Turisas - „Battle Metal“
Century Media - 2004
Als die Plattenfirma das Signing der nach einem Kriegsgott benannten Band verkündete, dachte man sicher vielerorts, dass es sich wohl um eine weitere Folk/Viking Metal Band handeln würde, die auf den gerade ach so populären Zug aufspringen wollte. Die meisten dürften jedoch nicht gewusst haben, dass Turisas schon seit 1997 bestehen, im Jahr 2000 eine Demo-CD aufgenommen und seitdem viele Konzerte in ihrer Heimat Finnland gespielt haben. Dennoch sollte es bis zum jetzigen Zeitpunkt dauern, aus den Mikrokosmos Finnland herauszukommen und auf sich aufmerksam zu machen, was ihnen mit dem Debüt „Battle Metal“ hervorragend gelungen sein dürfte.
Das
Intro „Victoriae & triumphi dominus“ eröffnet das Album verheißungsvoll:
Ein majestätisches Bläserensemble spielt ein Motiv, das einen tief einatmen lässt,
dann setzen die Streicher ein gefolgt von einem Opernchor, der das Ganze zu
einem dramatischen Höhepunkt anschwellen lässt. Danach folgt eine
Sekundenpause, in der man die Luft anhält, ehe nahtlos in den ersten richtigen
Song „As torches rise“ übergeleitet wird. Da steigen die Instrumentalisten
– vor allem der Schlagzeuger – rasant ein. Der erste Teil des Songs wird von
einer amtlichen DoubleBase-Attacke und dem Orchester dominiert, während Bass
und Gitarren eher dazu dienen, einen dichten Klangteppich zu erzeugen. Dann
setzt der Gesang ein. Warlord Nygård schreit sich in Wallung, was sehr gut zur
kampflustigen Stimmung passt, denn man bekommt unweigerlich das Gefühl, dass
hier eine Armee im Anrollen ist! Diese rasenden Parts werden von ruhigeren
Passagen durchbrochen, in denen die wahnwitzig gespielte Geige das Ruder übernimmt
und ein melodischer Sprechgesang vorherrscht.
Zu Beginn des Titeltracks wird dann das Tempo etwas gedrosselt, dennoch ist der
Rhythmus des Songs absolut mitreißend. Mit kraftvollem Gesang wird vom
„Herzen Turisas“ erzählt, das den Kriegern in ihren Schlachten beisteht,
und wenn der Schlachtruf „Battle Metal“ ertönt, möchte man am liebsten an
Ort und Stelle mitbrüllen. Die Bläser treiben den Song vorwärts und
anscheinend auch den Warlord, dessen Stimme sich an manchen Stellen etwas überschlägt.
Das ist jedoch das einzige kleine Manko, denn besonders das Flötensolo in der
Mitte des Lieds frisst sich sofort in den Gehörgang.
Mit „The Land of hope and glory“ folgt eines der, wenn nicht DAS Highlight
der Platte. Es beginnt mit dem Chor der Krieger nur unterlegt von einem
synthetischen Rhythmus, die Flöte trägt das Motiv weiter, ehe Chor und
Instrumente dann zusammen wieder einsetzen. Im gemäßigten Tempo übernehmen
Violine und Gesang die Hauptstimme, und dann geht es erst richtig los. Es ist
eine wilde, aber dennoch melodische Raserei, die dem Hörer nicht nur ins Ohr,
sondern auch in die Beine geht. Im weiteren Verlauf steigt das Mitgröhlpotential
noch gehörig an, wenn Turisas ihre Stärken voll ausspielen und eine Atmosphäre
erzeugen, in der man sich federleicht fühlt, bevor man im Schlussspurt doch
noch von den wilden Mannen überrannt wird.
„The Messenger“ gönnt danach keine Ruhepause. Auch hier wird wieder massiv
von symphonischen Klängen Gebrauch gemacht. Außerdem gibt es einige
Tempiwechsel, und zum ersten Mal taucht eine weibliche Stimme auf. Das Tempo
steigert sich passend zum Thema wieder, da ein Trott kaum zum Überbringen einer
wichtigen Nachricht passen würde.
Danach haben Turisas ein Einsehen und lassen den erschöpften Hörer bei „One
more“ ein wenig verschnaufen. Geige und Trommeln beruhigen ein wenig, ehe man
mit einem Paukenschlag wieder „erweckt“ wird. Denn nun folgt ein wunderschöner
Gesang. Jawohl – kräftig und klar wird die Strophe dargeboten, worauf ein
Aufbäumen und ein sehr melodischer Instrumentalpart folgen. Im Refrain wird an tote Kampfgefährten erinnert und sich für
eine weitere Schlacht aufgemuntert, obwohl die Geige zeitweise eher leidend
klingt. Turisas schaffen es, in diesem Song verschiedene Stimmungen und Tempi zu
kombinieren, was das ganze sehr abwechslungsreich macht, obwohl es im Ganzen
eher ein pathetisches Lied ist.
Aber
auch an der Polka kommen die fünf Herren nicht vorbei. Während der Anfang von
„Midnight Sunrise“ noch nach dem bewährten Turisas-Muster gestrickt
(schnelles Grundtempo, rasender Kreischgesang, Kriegerchor) ist, übernimmt
Gastsängerin Emanuelle Zoldan den Refrain und danach folgt ein Highspeed
Polkamelodie als Intermezzo, da kann einem Hören und sehen vergehen. J
Aber die Füße wippen unweigerlich im Takt, so muss das sein!
Nun
kommt Wind auf und man hört ganz leise ein paar tiefe Gesänge, die sich
langsam zum richtigen Chor steigern. Gesanglich wechseln sich Chor und Leadsänger
ab, der Rhythmus erinnert zuerst an den von „As torches rise“ wird aber von
Pianoeinsprengseln unterbrochen, die „Among ancestors“ eine eigene Note
verleihen.
„Sahti-Wahri“ ist der „etwas andere“ Song des Albums. Man hört Stimmen, Gläserklirren, Applaus und einen Hund bellen, dann
Gelächter und das Instrumentestimmen wie vor einem Konzert. Dann wird angezählt.
Akkordeon und Tuba spielen ein Humppamelodie, in die der Rest der Band mit
einsetzt. Der Text ist komplett in Finnisch gehalten und handelt von Traditionen
in der Heimatgegend von Turisas.
In „Prologue for R.R.R.“ liest Warlord Nygård einen Teil aus „The surgeon´s
stories – In times of Gustaf Adolf“ von Zacharias Topelius, untermalt von
Synthesizerklängen, die Unheil ankündigen. Das darauf folgende „Rex regis
rebellis“ ist mit über sieben Minuten der längste Song des Albums und auch
der monumentalste. Fanfarenklänge bilden noch mal ein eigenes Intro und
verstimmen den ganzen Song über nicht. Ein Trommelwirbel und abgehackte
Gitarrenriffs stimmen auf den Gesang ein. Und dem wird einiges abgefordert. Nach
einem kurzen Intermezzo auf Englisch geht es kraftvoll und in einem Rhythmus,
der ein bisschen an die Rezitation eines Gedichts erinnert, auf Schwedisch
weiter. In der Mitte des Songs täuscht ein Akustikpart Ruhe vor, doch die ist
trügerisch, denn man geht noch einmal rasant und mitreißend zu Werke. Nach
einer letzten kleinen Atemholpause steigert man sich mit einem finnischen
Kampfruf ins Finale.
Nach so vielen Schlachten ist es dann kein Wunder, dass man das Album ruhig
beendet. „Katuman kaiku“ (The echo of Lake Katuma) ist ein wunderschönes,
aber auch nachdenkliches Instrumental, dessen Leitmotiv zuerst von der Flöte
gespielt und dann an die Gitarre weitergegeben wird, die dann langsam ausklingt.
Wow. Den Mannen Turisas gelingt es wirklich, eine eigene Nische neben den bereits etablierten Bands zu finden. Dabei kann den Albumtitel durchaus als Kategorisierung benutzen, wenn man es denn darauf anlegt. „Battle Metal“ entpuppt sich als durchdachtes und ausgereiftes Werk, das trotz allem Bombast nicht überladen wirkt und auch nach mehrmaligem Hören nicht langweilig wird. Man schafft es, die Phantasie des Hörers anzuregen und ihn auf das Schlachtfeld zu entführen. Da stellt sich mir nur die Frage, was die Jungs noch in petto haben, um das zu toppen.
Anspieltips: Battle Metal, The land of hope and glory
9,5 von 10 Punkten Review von Wiebke