schreiben. Für mich ist jedes Stück das ich schreibe, eine Art Therapie, in der ich mit meinem Innersten kommuniziere, und meine Gefühle und Erlebnisse verarbeite. Deshalb brauche ich auch immer so lange zwischen den Songs, denn ich schreibe sie erst, wenn etwas aus mir heraus muss. Ich betreibe die Musik also nicht nur aus profanen Gründen, sondern ich brauche das um mich selbst zu verstehen. Aus diesem Grund steckt auch wirklich eine große Leidenschaft dahinter. Aber mein vorrangiges Ziel ist es nicht unbedingt die Menschen zu bewegen. Meine Musik ist eher eine persönliche Sache. Wenn sich die Menschen allerdings davon angesprochen fühlen, und sie die Texte berühren, dann freut mich das natürlich. Wenn ich etwas erreichen wollen würde, würde ich mir wünschen, dass sich die Menschen mit meinen Texten identifizieren können, und sie vielleicht an ihnen wachsen, ebenso wie ich selbst daran gewachsen bin. Die Lyrics sollten sie auffordern in sich zu gehen, sich mit sich selbst auseinander zu setzen und die Kraft der Natur zu spüren. Zwar enthalten einige Texte autobiografische Teile, doch sind diese meisten so allgemein gehalten, dass die Texte den Menschen trotzdem die Möglichkeit geben sollten, etwas aus ihnen für ihr Leben zu ziehen.
Ein Song heißt „Von Einsamkeit“. Hast du die wahre Einsamkeit je kennengelernt? Wie würdest du sie definieren?
Ob ich die wahre Einsamkeit jemals kennengelernt habe, kann ich nicht beantworten, da immer die Frage bleibt wie man diese definiert. Wenn du sie so definierst, dass du keine einzige vertraute Person hast, keine Familie oder Freunde, dann nein. Was ich mit dem Stück eher ausdrücken wollte, war das Gefühl sich alleine und unverstanden zu fühlen, obwohl man unter Menschen ist, auch unter seinen Vertrauten. Denn manchmal habe ich das, dass ich mich einsam fühle, trotz meiner Freundin, Freunde und Familie. Einfach weil ich den Eindruck habe, dass mich keiner von ihnen versteht, oder verstehen könnte, da kein Mensch so denkt wie ich. Natürlich ist das nur ein Eindruck, aber ab und zu empfinde ich eben so. Dadurch kann man sich einsam fühlen.
Mir gefällt es, wenn sich in die Songs Passagen einschleichen, in denen du klar singst. Warum gibt es nicht mehr davon? Warum muss es eigentlich immer Growling sein? Wenn ich mir vorstelle, 90 % des „Herbstklagen“-Albums wären klar gesungen, dann stelle ich mir das fantastisch vor....
Ich finde gerade das Zusammenspiel dieser beiden Gesangsarten interessant. Ich denke dass die Klarpassagen die Songs auflockern, und diese Abwechslung ist das was ich mit ihnen erreichen wollte. Mehr davon würde meiner Meinung nach nicht passen, immerhin wollte ich immer noch ein Black Metal Album machen. Dafür ist Growling unerlässlich, und ich denke, dass ich es relativ gut kann. Auf die Frage warum nicht mehr klarer Gesang, kann ich nur antworten, dass zum einen mehr nicht gepasst hätte, vor allem nicht zu den Texten, zum anderen weil es nicht möglich gewesen wäre. Bei so ziemlich jedem Riff das ich schreibe, überprüfe ich seine „Klargesangstauglichkeit“. Bei einigen passt es einfach wegen der Melodien nicht, der Klargesang wäre langweilig oder hätte keinen ansprechenden Klang. Bei anderen ist es so, dass sie meinen Stimmumfang sprengen. Auch auf Herbstklagen sind zumindest zwei Parts bei denen ich an meine absolute Grenze gekommen bin. Der Refrain in „Von Einsamkeit“ hat eine Note, die ich gerade noch so mit Ach und Krach erreiche. Höher wäre einfach nicht möglich. Und in „Erster Schnee“ ist eine Stelle die ich wirklich nicht mehr normal erreicht habe. Dort musste ich auf Falsett Gesang zurückgreifen, der sich normalerweise wirklich nicht gut anhört. Ich habe an dieser Stelle einfach mit dem Trick nachgeholfen eine zweite, tiefe Stimme einzusingen, und den Falsett Ton sehr leise zu machen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass ich oben alle Töne in der normalen Stimmlage wunderbar schaffen würde, obwohl dies eben nicht der Fall war. Und dieses Problem würde bei vielen Riffs bestehen – dass sie mir schlicht und einfach zu hoch sind. Als kleinen Anreiz kann ich dir aber vielleicht erzählen, dass eine LP-Veröffentlichung des Albums geplant ist – auf dieser wird sich als Bonus-Song eine Akustik Version von „Wotan sang“ befinden, auf der nicht nur eine Flöte zum Einsatz kommen wird, sondern deren Vocals auch komplett als Klargesang angelegt sind.
Das Schlagzeug auf dem Album ist stellenweise etwas holprig bzw. passt kurzzeitig nicht wirklich perfekt. Wie kommt das? Ist dir das selbst überhaupt schon aufgefallen? Warum wurde es nicht verbessert?
Ehrlich gesagt kann ich nicht wirklich nachvollziehen, welche Stellen du meinst. Es befinden sich glaube ich ein, zwei Parts auf dem Album, in denen das Tempo der Drums minimal schwankt, aber wirkliche Fehler, bzw. „Holpler“ kann ich da nicht ausmachen. Ich lass mich zwar gerne eines Besseren belehren, aber mir wäre das wirklich noch nicht aufgefallen, und auch sonst keinem mit dem ich gesprochen habe. Wenn solche Stellen wirklich auf dem Album wären, erklärt sich dies ganz eindeutig aus der äußerst kurzen Zeitspanne in der das Schlagzeug eingespielt wurde. Andi von Helfahrt hatte extra einen Weg von ca. 400km auf sich genommen, um zu mir nach St.Pölten zu kommen. Wir konnten dann Freitagnachmittag mit den Aufnahmen beginnen, und hatten nur bis Samstagnachmittag Zeit. Insgesamt hat er in 13 Stunden knapp 55 Minuten Schlagzeug aufgenommen – und dazu muss man sagen, dass er davor nur die wirklich schlechten Demo Aufnahmen kannte, und die nicht lange. Das heißt, dass wir viele Schlagzeug-Parts in diesen 13 Stunden erst erarbeiten mussten. Noch dazu hatte er am zweiten Tag gesundheitliche Probleme. Ich denke jeder Schlagzeuger wird also wissen, was das für eine Arbeit für ihn war, und ich bin ihm unendlich dankbar, dass er diese Strapazen auf sich genommen hat. Zumindest ich bin voll und ganz mit dem Ergebnis zufrieden. Also wie gesagt, ich kann keine wirklichen Fehler erkennen. Aber wenn du mir die Stellen die du meinst mitteilst, werde ich diese natürlich noch einmal ganz genau begutachten.
Sogar Max von Helfahrt hat den Weg auf’s Album gefunden. Wie kam es zu der Zusammenarbeit? Wird er live bei kommenden Gigs als Gast auf der Bühne stehen, sollten eure Bands mal beim gleichen Festival spielen?
Ich
bin jetzt schon seit einigen Jahren mit den Jungs von Helfahrt wirklich sehr gut
befreundet. Wir treffen uns sooft es aufgrund der Entfernung und unser aller
Mangelware Zeit möglich ist, und wir unterstützen unsere musikalischen
Projekte so gut es geht gegenseitig. Zum Beispiel mit der Vermittlung oder
Zuschanzen von Konzerten. Als irgendwann das Konzept für Herbstklagen
feststand, war mir klar, dass ich ein Intro haben wollte, und so entstand die
Idee zu „Sommerabend“. Und mir war ebenfalls klar, dass ich eine Flöte in
dem Track haben wollte. Zuerst hatte ich das sogar selbst versucht, und ich kann
nur sagen, dass diese Versuche wirklich kläglich scheiterten. Ich wusste natürlich
dass Max Flöte spielen kann, habe ihn dann einfach gefragt, und er hatte sofort
zugesagt. Wenn ich mich recht erinnere, hatte er dann irgendwann zu einer Party
bei sich zu Hause eingeladen. Ich bin einfach zwei Stunden früher zu ihm
gekommen, hatte meine Aufnahmegeräte dabei, und wir haben das schnell
geschrieben und eingespielt. Glücklicherweise hatte er sich ein paar Tage zuvor
eine Oberton-Flöte gekauft, und wir wollten einfach nur ausprobieren, wie sich
diese Flöte aufgenommen anhört. Er spielte dann irgendetwas, und ich ließ das
Band laufen. Wir waren davon beide so begeistert, dass ich mich entschloss auch
dies im Intro einzubauen, und ich finde die Obertonflöte gibt dem Ganzen nur
durch diese paar Töne einen sehr geheimnisvollen Klang. Manchmal entsteht Musik
eben einfach nur durch Zufall.
Wenn Waldgeflüster und Helfahrt wieder einmal auf derselben Bühne spielen
sollten, werden wir sicher einmal darüber reden, ob er nicht für einen
Gastauftritt bereit wäre. Allerdings sicher nicht in der Form wie er auf dem
Album zu hören ist. Dort hat er ja nur die Flöten für das Intro eingespielt,
und dieses wird auch weiterhin vom Band kommen. Aber das sind Zukunftsvisionen
die geklärt werden, wenn es soweit sein sollte.
Warum gibt es keine neuen Tourdaten? Wäre nicht gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für viele Auftritte? Oder geht es dir/euch nicht um dergleichen?
Wir würden sehr gerne live spielen! Die Wahrheit ist, dass sich bis jetzt einfach nichts Neues ergeben hat. Und ja, du hast recht, genau jetzt wäre der richtige Zeitpunkt Konzerte zu geben. Also wenn sich irgendein Veranstalter jetzt angesprochen fühlt, soll er sich bitte unter winterherz (at) gmx.at melden. Uns geht es nämlich schon darum, live zu spielen. Wir proben ja auch nur aus diesem Grund. Denn da Waldgeflüster eigentlich mein Solo-Projekt ist, schreibe ich alle Lieder zu Hause und alleine. Aber wir lieben es live zu spielen, und deshalb mühen wir uns ständig ab. Es würde uns freuen, wenn wir etwas regelmäßiger und öfters Konzerte hätten. Im Übrigen sind wir im Augenblick auch auf der Suche nach einem neuen Live-Schlagzeuger, da unser bisheriger leider nicht mehr die Zeit aufbringen kann, die nötig ist. Er hilft uns allerdings noch bis wir jemanden neuen gefunden haben. Aber auch hier würde ich jeden Interessenten bitten sich bei mir zu melden.
Ihr habt 2006 ein Demo veröffentlicht. Gibt es das noch? Würdest du deinen Fans noch empfehlen, sich das anzuschaffen, oder ist es überholt? Ist die Musik darauf ähnlich wie auf „Herbstklagen“?
Ich habe kein Exemplar mehr von „Stimmen im Wind“. Ich sehe es aber ab und zu in irgendwelchen Trade-Listen. Wer Herbstklagen wirklich mag und eher aus der Black Metal Richtung kommt, dem würde ich es schon empfehlen. Ich meine für 3-4€ werden 40 Minuten Musik geboten, der man meiner Meinung nach anhört, wohin sie letztendlich führte. Das wirklich große Manko ist der Sound, der doch sehr breiig ist. Aber es ist halt eine Demo. Obwohl ich auch schon Stimmen gehört habe, die meinten ihnen hätte der Klang auf der Demo besser gefallen. Die Musik hat sich meiner Meinung nach schon entwickelt seit „Stimmen im Wind“, doch die Grundelemente sind eindeutig dieselben, auch die Grundstimmung ist ähnlich. Übrigens befindet sich „Wotan sang“ ebenfalls auf dem Tape. Von dem her kann man also schon sagen, dass die Musik ähnlich zu „Herbstklagen“ ist.
In „Herbstlich Wanderung“ geht es unter anderem darum, dass ein Weg bereits vorbestimmt sein könnte, bzw. stellst du die Frage, ob es möglich ist. Glaubst du daran, dass unser aller Weg vorbestimmt ist? Oder glaubst du daran, dass die Zukunft nur in unserer Entscheidung und in unserer Tat liegt?
Die direkte Zukunft liegt natürlich in der Macht unserer Entscheidungen. Was ich mit diesem Stück ausdrücken wollte, war, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass das Leben einfach so passiert und sich verselbstständigt. Irgendwann wird man geboren, man geht zur Schule, weil die Gesellschaft das so verlangt, macht sein Abitur, und auf einmal sitzt man in Österreich, und fragt sich, ob man das alles wirklich so gewollt hat. Als ich diesen Text schrieb, hatte ich den Eindruck, dass alles so schnell passiert wäre, als ob ich gar keinen Einfluss darauf gehabt hätte. Und ich habe mich manchmal gefragt, wie ich an diesen Punkt gekommen bin. Habe ich das alles selbst so entschieden? Nicht dass ich irgendwann anders gewählt hätte, mein Weg war sicher nicht der absolut falsche. Aber man fragt sich halt manchmal, ob man überhaupt einen Einfluss darauf gehabt hat, oder ob man hier sitzt, weil die Gesellschaft das so von einem erwartet. Ich glaube nicht an das wirkliche Schicksal, aber die heutige Zeit gibt einem doch schon ziemlich genau vor, wie das Leben abläuft: Du stehst auf, gehst zur Arbeit, und irgendwann bist du dann tot. Spielt es wirklich eine Rolle, welche Entscheidung ich heute treffe? Ich will auf diese Fragen keine Antwort geben, das deprimiert mich nur noch mehr. Ich spiegel in diesem Text nur das Gefühl wieder, dass sich manchmal in mir breit macht. Im Endeffekt kann man nur versuchen, das eigene Leben bestmöglich zum positiven zu beeinflussen, auch wenn das oft nicht gelingt.
Winterherz von Waldgeflüster: